Ode an den Morgenmantel

© Marie-Therese Freise

Meine Liebe zu Morgenmänteln begann wohl Mitte der 80er Jahre in Berlin-Nikolassee. Meine Eltern trugen nach dem Aufstehen beide einen wunderschönen Morgenmantel. Meine Mutter einen englisch anmutenden Baumwoll-Morgenmantel, mein Vater einen aus schwarzer Seide. Wie konnte mich so eine Erfahrung nicht prägen? Bis heute werfe ich morgens nach dem Aufstehen am liebsten direkt meinen Morgenmantel über, trinke meinen Kaffee und lese die Zeitung am Frühstückstisch. Ob ich ein bisschen zu viele Filme gesehen habe, fragt ihr euch gerade? Vielleicht. Macht aber nix, finde ich. Heute möchte ich über den Morgenmantel, meiner Meinung nach eines der mondänsten Kleidungsstücke überhaupt, wie gemacht für Unangepasste und Freidenker*innen, erzählen.

It's a lifestyle

Obwohl ich nie in meinem bisherigen Leben geraucht habe, stelle ich mir oft vor, wie ich rauchend am Küchentisch sitze, Gemüse fürs Abendessen schneide und dazu einen Rotwein trinke. Oder wie ich rauchend im Wintergarten oder auf dem Balkon sitze, nachdenke, lese und dazu dramatische Musik höre. It's a lifestyle.

Vielleicht haben auch die vielen Bademantel-Szenen aus dem Kino, in denen es häufig höchst dramatisch zugeht, ein wenig abgefärbt. Denke ich an meine Zukunft, dann ertappe ich mich manchmal dabei, dass ich träume, wie ich ganz elegant die Treppe hinunter schwebe, nur mit einem langen, fließenden Morgenmantel aus Seide bekleidet, um meine Gäste zu empfangen. Der Stoff des Mantels bläht sich hinter mir dramatisch im Flugwind auf (klar!). Ein bisschen wie bei Grace Kelly in das "Das Fenster zum Hof".

Naja, und wer auch im echten Leben auf exzentrische Auftritte steht, der kann den Morgenmantel auch auf der Straße tragen. Mais Oui! Und das nicht nur, um morgens den Briefkasten zu leeren. Meine Meinung.

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Wenn ich meinen Morgenmantel abgelegt habe, bin ich ready für den Tag

Der Morgenmantel ist außerdem das perfekte Kleidungsstück für den Übergang. Ich habe zum Beispiel morgens ein Ritual. Ich schlüpfe in meine Hausschuhe, tapse in die Küche, koche einen Espresso, gehe mit dem Kaffee ins Bad, dusche, schlüpfe (diesmal) in den Bademantel zum Trocknen und Aufwärmen. Jetzt, wo ich den Bademantel gegen den Morgenmantel getauscht habe, schenke ich mir einen zweiten Kaffee ein und ziehe mich danach um. Das ist genau der Moment, an dem ich mein morgentliches Gewand abgelegt habe und endlich bereit für das "Draußen" bin.

Wenn ich keinen alltäglichen Start in den Tag habe, dann ziehe ich den Morgenmantel direkt über meinen Schlafanzug und bleibe so. Den ganzen Tag lang. Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber sonntags bleibe ich ab und an gerne zu Hause, frühstücke ausgiebig und lege mich danach noch mal ins Bett. Und das am liebsten – richtig – im Morgenmantel.

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Ein Kleidungsstück für Unangepasste und Freidenker*innen

Für ein gutes Körpergefühl gehört für mich auch, sich etwas Schönes anzuziehen – auch, wenn ich nicht vorhabe, rauszugehen. Und Seide, direkt auf der Haut, fühlt sich unfassbar schön an, das lasst euch gesagt sein. Für mich gibt es nichts Vergleichbares. Außerdem wäre da noch das Thema Erotik. Es kann nämlich durchaus sehr stilvoll und sexy aussehen, wenn ihr euch vor eurem Date in einen Morgenmantel hüllt, um ein Glas Wasser oder eine Tasse Kaffee ans Bett zu holen. Egal ob Mann oder Frau, versteht sich. Ursprünglich wurde der Morgenmantel nämlich vor allem von den Herren des Hauses, den sogenannten Dandys, in vornehmen britischen Familien getragen. Aber auch englische oder russische, gerne auch verarmte Adlige, die ihre baumwollenen, gestärkten Mäntel oder aber fließende Seidenstoffe am Körper trugen. Wie etwa der Protagonist des russischen Romans Oblomov,  der in seinem Mantel zu wohnen schien.
Ich für meinen Teil verbinde damit einen künstlerisch-intellektuellen Lebensstil, der mich schon immer fasziniert hat.

Vielleicht hänge ich meinen Morgenmantel deshalb auch immer wie ein Gemälde, das ich sehr bewundere, an einem Kleiderbügel an der Wand auf. Selbstverständlich nur dann, wenn ich ihn ausnahmsweise nicht trage.

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