Die Maske schränkt unsere Freiheit ein – na und?

© Engin Akyurt | Unsplash

Ich geb’s zu: Maske tragen nervt schon ein bisschen. Dass der perfekte Begleiter nicht gerade ein Mundschutz ist, der uns nach einem Run zur Bahn regelmäßig in Atemnot versetzt, darauf können wir uns wohl alle einigen – egal, ob Maskenbefürworter*in oder Coronaleugner*in. Da hört es dann aber auch schon auf mit dem Konsens. Denn das Argument, welches man in letzter Zeit immer wieder hört, ist weitaus weniger nachvollziehbar: Die Maske muss weg, denn sie schränkt unsere persönliche Freiheit ein.

Ein kurzer Exkurs in die Freiheit

Aber was heißt das überhaupt, unsere Freiheit? In Politik, Soziologie und Philosophie hat es viele schlaue Denker*innen gegeben, die sich mit der Frage der Freiheit auseinandergesetzt haben. John Stuart Mill – einer der einflussreichsten Denker des Liberalismus – hat mehr individuelle Freiheit und Selbstbestimmung von Menschen gefordert. Doch auch er hat festgestellt, dass diese Freiheit nicht grenzenlos sein kann: Der Mensch soll frei sein, aber Freiheit soll eingeschränkt werden können, um sich selbst oder andere zu schützen. 

Eine Erkenntnis, die mit Blick auf Menschenrechte und Moralverständnis wohl die meisten von uns unterschreiben könnten. Klar – es muss schon wirklich eine erhebliche Gefahr geben, die die Einschränkung der Freiheit rechtfertigt. Aber könnte man eine globale Pandemie, für die es bisher keinen Impfstoff gibt und die gerade Tausenden von Menschen auf der Welt das Leben kostet, wohl als erhebliche Gefahr einstufen? Ich zumindest würde das.

Aber auch wer die Aufregung um die Pandemie immer noch als völlig übertrieben einstuft, kommt mit dem Freiheitsargument nicht so richtig voran. Denn wenn man einfach mal das kleine Stück Stoff vor unserem Gesicht mit den Einschränkungen unseres restlichen Lebens vergleicht, kann sich beim besten Willen nicht erschließen, wo der ganze Maskenhass auf einmal herkommt. Es scheint, als würde für diejenigen, die von ihrer "eingeschränkten Freiheit" reden, Freiheit bedeuten, immer tun und lassen zu können, was sie wollen. Und – können sie das?

Was wir also ganz sicher nicht sind, ist: frei von Regeln. Und das ist auch gut so.

Ich vermute mal, sie alle zahlen Steuern, auch wenn sie sich nie bewusst dazu entschieden haben. Die meisten zahlen wahrscheinlich ihren Einkauf im Supermarkt, auch wenn sie die Dinge gerne umsonst hätten, sie nehmen sich wohl auch nur so viel Urlaub, wie ihnen vertraglich vorgeschrieben ist und sie schicken ihre Kinder in die Schule, weil Schulpflicht besteht. Unsere Welt ist durchzogen von Regeln – manche sind im Gesetz festgeschrieben und manche haben sich über die Jahre zu kollektiven Regeln entwickelt. Manche sind viel schwieriger nachzuvollziehen, als die Relevanz eines Stücks Stoff, was auf einfache Weise Viren filtert. Was wir also ganz sicher nicht sind, ist: frei von Regeln. Und das ist auch gut so. 

Natürlich ist Veränderung erstmal komisch – und kann sich anfühlen wie ein Einschnitt in die eigene Freiheit. Als wir im Frühling wochenlang niemanden treffen sollten, alle Geschäfte geschlossen waren und man einen großen Bogen um jede*n auf der Straße gemacht hat – klar, habe ich mich da meiner jahrelang gelebten Freiheit beraubt gefühlt. In einem viel größeren Maß, als es jetzt eine kleine Maske tut. Verständlich, dass Menschen auch jetzt ein unbehagliches Gefühl empfinden, wenn ihre altbekannte Freiheit durch eine neue (Masken-)Regel begrenzt wird.

Nur – haben wir ein Recht auf uneingeschränkte Freiheit, völlige Autorität, zu tun und zu lassen was wir wollen, nach uns die Sintflut? Ich weiß ja nicht, in welcher Anarchie die ganzen Maskengegner*innen bisher gelebt haben, aber ich kann mich gut erinnern, dass mein Leben schon immer von Regeln durchzogen war. Von Regeln, über die es zu diskutieren gilt.

Ein kleines Stück Stoff kann Leben retten – und diese Menschenleben erscheinen mir doch wichtiger als die nervigen Alltagsmomente, in denen ich eine Maske tragen muss.

Natürlich ist es richtig, über die Einschränkungen der Freiheit zu streiten. Niemand will sich gerne Dinge vorschreiben lassen, das merkt man nicht zuletzt an den ewigen Diskussionen zu Klimaschutzgesetzen und Co. Ich habe über die Masken nachgedacht – und habe festgestellt, dass ein kleines Stück Stoff bewiesenermaßen Menschenleben retten kann und mir diese Menschenleben doch wichtiger erscheinen als die nervigen Alltagsmomente, in denen ich eine Maske tragen muss. Und selbst wenn man sich dafür entscheidet, ein*e rücksichtslose*r Egoist*in zu sein – dann hört doch wenigstens auf, Leute anzuschreien, dass sie gefälligst ihre Maske abziehen sollen. Ich schreie ja auch keine Autofahrer*innen an, dass sie gefälligst noch weniger Acht auf Radfahrer*innen geben sollen.

Wer wirklich gegen eine Maskenpflicht ist und bis hierhin gelesen hat – Herzlichen Glückwunsch. Dann gehörst du wahrscheinlich zu den Menschen, die ich mit diesem Text erreichen möchte. Diejenigen, die eigentlich nichts mit Reichsbürger*innen und Neonazis zu tun haben wollen, aber auf einer Anti-Corona-Demo plötzlich Seite an Seite mit ihnen stehen. Diejenigen, die durch Corona vielleicht wirklich in Not geraten sind, aber verpasst haben, sich bei der Diskussion auf die wirklich wichtigen Dinge zu fokussieren. Oder diejenigen, die freudig verkünden, Corona sei längst vorbei, weil sie einfach keine Lust mehr auf die Pandemie haben.

Eigentlich hat sich die Lage seit März kaum verändert – bis auf die Tatsache, dass wir durch viele Einschränkungen und Regeln wesentlich weniger Tote zu vermelden hatten als viele andere Länder. Zum Glück – und das auch nur, weil sich ein Großteil der Bevölkerung an die Regeln gehalten hat. Also ja, vielleicht schränkt die Maske unsere Freiheit ein. Der Denkfehler: Damit ist sie nicht automatisch falsch. 

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