Corona vs. Klima – ein Tauschgeschäft ohne Gewinner

© Frank Zhang | Unsplash

Nur ein Jahr ist es her, da zogen Zehntausende Menschen dicht an dicht gedrängt durch deutsche Großstädte, um zu demonstrierten – für‘s Klima, für mehr Umweltbewusstsein und für eine Politik, die endlich die Notbremse zieht und handelt. Jetzt, zwölf Monate später, hat Corona alles auf den Kopf gestellt. Kuschlige Massenaufläufe wie beim Klimastreik im November 2019 trauen sich inzwischen nur noch die Aluhüte. Und selbst die Verschwörungstheoretiker interessieren sich dabei längst nicht mehr für eine – natürlich – fremdgesteuerte Greta, sondern viel mehr für all die dunklen Mächte, die dieses Corona-Virus – natürlich – nur erfunden haben.

Die Klimakrise hat den Staffelstab übergeben. Der neue Endgegner heißt: Coronakrise. Klar. Immerhin wirken Bilder von überfüllten Krankenhäusern und Panzern, die massenweise Särge abtransportieren, als Bedrohung weitaus realer als irgendeine Erderwärmung, die uns in ferner Zukunft die Existenz kosten könnte. Corona hingegen trachtet uns nicht erst in ein paar Jahren nach dem Leben, sondern genau jetzt. Und dabei geht es nicht nur um die Menschen, für die eine Infektion tödlich enden könnte – auch wirtschaftlich steht manch einer kurz vor dem Aus.

Die Frage, was nun wichtiger ist – das Lieblingsrestaurant oder doch die Nachhaltigkeit – kennt keine zufriedenstellende Antwort.

Statt der Klimaforscher sind Virologen die neue mahnende Stimme des Volkes. Erderwärmung und Nachhaltigkeit müssen sich hintenanstellen. Das macht sich nicht nur politisch bemerkbar. Auch wir stehen vor der Wahl – und das Ergebnis lautet dabei oft: Wenn wir nicht nur die Oma, sondern auch unseren Lieblings-Asiaten und das schnuckelige Café zwei Straßen weiter retten wollen, dann kaufen wir den grünen Smoothie jetzt eben wieder in Plastikbechern, essen Pad Thai aus Aluschalen und ersetzen Stoff- durch Wegwerfservietten. #SupportYourLocals statt #FridaysForFuture.

Es ist ein Tauschgeschäft ohne Gewinner. Denn die Frage, was nun wichtiger ist – das Lieblingsrestaurant oder doch die Nachhaltigkeit – kennt keine zufriedenstellende Antwort. Schließlich braucht es keinen Doktortitel, um zu verstehen, dass eine Krise die andere nicht in Luft auflöst. Während ein schnelles Allheilmittel gegen das Virus und somit auch die Normalität auf sich warten lässt, ist der Klimawandel längst da – und er macht keine Pause, nur weil wir Menschen gerade dringendere Probleme haben. Am Ende bleibt damit nur das Gefühl, dass – egal, wie man es gerade macht – man es nie ganz richtig machen kann.

Der Bonus ist schnell verpielt – und das nicht nur durch Unmengen von Wegwerfgeschirr.

Klar, der ein oder andere mag sein grünes Gewissen damit beruhigen, dass diese neue Krise auch positive Effekte auf das bekannte Problem hat – denn wenn wir auf Fernreisen verzichten, immer häufiger aufs Rad umsteigen und nicht für jedes Business-Meeting durch die gesamte Stadt oder gar um den halben Globus düsen, dann kann das auch fürs Klima nicht schlecht sein.

Nur ist der Bonus eben auch schnell verspielt – und das nicht nur durch Unmengen von Wegwerfgeschirr. Noch viel entscheidender: Eine wachsende Zahl von Politikern ist offenbar der Meinung, dass es jetzt Wichtigeres gibt als Klimaziele. Und das, obwohl die Coronakrise doch bilderbuchhaft zeigt, wie sich Schaden abwenden lässt, wenn man einfach mal auf schlaue Leute hört, die sich mit der Materie auskennen. Wissenschaftler. Aber selbst in Bezug auf die Klimakrise behält der Virologe der Stunde wohl Recht, wenn er sagt: „There is no glory in prevention.“ Bitternötig, das weiß nicht nur Drosten, ist sie trotzdem.

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