High auf LSD durch den Grunewald – Was steckt hinter dem Phänomen Microdosing?

© Diana Satellite | Unsplash

In letzter Zeit bin ich in meinem Feed immer wieder auf Artikel über Microdosing gestoßen. Weil mich interessiert hat, was genau dahinter steckt, habe ich angefangen mehr darüber zu lesen. Ich erzählte auch Freund*innen davon und war von ihren wenig überraschten Reaktionen ehrlich gesagt etwas irritiert. Fast jede*r konnte etwas mit dem Begriff anfangen, manche haben es sogar schon selbst ausprobiert. "Wir haben das doch neulich auf der Fahrradtour durch den Grunewald auch gemacht", entgegnete mir eine Bekannte mit einer dermaßen lässigen Selbstverständlichkeit, die mich etwas ratlos zurückließ. Aha. Dass ich Microdoser unter meinen Freund*innen habe, die high auf dem Fahrrad durch den Grunewald radeln, war mir bis zu diesem Moment nicht klar gewesen.

Was versteht man unter Microdosing?

Als Microdosing bezeichnet man zum Beispiel das Konsumieren geringer Mengen psychoaktiven Substanzen wie Lysergsäurediäthylamid, kurz LSD, oder anderer psychedelischer Drogen. Natürlich habe ich von LSD schon gehört, ausprobiert habe ich es aber bisher noch nie. Substanzen, die sich halluzinogen auswirken können (dazu gehören auch Pilze, Ayahuasca oder Ibogain), stehe ich prinzipiell skeptisch gegenüber. Ängstlich trifft es wahrscheinlich noch besser. Und ich habe definitiv zu viele schräge Geschichten von irgendwelchen, nicht enden wollenden Trips gehört.

Beim Microdosing soll nun aber genau diese Angst unbegründet sein, da sich aufgrund der kleinen Mengen eher therapeutische, nicht aber halluzinogene Effekte einstellen sollen. Also genau das Gegenteil von einem Trip, der zu rauschartigen Zuständen und teils extremen Wahrnehmungsverzerrungen führen kann. Während beim Tripping zwischen 50 und 100 Mikrogramm LSD auf einer Pappe verteilt und anschließend eingenommen werden, wird beim Microdosing auf wesentlich geringere Mengen von nur 10 bis 20 Mikrogramm pro Dosis gesetzt.

Wie wirkt Microdosing?

Bei einer höheren LSD-Dosierung können krasse psychedelische Wirkungen auftreten. Ich habe schon von fliegenden Betten, endlosen Tunneln und intensiven Farbspiralen gehört, aus denen so manch eine*r auch nach Stunden keinen Ausweg fand. Solche Wahrnehmungsstörungen und Verzerrungen, von denen vielen Menschen nach einem LSD-Trip berichten, treten beim Microdosing nicht oder wohl nur selten auf. Vielmehr soll die Wirkung berauschend und wohltuend sein, Ängste reduzieren und Glücksgefühle auslösen. In vielen Erfahrungsberichten ist die Rede davon, dass gerade regelmäßiges Microdosing den Kopf frei macht, die Konzentration steigert und die Kreativität fördert. Ähnlich wie bei der Einnahme von Vitaminen. Einleuchtend, dass der Ursprung des Phänomens in den USA liegt und sich insbesondere unter Programmierern im Silicon Valley durchgesetzt hat. Noch ein positiver Nebeneffekt: Da die Droge nur in winzigen Mengen eingenommen wird, lässt die Wirkung auch relativ schnell wieder nach.

Wenn ich das so lese, kann ich nachvollziehen, warum Microdosing offenbar nicht in erster Linie im Club praktiziert wird, sondern eher unter Berufstätigen, beispielsweise im kreativen Bereich, und zu Hause verbreitet ist. Und tatsächlich wird auch in der medizinischen Forschung und Wissenschaft ernsthaft darüber diskutiert, inwiefern Mikrodosierungen von LSD gegen Depressionen und andere Erkrankungen helfen können. Microdosing als Mittel zum Zweck sozusagen. Oder als Mittel zur Selbstoptimierung – dann nämlich, wenn man sich mehr Kreativität, positivere Gefühle oder Leistungsfähigkeit davon verspricht.

Microdosing als Mittel zum Zweck. Oder als Mittel zur Selbstoptimierung?

Wie gefährlich ist Microdosing?

Auch wenn es viele positive Stimmen zum Thema Microdosing gibt, Ärzte und Psychologen von einem relativ "sicheren Weg des Konsumierens" sprechen und in der Schweiz bereits über den therapeutischen Einsatz nachgedacht wird, ist und bleibt LSD eine Droge, die zudem seit 1971 offiziell verboten ist. Das Suchtpotential ist auch beim Microdosing nicht ausgeschlossen. Im Zweifel kann es zu Entzugserscheinungen oder einer psychischen Abhängigkeit führen. Schon das regelmäßige Einnehmen winziger Dosen, bei denen der große Rausch zunächst ausbleibt, kann über einen längeren Zeitraum einen kumulativen Effekt bewirken, weil der Körper eine Toleranz aufbaut. Damit die gewünschte Wirkung weiterhin einsetzt, muss auf Dauer immer mehr konsumiert werden. Ist man an diesem Punkt angelangt, hebt sich das Prinzip Microdosing im Grunde genommen selbst auf.

Damit die gewünschte Wirkung weiterhin einsetzt, muss auf Dauer immer mehr konsumiert werden. Ist man an diesem Punkt angelangt, hebt sich das Prinzip Microdosing im Grunde genommen selbst auf.

In einer groß angelegten Studie zum Thema Microdosing werden zudem mehrere Risikogruppen genannt, für die sich Microdosing explizit nicht eignet. Für Menschen, die zu Angststörungen neigen, die farbenblind sind oder eine Rot-Grün-Schwäche haben, können die Auswirkungen sehr gefährlich sein, da sie mit größerer Wahrscheinlichkeit zu Psychosen oder Sehstörungen führen können. Abgeraten wird außerdem von Mischkonsum, da die Wirkung sich dadurch verstärken oder verschlimmern kann. Nicht unterschätzen sollte man zudem, dass es auch später jeder Zeit zu Halluzinationen und unerwarteten Flashbacks kommen kann.

Microdosing ist und bleibt Drogenkonsum

Letztendlich ist es natürlich jeder*m selbst überlassen, wie offen man dem Thema Drogen gegenüber steht und was man ausprobieren möchte. Problematisch finde ich allerdings, dass das Phänomen Microdosing in Bezug auf Drogen (auch in den Medien) vermehrt als verantwortungsvoll und positiv dargestellt und somit in gewisser Weise auch verharmlost wird. Fakt ist, dass es noch keine ausreichenden Studien und Erkenntnisse darüber gibt, welche Langzeitschäden regelmäßige Microdoser davon tragen können. Grundsätzlich sollte sich daher jede*r fragen, aus welchen Bedürfnissen heraus überhaupt der Wunsch nach Konsum da ist und wie man damit wirklich verantwortungsvoll umgehen kann, ohne zu LSD oder einer anderen Substanz greifen zu müssen.

Mit Vergnügen befürwortet den Konsum illegaler Drogen in keiner Weise. Wer Hilfe braucht oder jemanden kennt, der Hilfe benötigt, kann sich jeder Zeit unter bei der Sucht- und Drogenhilfe unter der Hotline 01805 - 313031 (0,14-0,42 € / Minute) melden. In akuten Notfällen oder in lebensbedrohlichen Situationen, bei Bewusstlosigkeit oder Krampfanfällen sollte immer direkt der Notruf 112 gewählt werden. Weitere Hilfs- und Beratungsangebote erhaltet ihr bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e.V.

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