Reisetrends auf Instagram: Warum reisen alle an die selben Orte, um exakt die gleichen Fotos zu machen?

© Thomas Griesbeck | Unsplash

Ich bin immer viel auf Reisen und nutze Instagram als meinen persönlichen Travelguide: Ich sehe ein cooles Bild, schaue, wo es aufgenommen wurde, und habe direkt jede Menge neue Inspiration. Wie ist aktuell das Wetter auf den Philippinen, in welcher Bucht kann man am besten surfen und wo gibt es die leckersten Bowls auf Bali? Ich liebe das und mache das selbst ständig. Seit einiger Zeit fällt mir aber auf, dass ich ganz bestimmte Motive immer wieder in meinem Feed sehe.

Individualität in Massenproduktion

Ein Beispiel: ein See, umringt von hohen Bergen, die Spitzen mit Schnee bedeckt. Im Fokus steht eine Person (in eine bunte Jacke gekleidet!), die in einem Kanu sitzt, dem Betrachter den Rücken zuwendet und den Blick in die Ferne schweifen lässt. Anderes Beispiel: eine Terrasse, ausgelegt mit wunderschönen gemusterten Teppichen, auf der ein Pärchen ein gigantisches Frühstück genießt. Im Hintergrund schweben bunte Heißluftballons.

Ich bin sicher, dass ihr genau wisst, von welchen Fotomotiven ich spreche. Die Bilder sind ganz klar in Szene gesetzt, und dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. Ich meine, wir alle haben doch Fotos von uns, auf denen wir gestellt in die Kamera grinsen. Schöne Orte sind ja auch einfach schön, und dürfen natürlich auch auf einem schönen Bild festgehalten werden, keine Frage!

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Wie viel eigene Erinnerung steckt in den Fotos?

Dass Orte durch das ständige Teilen häufiger bereist werden und es mehr Fotos von diesen Orten zu sehen gibt, ist auch klar (ganz unabhängig davon, dass sich dadurch eine neue Form des Massentourismus entwickelt hat, die den meisten Instagram-Orten so gar nicht gut tut). Das war früher schon so, erst bereisten nur wenige Rucksacktouristen das Land, zeigten zuhause ein paar Fotos. Ein paar Jahre später konnte man die Reise als Pauschalangebot im Reisekatalog finden. Heute finden wir die fotografische "Reisevielfalt" eben gesammelt auf Instagram. Aber kann man das eigentlich noch Reisevielfalt nennen? Warum reisen alle an die selben Orte, um dann auch noch exakt die gleichen Fotos zu machen? Instagram scheint ein Ort zu sein, an dem Individualität in Massenproduktion existiert.

Warum reisen alle an die selben Orte, um dann auch noch exakt die gleichen Fotos zu machen? Instagram scheint ein Ort zu sein, an dem Individualität in Massenproduktion existiert.

Die Reiseziele nach der bestmöglichen Instagramability auszuwählen ist zu einem richtigen Trend geworden. Klar, dass wir alle die schönsten Orte unseres Planeten bereisen wollen. Gegen ein Erinnerungsfoto an einem so "fotogenen Ort" ist auch gar nichts einzuwenden. Im Gegenteil: Wer kennt das nicht, man schaut alte Fotos an und kann sich direkt wieder an diesen besonderen Moment oder das Gefühl erinnern, das man mit diesem Ort oder der Reise verbindet.

Ich frage mich nur, wie viel persönliche Erfahrung da noch drin steckt? Verbindet man wirklich noch eigene Erinnerungen mit diesen Orten oder sind es einfach nur ikonische Fotokulissen, die man eben auf der Travel-Liste stehen hat, um den eigenen Instafeed zu pushen? Man muss nur auf Google schauen und findet unzählige Listen und Reisetipps zu den beliebtesten Instagram-Zielen.

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Das Ziel eines echten Reiseabenteurers ist es doch eigentlich, unbekannte Orte zu sehen und selbst Neues zu entdecken. Ich zum Beispiel möchte immer meine ganz eigenen Erfahrungen machen, um dann an einem für mich persönlich wichtigen Ort ein Foto von mir zu schießen, andernfalls reicht doch auch einfach die landschaftliche Kulisse als Erinnerung. Seit wann ist es zum Statussymbol geworden, Fotos von uns zu machen, die wir schon genau so unzählige Male auf Instagram gesehen haben?

Wenn wir nicht langsam damit aufhören, alle das Gleiche zu posten, dann ist Instagram bald der Fjällräven-Rucksack unter den Sozialen Netzwerken.

Die Künstlerin Emma Agnes hat die gleiche Beobachtung gemacht und daraus ihren Instagram-Account insta_repeat kreiert, der die Originalität der Instagram-Fotografie hinterfragt. Sie sammelt all diese sehr ähnlichen Fotomotive und bastelt daraus Collagen, die sie mit ironischen Sätzen wie "Ist es eine Voraussetzung, dass man an diesem Wasserfall eine gelbe Jacke tragen muss?" betitelt. Der Account hat mittlerweile 271.000 Follower. Dieses Phänomen scheint also noch mehr Leuten aufgefallen zu sein.

Versteht mich nicht falsch, die Inspiration an schönen Orten auf Instagram will ich sicher nicht missen, manche Orte will man einfach gesehen haben. Aber genau deswegen finde ich es wichtig, dass man diese Orte auch in individuellen Fotografien festhält, statt immer nur das Gleiche abzubilden und es so beliebig austauschbar zu machen. Denn diese Orte sind meistens ja wirklich besonders sehenswert und facettenreich und bestehen eben nicht nur aus ein und derselben Perspektive und einem VSCO-Filter .Wenn wir nicht langsam damit aufhören, alle das Gleiche zu posten, dann ist Instagram bald der Fjällräven-Rucksack unter den Sozialen Netzwerken.

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