Berliner*innen am Sonntag: Beauty-Tag mit Schaubühnen-Regisseur Patrick Wengenroth

© Hella Wittenberg

Der Sonntag ist heilig! Wir haben uns gefragt, was waschechte, zugezogene oder ganz frisch gebackene Berliner an diesem besten Tag der Woche eigentlich so tun? Lassen sie alle Viere gerade sein oder wird doch gearbeitet, was das Zeug hält? Sind sie „Tatort“-Menschen oder Netflix-Binger*innen, Museumsgänger*innen oder festgewachsen am Balkon? Brunchen sie mit Freund*innen oder trifft man sie allein im Wald beim Meditieren an? Wir haben bei unseren liebsten Berliner*innen nachgefragt.

Das sagt der Schaubühnen-Regisseur und Schauspieler Patrick Wengenroth über seinen Sonntag

Es ist für mich schon ein besonderer Tag, da meine zwei Kinder keine Schule haben und wir alle zuhause herumhängen können. Also zumindest, wenn ich keine Aufführung habe. Dann ist es der typische Beauty-Palace-Day. Man legt sich auch mal in die Badewanne und schneidet sich die Fingernägel. Und ich koche was. Doch ansonsten funktioniert der Sonntag bei mir nicht nach Plan. So wie eben das ganze Leben nicht.

Sonntagvormittag: Strukturiertes arbeiten und hin und wieder ein Pfannkuchen

© Hella Wittenberg

Zwischen 6.30 und 9 Uhr: Erst mal wache ich immer chronisch mindestens zehn Minuten vor dem Wecker auf. Meist ist das so 6.30 Uhr. Wenn ich Glück habe, kurz nach neun. Für mich als Freiberufler macht es eh keinen Unterschied, ob nun Sonntag oder irgendein anderer Tag in der Woche ist. Da ich auch künstlerischer Leiter des Brechtfestivals in Augsburg bin, muss ich manchmal einfach ran. Struktur ist für kreativ und künstlerisch Arbeitende sehr wichtig. Also sitze ich direkt mit einem Kaffee vor dem Rechner und arbeite, bis die Familie wach wird.

Zwischen 11 und 13 Uhr: Um die Zeit macht sich meine Tochter ihre Pfannkuchen und ich esse auch mal was. Bei uns ist es aber nicht so, dass alle gemeinsam Frühstücken müssen. Ich finde, Zwang ist da Quatsch. Am Wochenende braucht es nicht noch mehr Pflichttermine. Da bin ich schon eher der, der noch arbeiten muss. Oft stehen Aufführungen oder Proben an. Als wir an „He? She? Me! Free.“ gesessen haben, hatte ich manchmal keinen Bock, eine Dreiviertelstunde mit der U8 zum Proberaum der Schaubühne rauszufahren. Also trafen wir uns oft bei mir und entwickelten da zusammen das Projekt. Ich bin mittlerweile völlig davon weg, mir allein einen Text auszudenken. Ich setze mir lieber ein Thema und gehe dann ins Kollektiv. Denn nichts von dem, was ich mir ausdenken kann, ist besser als das, was ein Schauspieler bei der Probe auf die Bühne bringt, nachdem dazu ein Austausch stattfand.

Zwang ist Quatsch.

Sonntagnachmittag: Mit dem Slow Food oder Soulfood loslegen

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Ab 16 Uhr: Jetzt mache ich mich an mein Slow Food oder Soulfood, so Biolek-mäßig. Also ich koche alles vor und mache alles ganz gemächlich. Neben dem Joggen und Brettspielen mit den Kids ist Kochen eine der wenigen Sachen, die mich wirklich entspannt. Am liebsten bereite ich lange auf dem Herd köchelnde Eintöpfe oder Pasta zu. Zwischendurch schneit dann mal ein Kind vorbei und man unterhält sich über sowas wie die Neuerscheinungen bei Spotify.

Neben dem Joggen und Brettspielen mit den Kids ist Kochen eine der wenigen Sachen, die mich wirklich entspannt.

Ab 18 Uhr: Um diese Zeit gibt es frühestens was zu Essen. Dafür sitzen wir dann schon zusammen, aber danach verstreut sich das auch wieder. Ich würde die Situation bei uns Zuhause im positivsten Sinne als WG-Feeling bezeichnen. Unsere Kinder sind 11 und 13 und das bringt die notwendige Autonomie mit sich, die sie jetzt brauchen. Aber es gibt auch genug Freunde der Kinder, die auf die Frage, was sie am Wochenende machen, mit „Ich weiß nicht!“ antworten. Die Eltern organisieren da noch alles. Dabei finde ich, wenn die Kids Handys haben, können sie auch selbst Dinge klären. Und wenn sich Eltern bei mir melden, weil wir die Kinder abholen sollen, da es draußen schon dunkel ist, kann ich nur sagen: Wenn sie morgens mit dem Fahrrad zur Schule fahren, ist es auch dunkel. Was ist da der Unterschied? Für mich ist es das Wichtigste, das sie sich angstfrei in ihrem Kiez bewegen können.

Sonntagabend: Kinoabend? Ohne mich!

© Hella Wittenberg

Gegen 20 Uhr: Meine Frau macht oft mit den Kids einen Kinoabend, ich räume derweil den Müll weg, bin in der Küche und höre Musik. Ich gucke nämlich überhaupt kein Fernsehen. Auch wenn ich mit „Tatort“-Schauspielern zusammenarbeite, schaue ich das deshalb nicht. Es interessiert mich einfach nicht. Und die Kinder sowieso nicht, die brauchen ja auch gar kein normales Fernsehen. Ich habe angefangen, mit ihnen „Riverdale“ zu gucken. Das ist zwar ziemlich schrecklich, aber dadurch auch schon wieder geil. Irgendwie ist das unsere „Tatort“-Version von heute. Aber Filme schaue ich nun wirklich nur wahnsinnig ungerne. Ich will einfach keine Geschichten erzählt bekommen.

Ich sehe meine Frau und meine Kinder generell als meine Komplizen. Sie sind meine Verbündeten, die es mir erlauben, das zu tun, was ich will.

Ungefähr 22 Uhr: Ich trinke noch einen Weißwein mit meiner Frau, spreche über die Wochen-Orga mit ihr und natürlich auch über die Arbeit. Da wir beide am Theater arbeiten, ist das unser Dauerthema. Gerade auch, weil wir beide beispielsweise schauen müssen, wie wir die Jobs mit Familienurlauben verzahnen.

Ich sehe meine Frau und meine Kinder generell als meine Komplizen. Sie sind meine Verbündeten, die es mir erlauben, das zu tun, was ich will. Und das ist seit zehn Jahren an der Schaubühne zu inszenieren. Ich habe dieses Jahr nämlich Jubiläum. 2009 durfte ich drei Schiller-Abende inszenieren und das tat ich dann auch ohne lange Proben. Das war für mich eine Challenge. Wobei ich ohnehin noch nie zwei bis drei Monate für ein und dieselbe Produktion geprobt habe. Mal abgesehen davon, dass ich sowieso nicht gerne acht Wochen am Stück außerhalb Berlins sein wollen würde. Manchmal hat eine Aufführung auch erst nach dem fünften Mal seine finale Kontur. Durch Improvisation und Publikumsreaktionen kann sich alles immer wieder verändern. Neulich hat Mark Waschke mit dem Publikum Flaschendrehen gespielt. Das dauert dann halt auch etwas länger.

Durch Improvisation und Publikumsreaktionen kann sich alles immer wieder verändern.

So unterschiedlich jeder Sonntag bei mir ist, so sehr wird dieser Zustand erst einmal anhalten. Solange die Kinder schulpflichtig sind, wollen wir zumindest in Berlin bleiben. Danach wäre es ja mein Traum, mindestens die Hälfte des Jahres auf Kreta zu verbringen.

Das Wort zum Sonntag: Manchmal muss man einfach arbeiten, weil die Scheiße fertig werden muss.

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