Berliner*innen am Sonntag mit Janina Uhse: "Barfuß zu sein, das ist ein Freiheitsgefühl"

© Wiebke Jann

Der Sonntag ist heilig! Wir haben uns gefragt, was waschechte, zugezogene oder ganz frisch gebackene Berliner*innen an diesem besten Tag der Woche eigentlich so tun? Lassen sie alle Viere gerade sein oder wird doch gearbeitet, was das Zeug hält? Sind sie "Tatort"-Menschen oder Netflix-Binger*innen, Museumsgänger*innen oder festgewachsen am Balkon? Brunchen sie mit Freund*innen oder trifft man sie allein im Wald beim Meditieren an? Wir haben bei unseren liebsten Berliner*innen nachgefragt.

Das sagt Schauspielerin und Foodie Janina Uhse über ihren Sonntag

Ist der Sonntag für dich ein besonderer Tag?

Es ist der faulste Tag der Woche bei mir. Ich habe dieses Gefühl, dass ich richtig entschleunigen kann, weil ja auch nichts auf hat – und ich bewege mich dementsprechend auch nicht so viel. Mein Handy denkt auch regelmäßig ich bin tot, weil ich immer diesen Schrittzähler benutze – und der ist in der Regel ganz okay, aber sonntags hatte ich jetzt neulich wieder den Rekord mit 79 Schritten.

Wie startest du in den Sonntag?

Leider nicht sehr bewusst. Ich würde mir manchmal wünschen, dass ich Dinge bewusster tue, den Tag mit Meditation oder Yoga beginne. Leider habe ich da gar kein Ritual, ich stelle mir keinen Wecker, ich schlafe so lange wie ich schlafe, das ist das Schönste am Sonntag und dann frühstücke ich ganz spät – also eigentlich ist das Frühstück und Mittag zusammen. Manchmal snacke ich auch einfach den ganzen Tag.

Und dann gucke ich, was so ansteht, ob ich mich mit Freunden treffe oder Lust habe, lieber zu Hause zu bleiben. Manchmal puzzel ich und neulich habe ich auch drei Stunden lang eine Schublade aufgeräumt – und dann habe ich gedacht "Die Ordnung jetzt ist nicht besser als die davor, egal, es hat zumindest Spaß gemacht". Aber ich glaube, das Schöne am Sonntag ist, in der Regel keine Pläne zu haben.

Ich glaube, das Schöne am Sonntag ist, in der Regel keine Pläne zu haben.

Du bist ja gerade zu uns in die Nachbarschaft nach Mitte gezogen. Wie kommt es, dass du nach zehn Jahren Charlottenburg verlässt?

Es war jetzt nicht, dass ich gedacht habe, ich möchte unbedingt nach Mitte, aber ich habe die Wohnung gesehen und dachte, das ist sie. Ich war sogar schon zu einer in Charlottenburg committed, aber die war einfach umwerfend. Gerade food-technisch ist Mitte ja auch super.

Was ist denn derzeit dein Lieblingsrestaurant?

In Mitte muss ich mich erstmal noch zurecht finden, aber ich mag zum Beispiel den Lunch im Yarok auf der Torstraße, oder das Jabe. Das Night Kitchen mag ich auch. Aber ich habe auch eine ganz lange Liste mit Restaurants in Mitte, die ich unbedingt noch ausprobieren will. Ich bin noch ein bisschen in meinem Charlottenburg-Space.

Ich habe auch das Gefühl, jetzt wo ich aus Charlottenburg wegziehe, wird es langsam cool. Die Kantstraße ist ja ohnehin Asian-Mekka. Ich liebe zum Beispiel das Dao, das ist mein absoluter Lieblingsthai, oder auch das Papaya. Also dieses authentische, ehrliche Essen, das wird mir hier in Mitte etwas fehlen. Aber hey, es ist ja nicht aus der Welt. Ich tue gerade so, als wäre ich jetzt in einem anderen Land.

janina uhse
Janina mit Freundinnen in ihrer Küche beim Kitchen Kartell. © Andre Josselin

Du bist mit 18 für deine Rolle bei GZSZ nach Berlin gekommen. Wie war das für dich?

Ich war 17 Jahre alt, als ich den Mietvertrag unterschrieben habe, also den hat sogar noch meine Mutter unterschrieben, weil ich zu jung war – in Zehlendorf, in so einer kleinen süßen Wohnung. Meine Mutter wollte sicherstellen, dass ich nicht direkt im Hotspot bin, wo ich jeden Abend Party mache, sie wollte mich da ein bisschen schützen. Was für den Moment aber auf jeden Fall die richtige Entscheidung war, weil es nah am Studio in Babelsberg war, weil ich mich auch wirklich auf die Arbeit konzentrieren wollte. Und das war auch ganz gut.

Das kenne ich, als ich damals hergezogen bin, hat sich mein Papa auch ein bisschen gesorgt. 

Ich hab das Gefühl, mit jedem Jahr, das ich älter werde, kann ich mehr nachvollziehen, dass man sich um Menschen sorgt, dass man sich Gedanken macht und dass man nur das Beste für die jeweiligen Familienmitglieder möchte – ich glaube, das muss schon hart sein. Ich habe in letzter Zeit auch viel mit meiner Mutter darüber gesprochen und sie meinte, dass es für sie die schlimmste Zeit war, als ich gegangen bin und sie nicht jederzeit mit mir nah sein konnte. Du musst halt loslassen, die Kontrolle abgeben können, und das ist schon schwer.

Das klingt, als wäre dir Familie und die Bindung zu deinen Eltern sehr wichtig.

Total, also ich denke immer, ich müsste eigentlich noch viel mehr machen und viel mehr bei meiner Familie sein. Aber ich glaube, das ist der natürliche Abnabelungsprozess, dass man erst sehr viel zu Hause ist und dann eben nur noch einmal im Monat oder alle zwei, ich schaffe das auch nicht immer. Aber in diesem Jahr waren meine Eltern relativ häufig hier in Berlin zu Besuch, sie haben ein Wohnmobil und haben eine Deutschland-Österreich-Tour gemacht und waren so einmal im Monat hier.

© Wiebke Jann

Könntest du dir denn vorstellen, noch mal aus Berlin wegzuziehen?

Ja. Ich glaube, dass Berlin in Deutschland die aufregendste Stadt ist und gerade ist es auch die Stadt, in der ich am liebsten sein möchte. Aber ich kann mir durchaus vorstellen – und das bringt der Beruf ja auch mit sich – mal für ein halbes Jahr für einen Dreh ins Ausland zu gehen. Sofern politisch alles cool ist, mal länger in Tel Aviv zu sein, oder in Barcelona oder in einer coolen Stadt, wo es ein bisschen wärmer ist. Das fehlt mir tatsächlich auch ein bisschen.

Gibt es einen Ort in Berlin, der dir besonders wichtig ist?

Ich glaube, das Kitchen Kartell ist es inzwischen geworden, dort wo auch die Janina and Food-Sachen entstehen. Das ist aber weit mehr als nur eine Küche, ich mache das mit Freunden zusammen, die machen den Borgmann-Schnaps, und es ist ein Ort der Zusammenkunft. Es ist ein guter Ort, du kommst rein und möchtest am liebsten sofort deine Schuhe ausziehen, weil es etwas von Heimat versprüht, ein guter Ort, gute Vibes.

Das kann ich gut verstehen. Bei uns im Büro ist das ganz ähnlich, selbst unsere Gründer Matze und Pierre laufen im Sommer barfuß oder auf Socken durch das Büro, das fühlt sich immer gleich nach Ankommen und Wohlfühlen an.

Ich finde das mega! Ich hasse Füße, aber barfuß zu sein, das ist ein Freiheitsgefühl – und etwas Heimeliges.

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Letzte Woche ist dein Film "Zu deinem Besten" rausgekommen. Ich mochte den Film, er ist auf den ersten Blick so schön unbedarft und leicht, eine gute Komödie, gerade in diesen wilden bzw. total unwilden Zeiten. Du spielst Antonia, die sich kurz vor der Hochzeit umentscheidet. Findest du dich in ihr wieder?

Dadurch, dass ich genau in dem Alter bin, das ich in dieser Figur verkörpere, mit all den Problemen, mit all dem, was einen beschäftigt, mit all dem Positiven, gab es viele Parallelen zwischen ihr und mir. Gerade dieses "Wer bin ich eigentlich, unabhängig von meiner Familie?", "Was will ich eigentlich?". Diese Fragen ans Leben, die wirklich Ende Zwanzig, Anfang Dreißig aufkommen. Der Abnabelungsprozess von der Familie, das was für einen so vorbestimmt ist, in Frage zu stellen und festzustellen, dass man diese Person vielleicht gar nicht ist – und so ging es mir eben auch. Ich hab jetzt einen Mann, ich hab letztes Jahr geheiratet, ich stelle die Weichen für meine eigene Familie –irgendwann. Allerdings ist Antonia sehr viel spitzer und resoluter, sie sagt "ist mir scheiß egal, was ihr davon haltet, ich mache das jetzt so". So taff bin ich nicht.

Sie wirkt wie ein kleines Generationsbild. Sie erkennt, dass sie mehr sie selbst sein möchte und kämpft dann auch dafür.

Genau und es ist ja auch wunderschön, dass wir in so einer Generation sind, in der es immer selbstverständlicher wird, auch wirklich das zu tun, was man will. Dass man alles sein kann, was man will, finde ich großartig.

Selbst wenn ich damals irgendwelche Fehler gemacht hätte, gehörten die auf jeden Fall dazu, um heute hier zu stehen, wo ich jetzt bin.

Wärst du denn gerne noch einmal jünger mit dem Wissen, das du jetzt hast?

Nein, also ich kann heute mit meinen 31 Jahren sagen, dass ich nicht noch mal 20 sein will. Natürlich war es mit 20 großartig unbeschwert, aber ich weiß heute aufgrund meiner Lebenserfahrung so viel mehr, und deshalb kann ich Entscheidungen auch viel bewusster fällen und weiß umso mehr, was mir wichtig ist. Damals hab ich es einfach gemacht, weil es mir vorgelebt wurde, heute treffe ich Entscheidungen bewusst.

Gibt es etwas, das du deinem 20-jährigen Ich gerne verraten möchtest?

Ich glaube, es war alles genau goldrichtig, so wie es war. Ich war wahnsinnig unbeschwert, ich bin einfach in die Sachen so reingetorkelt, ohne sie totzudenken und ich glaube, das war für den Zeitpunkt genau das Richtige. Ich bin auch kein Fan davon zu sagen, das hätte ich mal besser nicht gemacht. Es hat irgendwie alles seinen Grund und wenn ich damals schon das Wissen von heute gehabt hätte, wäre ich vielleicht viel zu verkopft gewesen und hätte es nicht so fließen lassen können. Selbst wenn ich damals irgendwelche Fehler gemacht hätte, gehörten die auf jeden Fall dazu, um heute hier zu stehen, wo ich jetzt bin. Trotzdem gehe ich immer hart mit mir ins Gericht und hinterfrage und hinterfrage und wenn ich fünf Nächte hintereinander schlecht schlafe, dann weiß ich einfach, dass es nicht das Richtige ist.

Ich glaube, die Generation, die nach mir kommt, denkt da ein bisschen anders. Vielleicht macht das auch die Gesellschaft mit einem, dass man nicht mehr so viele Fehler machen darf, möglichst früh mit etwas anfangen soll und darauf hinarbeitet. Aber ich glaube, je intuitiver man an die Sache rangeht, desto mehr bringt es einem, um langfristig mit sich glücklich zu werden.

Das formt einen natürlich. Man probiert etwas aus, und dann wird es nicht gut und dann weiß man das und kann es beim nächsten Mal anders machen.

Es macht einen kreativer. Das muss man heutzutage ja gar nicht unbedingt sein, es gibt ja für so vieles schon Schema F, an das man sich halten kann. Aber ich glaube, es formt auch den Charakter, wenn man etwas anders macht. Das zeigt ja gerade auch die Krise. Wann fängt man denn an, etwas zu verändern? Bestimmt nicht, wenn es gerade super läuft, sondern dann, wenn man sich Alternativen überlegen muss, um zu bestehen.

Trotzdem gehe ich immer hart mit mir ins Gericht und hinterfrage und hinterfrage und wenn ich fünf Nächte hintereinander schlecht schlafe, dann weiß ich einfach, dass es nicht das Richtige ist

Hast du ein Lieblingskino in Berlin?

Ja, die Astor Filmlounge ist mein absolutes Lieblingskino. Kinobesuche sind für mich auch Happenings. Es gibt natürlich auch sehr viele gute Sachen, die man sich auf Netflix ansehen kann und das ist sicher auch eine Bereicherung für die Filmlandschaft, aber ein Kinobesuch, das ist ein Happening und ich kann mich an jeden erinnern. Ich würde behaupten, ich kann dir immer sagen, mit wem ich wo welchen Kinofilm gesehen habe.

Schaust du eigentlich deine eigenen Filme?

Ja, also "Der Vorname" habe ich zum Beispiel fünf Mal gesehen, glaube ich, weil ich so aufgeregt war, weil es meine erste große Kinorolle war. Manchmal gehe ich auch ins Kino, um zu sehen, wie die Leute auf den Film reagieren. Ich möchte natürlich wissen, funktionieren die Pointen, die man sich überlegt hat, kommen sie an, was kommt nicht so an, wie ist die Reaktion allgemein, fühlt sich das Publikum unterhalten. Das ist schon ein gutes Gefühl.

Und die Quintessenz, gerade beim Schauspielern oder bei künstlerischen Berufen ist es ja auch, dass man Leuten einen Abend bietet, der sie aus ihrem Alltag rausholt, egal ob es etwas ist, das einem zum Nachdenken anregt, oder ob es etwas ist, was die eigenen Gedanken vergessen lässt oder man wirklich da sitzt und sich totlacht. Dass man Popcorn genießt und ein Happening hat und vielleicht auch Erinnerungen schafft für einen besonderen Menschen.

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Janina mit ihrer Familie auf dem Weihnachtsmarkt. © Andre Josselin

Wie feierst du Weihnachten?

Meine Eltern sind seit 18 Jahren von Oktober bis Dezember in Japan und sind Teil eines Weihnachtsmarkts und da sind mein Bruder und ich meistens an Weihnachten hingefahren, um zu helfen. Sie haben ein nostalgisches Kinderkarussell, verkaufen deutsches Bier, wir machen Pizza, Popcorn und Zuckerwatte. Eigentlich bin ich jedes Jahr dort und ich merke so langsam, dass es mir wirklich fehlt. Also ich habe grundsätzlich Fernweh, aber Japan, das hat mein Herz einfach getoucht.

Deine Familie kann dieses Jahr vermutlich nicht nach Japan fahren.

Nein, der Weihnachtsmarkt wurde abgesagt. Aber ich freue mich auch, denn ist das dieses Jahr das erste Weihnachten nach 18 Jahren, das wir gemeinsam mit der Familie feiern. Wo genau ist gerade allerdings eine riesige Diskussion. Dadurch, dass wir das so lange nicht hatten, hat das alles keine Selbstverständlichkeit mehr. Wir erinnern uns gerne an das Haus meiner Eltern von damals, wo wir Weihnachten gefeiert haben, aber inzwischen sind sie umgezogen. Wir haben auch schon versucht, sie nach Berlin zu locken, aber vermutlich werden wir dann doch nach Schleswig-Holstein fahren, das ist dann auch für meine Großeltern näher.

Nach 18 Jahren Weihnachten neu aufzulegen, das klingt aufregend.

Total, meine Mutter ist auch schon total aufgeregt und meinte schon, dass wir dann drei Tage bleiben sollen. Aber ich kenne meine Familie und ich glaube, ein Tag reicht dann auch. Die Erwartungshaltung nach 18 Jahren ist einfach ultrahoch, schmeckt allen das Essen, ich hoffe ihm gefällt das Geschenk? Ich bin sehr sehr gespannt, aber ich glaube, da reicht ein Abend aus.

Arbeitest du sonntags?

Ja, also für mich ist das okay. Wenn ich jetzt zum Beispiel sonntags mit Janina and Food live gehe, dann ergibt sonntags am meisten Sinn, weil da die meisten Leute online sind, aber das fühlt sich dann für mich nicht nach Arbeit an.

Seitdem ich aber tatsächlich Verantwortung für eine Angestellte und mein Team habe, muss ich sagen, dass mir der Sonntag ein bisschen heiliger geworden ist, weil ich den Menschen um mich rum, ihren heiligen Sonntag gönnen möchte. Sie sagen zwar immer, dass es okay ist, wenn es mal passiert, aber ich denke mir immer: "Nein, es muss zumindest ein Tag in der Woche mal still sein, also für die anderen, nicht für mich." Ich möchte nicht diejenige sein, die am Sonntag anruft und sagt "Mir ist da was eingefallen, kannst du das bitte noch schnell erledigen?"

Was ist denn dein Wort zum Sonntag?

© Wiebke Jann
Buch, Mit Vergnügen, Berlin für alle Lebenslagen
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