Das letzte Fünkchen FOMO ist gerade in mir gestorben

© Katie Barrett | Unsplash

Tschüss FOMO, hallo JOMO! Joy of Missing Out, wie ich selbst erst kürzlich gelernt habe, ist der neue heiße Scheiß. Nix machen, einfach chillen und das ist auch gut so. Zugegeben, in Zeiten von Kontaktsperren und geschlossenen Clubs spielt die JOMO nicht mit fairen Karten: Denn alles, was wir gerade verpassen könnten, sind ICP – illegale Corona-Parties. Da kommt die Joy vom Nichtdabeisein schon ganz von allein. Trotzdem: Mit FOMO ist jetzt Schluss.

Für die Menschen, die in den letzten Jahren keinen Fuß ins Internet gesetzt haben oder generell immer knapp an den Trends vorbeischlittern, sei nochmal kurz erklärt: FOMO – das ist die Fear Of Missing Out. Das eklige Gefühl, wenn man die tollen Aktivitäten verpasst, die man sich danach auf Instagram ansehen darf, die Verzweiflung, wenn man nicht weiß, für welches von zwei sich überschneidenden hippen Events man sich entscheiden soll und sogar der Stress, wenn sich plötzlich eine Erkältung anbahnt, dabei hatte man doch so viel geplant! Ja, wenn man FOMO mal so ausformuliert, klingt sie ganz schön dämlich. Außerdem ist sie wahrscheinlich das größte FWP –  First World Problem – von allen. 

Meine FOMO und ich

Es ist eine lange Reise, die wir zusammen durchlebt haben, meine FOMO und ich. Ihr endgültiges Erlischen ist keine plötzliche Überraschung, keine völlige Kehrtwende in meinem Leben. Wenn ich ehrlich bin, hatte meine FOMO schon lange ihre Leidenschaft verloren, aus dem lodernden Feuer war eine schwache Glut geworden. Manchmal noch, zu besonderen Anlässen, hatte ich aus Versehen Öl statt Wasser auf sie gegossen und mich in den Instagramstories von immer motivierten Freizeitprofis verloren, aber das Ende der FOMO war schon lange in Sicht. Zu Recht. 

FOMO macht keinen Spaß, FOMO macht traurig. Das liegt aber nicht – wie ich fälschlicherweise jahrelang geglaubt habe – an dem MO in FOMO, sondern am FO. Richtig gelesen, das Missing Out ist und war nie das Problem. Das einzige Problem ist zu glauben, man müsste sich vor dem großen, bösen MO wirklich fürchten. Dabei ist das F in FOMO völlig falsch besetzt! Denn hätte es nicht von Anfang an der Fun of Missing Out sein können? 

Schon absurd, wenn man so auf die Lage in der Welt blickt und dann erkennt, dass man aus so einer schwierigen Zeit durchaus auch Positives ziehen kann.

Dass es erst eine globale Pandemie braucht, um zu erkennen, dass man MO nicht nur überlebt, sondern auch seinen Spaß daran finden kann, passt zum First World Kosmos, in dem die ganze FOMO sich sowieso abspielt – während alle Menschen zwangsweise isoliert, Veranstaltungen reihenweise abgesagt und Läden geschlossen werden, finde ich auf einmal Gefallen am MG – das ist übrigens die neue Abkürzung für Müßiggang. Schon absurd, wenn man so auf die Lage in der Welt blickt und dann erkennt, dass man aus so einer schwierigen Zeit durchaus auch Positives ziehen kann. Aber wenn man damit der FOMO ein Ende bereitet, wieso nicht?

Die letzten Wochen des TMO – Total Missing Out – waren quasi der letzte Schubser, um von der FOMO zur JOMO zu wandern. Um zu merken: Ein Samstagmorgen, an dem ich spontan entscheiden kann, wohin die Laune mich heute treibt, ist vor dieser ganzen Corona-Geschichte wirklich ein rares Gut gewesen. Außerdem hat das TMO mir gut dabei geholfen, Prioritäten neu zu setzen. Plötzlich darf ich selbst entscheiden, was ich vermisse, worauf ich mich freue, was ich im Leben brauche und was ich wirklich nicht verpassen will – ohne, dass meine FOMO mir die Antworten auf diese Fragen schon leise ins Ohr flüstert.

Denn wenn es da draußen nix Spannendes mehr gibt, dann kann man sich auch nicht daran erfreuen, etwas zu verpassen.

Wenn wir schon mal im First World Modus sind: Ein Leben ohne FOMO ist schön und gut, aber natürlich will ich all diese Freizeit-Optionen trotzdem nicht hergeben – so weit kommt’s noch. Die Massen an Möglichkeiten, den Trubel und die Kultur, die um mich herrschen und der absolute Luxus, die Wahl zu haben, sich am Samstagabend dafür oder dagegen zu entscheiden – all das macht das Leben in der Großstadt doch erst richtig interessant. Denn wenn es da draußen nix Spannendes mehr gibt, dann kann man sich auch nicht daran erfreuen, etwas zu verpassen. Dann ist keine JOMO, dann ist einfach gar nichts. Ich hoffe, dass uns dieser Luxus der Qual der Wahl auch nach Corona erhalten bleibt. Derweil arbeite ich an meiner JOHTCTMO. Joy Of Having The Choice To Miss Out. 

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