Käse, Wein und großartige Fotografie in der Rekorder Galerie & Café im Bergmannkiez
Das Erste, was einem auffällt, wenn man den hellen Raum im Erdgeschoss der Nummer 4 am Chamissoplatz betritt, ist die unfassbar hohe Decke. Etwa sechs Meter hoch sind die weißen Wände, oben herrlicher Stuck, große Fenster neben der weit geöffneten Eingangstür. Draußen steht ein großer Sonnenschirm, es ist ein sommerlicher Tag hier im Bergmannkiez.
Von Amadea und Werner werde ich herzlich begrüßt und bekomme sofort einen Kaffee angeboten, der in einem schlichten, henkellosen Keramikbecher serviert wird. Das Geschirr haben sie gemeinsam mit einem Keramikatelier aus der Nachbarschaft selbst entwickelt, erzählt Amadea, und man merkt gleich, wie viel Liebe zum Detail in allem hier steckt.
Amadea und Werner haben die Rekorder Galerie & Café im Februar 2019 eröffnet. Die beiden leben selbst mit ihren Kindern hier im Kiez, Werners Filmproduktion Rekorder hat ihr Office gleich um die Ecke. Durch seine Arbeit entstand auch die Idee zur Rekorder Galerie: Er wollte den großartigen Fotograf*innen, mit denen er regelmäßig beruflich zu tun hat, ein Forum geben, ihre Arbeiten abseits des Kommerziellen ausstellen zu können. Die Ausstellungen im Rekorder sind somit sein Bereich, Amadea ist für die kulinarische Seite zuständig: Sie kommt aus Paris und brachte ihre Leidenschaft für französische Produkte mit nach Berlin.
"Einfach nur eine Galerie zu eröffnen, das hätten wir für das Viertel irgendwie schade gefunden", berichten Amadea und Werner. Lieber wollten sie einen Ort schaffen, an dem die Menschen aus dem Kiez gerne Zeit verbringen und bei einem Kaffee oder Glas Wein ins Gespräch kommen. Mit der Kombination aus Galerie und Café ist das Rekorder schon jetzt zu einem richtigen Nachbarschaftstreffpunkt geworden: "Wir haben jetzt schon einige Stammkunden, was uns sehr freut." Diesen Eindruck habe ich auch sofort, denn inzwischen haben wir uns an einem Tisch vor der großen Fensterfront niedergelassen und alle paar Minuten laufen draußen Menschen vorbei, die uns fröhlich grüßen.
Während wir uns weiter unterhalten, füllt sich der Tisch vor uns mit unfassbar lecker aussehendem Essen: knusprige Baguettes, belegt mit Brie und Feigenmarmelade oder serviert mit salziger Butter und Orangenmarmelade, dazu bunter Obstsalat und frische Säfte. Viele Zutaten kommen aus Frankreich, Schinken und Käse sind mit Qualitätssiegeln ausgezeichnet, die eine faire Tierhaltung und authentische Herkunft der Produkte garantieren. Das Gebäck stammt hingegen direkt aus Berlin, nämlich von Albatross.
Gute Produkte und Nachhaltigkeit sind im Rekorder genauso wichtig wie durchdachtes Design. Vieles ist selbst gemacht: Vom Keramikgeschirr über die Tische bis hin zur Bar. Die mattschwarzen Stühle vor dem Laden wurden von einem französischen Designer aus recycelten Plastikflaschen gefertigt – und der Designer sei übrigens ein Enkel von Charles de Gaulle, lacht Werner.
Selbstgebaut ist auch der riesige Stahlrahmen, der an der Wand gegenüber des Eingangs hängt. Darin befindet sich das einzige Bild, das an den Wänden der Rekorder Galerie hängt. Das ist keinesfalls ein Zufall, sondern genau das Konzept und das Besondere dieser Galerie: Jede Ausstellung hier besteht aus einer einzigen, überdimensional großen Fotografie. Das widerspricht dem Zeitgeist: Anstatt ständig einer Flut von Bildern und Eindrücken ausgesetzt zu sein, sollen sich Besucher*innen hier voll und ganz auf ein Werk einlassen.
In den meisten Galerien, in denen mehrere Werke von verschiedenen Künstler*innen ausgestellt werden, lassen sich zwischen den einzelnen Werken Bezüge herstellen. Dieser Aspekt fällt in der Rekorder Galerie nicht weg, auch wenn immer nur ein Bild gezeigt wird: "Solche Querverbindungen passieren hier nicht in einem Raum, sondern über die Zeit hinweg", erklärt Werner. Die Ausstellung ändert sich alle vier Monate, und die ausstellenden Künstler*innen wissen vorher, was vor und nach ihrem Werk ausgestellt wird. So können Besucher*innen die Werke als eine fortlaufende Ausstellung begreifen. Viele Künstler*innen fänden das Konzept spannend, manche würden sogar Arbeiten extra dafür produzieren. Gezeigt werden ausschließlich Fotografien oder Videoart – in den großen Rahmen wird dann ein Canvas gespannt, auf den ein Beamer gerichtet ist.
Geöffnet hat das Rekorder normalerweise bis 22 Uhr – perfekt, um gerade jetzt im Sommer draußen zu sitzen und die tolle Weinkarte durchzuprobieren. Neben den regelmäßig wechselnden Ausstellungen organisieren Werner und Amadea auch Veranstaltungen. Ende August findet eine Weinverkostung mit den Naturweinen von Treatberlin statt. Außerdem soll es unter dem Motto "Not To Talk About Art" eine Reihe von Kunstevents geben, bei denen spannende Kunstsammler*innen, Regisseure und Fotograf*innen eingeladen werden, um nicht über Kunst an sich zu sprechen, sondern über ihre persönlichen Erfahrungen, Herausforderungen und Prozesse ihrer Arbeit.
Auch wenn der Bergmannkiez inzwischen ziemlich durchgentrifiziert ist, liegt der Chamissoplatz ein bisschen abseits vom Trubel der Bergmannstraße. Auf dem Spielplatz in der Mitte des Platzes spielen Kinder im Grünen, eine Nachbarin bleibt stehen, um vor der Galerie eine Zigarette zu rauchen, alles wirkt unaufgeregter, persönlicher. "Hier im Viertel gab es früher viele Galerien, einige Künstler haben hier gelebt, es war sehr politisch", erzählt Werner. "Letztens kam ein älterer Gast zu uns und fragte, ob wir eigentlich wüssten, wie treffend es doch ist, das hier wieder ein bisschen aufleben zu lassen."
Unbedingt probieren: das Baguette mit Brie de Maux und Feigenmarmelade
Veggie: Beim Kaffee könnt ihr zwischen Kuhmilch vom Öko-Bauernhof Brodowin oder Hafermilch von Oatly wählen – ansonsten wird es für Veganer*innen eher schwierig. Vegetarische Varianten sind aber kein Problem.
Besonderheit des Ladens: Das Galerie-Konzept und die Herzlichkeit der Betreiber*innen
Mit wem gehst du hin: Fotografie-Fans und Frankreich-Liebhaber*innen
Preise: Belegte Baguettes 6,50 Euro, Salate ca. 9,50 Euro, Cappuccino 2,60 Euro
Rekorder Galerie & Café | Chamissoplatz 4, 10965 Berlin | Mittwoch–Samstag 10–22 Uhr | Mehr Info