Wer keine Kinder hat, sollte besser die Klappe halten

© Wiebke Jann

„Cool trotz Kind“ ist für alle Eltern dort draußen. Autor Clint durchläuft dafür sämtliche Lebensentwürfe. Auf drei Jahre Kleinfamilie folgten vier Jahre Wechselmodell. Nun sieht er seine Tochter Wanda* nur noch am Wochenende. Ein Alltag zwischen Sehnsucht und Großstadt-Exzessen.

Wer kennt sie nicht? Die engagierten Super-Daddys der öffentlichen Spielplätze. Man kann sie oft um die Feierabendzeit beobachten, wie sie für alle gut sichtbar noch ein paar Bälle mit dem Sohnemann werfen. Manchmal steigt auch ein anderer Super-Daddy mit seiner Brut ein und dann verausgaben sich alle so richtig und klopfen sich zwischendurch auf die Schulter. Man merkt zwar, dass sie ihren Kindern irgendwie fremd sind. Die Art, wie sie mit ihnen sprechen, wirkt so, als wären sie sich eben erst auf einer Vernissage begegnet. Doch bei nur dreißig Minuten am Tag dauert das mit dem Kennenlernen halt länger.

Ich gebe zu: Es ist mir ein inneres Blumenpflücken, diese Hampelmänner zu beobachten. Die verzweifelten Versuche, ihre Vaterschaft öffentlichkeitswirksam zu platzieren. Und wie die sich quälen! Jeder kurze Seitenblick auf die Uhr oder ihr Smartphone macht deutlich, wie viel sinnvoller sie die Minuten im Büro hätten investieren können. Es soll übrigens nicht diskriminierend klingen, dass ich jetzt nur über Väter schreibe. Ich sehe auch oft genug Mütter, die ihr Kind wie ein Start-up betreiben. Als wäre vor ihnen noch niemand auf die innovative Idee gekommen, sich fortzupflanzen.

Jeder kurze Seitenblick auf die Uhr oder ihr Smartphone macht deutlich, wie viel sinnvoller sie die Minuten im Büro hätten investieren können.

Und meine Schadenfreude kommt auch nicht daher, dass ich mich für einen besseren Vater halte. Naja, eigentlich schon. Aber ich weiß, dass meine Art der Erziehung (oder deren Abwesenheit) vielen anderen Eltern als grenzwertig erscheint. Das sagen zumindest die Leserbriefe, die mir Woche für Woche nahelegen, meinem Hedonismus abzuschwören und mich in die Arme von Kirche und Therapie zu begeben. Und was soll ich sagen? Seit Wanda aufs Land gezogen ist, gibt es nun Tage, an denen ich Wäsche aufhänge und kein einziges Kleidungsstück von ihr dabei ist. Ich bin selbst schon fast wieder Junggeselle.

Trotzdem, und jetzt komme ich endlich zum Punkt, darf ich über andere Eltern lästern. Ganz einfach aus dem Grund, weil ich zum Club gehöre. Ich weiß, wie es ist, wenn sich die eigenen Hirnströme dem des Babys anpassen und man genauso bescheuert zu brabbeln beginnt. Auch ich tue so, als würde mir der Sandkuchen meiner Tochter schmecken, obwohl alle Beteiligten wissen, dass ich ihn gar nicht gegessen habe. Hmmmmm!

Auch die coolsten Menschen können zum würdelosen Helikopter verkommen

Was mich in dieser Sache jedoch befremdet, ist die Kritik von Menschen, die selbst gar keine Kinder haben. Die mir erzählen wollen, was ich meiner Tochter vorleben soll, obwohl sie noch nie für jemand anderen sorgen mussten als sich selbst. Und nein, Haustiere zählen nicht. Im Grunde können nicht mal kinderlose Erzieher*innen mitreden, weil auch die eine Distanz zum Kind halten können, die man als Eltern nicht hat.

Kinderlose Menschen, die sich über die Macken von Eltern beschweren, sind wie Leute ohne Führerschein, die lachen, wenn jemand nicht einparken kann. Doch wer sich selbst nicht aufs Glatteis begibt, wer nicht teilnimmt am Game, kann auch nicht mitreden. Darf er oder sie natürlich schon. Ich will hier nicht noch ein moralisches Gebot aufstellen. Aber ich denke dann immer: Wer weiß, was ein Kind aus dir machen würde. Auch die Coolsten können zum würdelosen Helikopter verkommen.

Kinderlose Menschen, die sich über die Macken von Eltern beschweren, sind wie Leute ohne Führerschein, die lachen, wenn jemand nicht einparken kann.

Genau deshalb lege ich auch Wert auf meinen Lebenswandel. Muss ich etwa auf Alkohol und Drogen verzichten, nur weil ich Vater bin? Viele würden sagen: Ja! Das liegt an unserer merkwürdigen Zeit. Statt der neuen Roaring Twenties sind wir wieder in den prüden 50ern gelandet. Aber ich will meiner Tochter beibringen, vorleben, dass ein gepflegter Hedonismus sich sehr gut mit Selbstverwirklichung verbinden lässt. Dafür stehe ich mit meinem Namen. Wer das blöd findet, kann ja gern das eigene Kind zum farblosen Ebenbild formen.

© Mit Vergnügen

*  Name geändert

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