Meine Zukunft ist noch chaotischer als Berlins Infrastruktur
Der Sommer, und damit die Urlaubszeit, ist für mich immer ein Ausnahmezustand. Nichts ist so befreiend, wie aus dem Alltag zu fliehen. Aber nach ein paar Tagen in der Fremde fühle ich mich auch immer verloren. Dann fehlt mir mein Alltag, meine Tochter, meine Arbeit, Berlin. Deshalb bin ich nie traurig, wenn ein Urlaub zu Ende geht, sondern freue mich auf meine Rückkehr.
Dabei ist Berlin eine denkbar nervige Stadt zum Heimkommen. Solange man hier lebt, gewöhnt man sich ja an einiges. Aber der direkte Vergleich mit anderen Orten macht stutzig. Weil es selbst in Schwellenländern wie Italien oder Griechenland eine funktionierende Infrastruktur gibt. Die Züge sind klimatisiert und pünktlich. Die Menschen schreien sich nicht pausenlos an, sondern gehen höflich miteinander um. Verrücktes Konzept, ich weiß.
Berlin ist eine nervige Stadt zum Heimkommen
Dann landet man am endlich eröffneten BER und muss feststellen, dass der an sich sehr praktische FEX (Flughafenexpress) nicht fährt. Denn es war natürlich nicht möglich, die Strecke während der letzten zehn Jahre zu modernisieren. Das muss genau jetzt in der Urlaubszeit passieren. Die S-Bahn ist dann nur nebenbei ein Transportmittel, hauptsächlich aber ein Umschlagplatz für Obdachlosen-Zeitungen. Und der Fahrer so: „Is ja schön, wenn die junge Frau mit dem Fahrrad sich im ersten Wagen häuslich einrichtet. Ich warte dann einfach noch mit‘m Weiterfahren.“
Berlin ist zwar das Stadt-gewordene Fettnäpfchen, aber trotz allem meine geliebte Heimat.
Natürlich gewöhne ich mich immer schnell daran, was hier für charmant gehalten wird. Berlin ist zwar das Stadt-gewordene Fettnäpfchen, aber trotz allem meine geliebte Heimat. Die Sache ist nur, dass es dieses Mal keine Normalität gibt, zu der ich zurückkehren kann. Denn am Ende des Monats wird meine Tochter aufs Land ziehen. Und von da an nur noch an den Wochenenden zu mir kommen. Wie sich das auf unsere Beziehung auswirken wird, ist ungewiss.
Statt Quality Time steht in diesen Tagen jedenfalls eine Menge Orga-Kram an. Wie bei Trennungen üblich, müssen wir entscheiden, welche von ihren Sachen sie mitnimmt und welche bei mir bleiben. Am Telefon lasse ich mich vom Jugendamt demütigen, weil ich so hirnrissig bin, um eine Unterstützung bei den Fahrtkosten zu bitten. Auch so eine Behörde, die nur funktioniert, wenn sie Stress machen kann.
Ich hätte nie gedacht, dass mir diese lästige Formalität mal so wichtig sein würde. Aber ich spüre den Drang, zu beweisen, dass meine Tochter wirklich zu mir gehört.
Zum Schluss noch ein Gang zum Bürgeramt, um das Kind bei mir zu melden. Zweiter Wohnsitz Berlin. Ich hätte nie gedacht, dass mir diese lästige Formalität mal so wichtig sein würde. Aber ich spüre den Drang, zu beweisen, dass meine Tochter wirklich zu mir gehört. Deshalb nehme ich auf Reisen mit ihr, neben ihrem Pass, auch immer die Geburtsurkunde und meine Vaterschaftserklärung mit. Wahrscheinlich so eine Art Hochstapler-Syndrom: Ich habe insgeheim Angst, dass der Schwindel, ich könnte so etwas Tolles wie sie mit erschaffen haben, auffliegen wird.
Ich habe insgeheim Angst, dass der Schwindel, ich könnte so etwas Tolles wie sie mit erschaffen haben, auffliegen wird.
Als alles erledigt ist, brechen auch wir noch mal aus. Drei Tage Wien. Prater, Caféhäuser, Schwimmen in der Alten Donau. Es ist schön und entspannt wie immer, aber selbst meine Tochter merkt, dass wir uns dem Ende von etwas nähern. Vielleicht ist es auch der Anfang. Auf jeden Fall steht uns beiden nun ein Doppelleben bevor. Sie wird unter der Woche einen auf Bullerbü machen, und am Freitag zu mir in die Townships fahren. Und ich werde fortan die beschaulichsten Wochenenden verbringen – um dann von Sonntag bis Freitag die Sau rauszulassen.