11 Dinge, die ich an mir liebe - Ein Plädoyer für mehr Eigenlob
Die letzten Tage war ich ziemlich kritisch mit mir. Ich mochte mich nicht, wenn ich mit meinem Freundeskreis unterwegs war, weil ich fand, dass ich mich in den Gesprächen dort zu sehr zurücknahm, so als säße ich auf der Ersatzbank, um sie zu wärmen, die Arbeitsmails, die ich rausschickte, waren mir nach dem Senden plötzlich nicht mehr klar genug formuliert (Hallo, Hochstapler-Syndrom!), und auch sonst konnte ich aus meiner Sicht irgendwie nichts wirklich richtig machen. Dass ich einem meiner Exfreunde obendrauf betrunken eine melodramatische Nachricht schrieb, hat natürlich auch nicht geholfen. Aber, okay – wer weiß schon, was da zuerst da war: Das Huhn oder das Ei? Die Selbstzweifel oder das Melodrama?
Ich habe mich also geärgert über mein Verhalten und über mich, und konnte das Selbstliebe-Ding so gar nicht leben, obwohl ich gerade viel daran arbeite. Bevor dich jemand lieben kann, musst du dich schließlich selbst lieben, aber irgendwie habe ich das diese Woche nicht hinbekommen. Egal wie viele Songs von Lizzo über meine Kopfhörer liefen. Und auch kleine Selbstgespräche vor dem Badezimmerspiegel und Autosuggestionen, die mir sonst manchmal taugen, halfen nicht. Stattdessen habe ich gemäkelt und gemeckert, innerlich den Kopf geschüttelt, die Hände draufgeschlagen, und mich geärgert, geärgert, GEÄRGERT. So sehr, dass mich meine innere Stimme am Ende in einer Lautstärke anschrie, als würde gerade neben uns ein Helikopter starten, den es zu übertönen gilt: Oh mein Gott, Julius, warum funktionierst du nicht?
Für eine gute Weile war ich daher davon überzeugt, dass ich es heute nicht mehr aus meinem Loch schaffe, aus der Schwere, und morgen stattdessen unheimlich beschissen in die nächste Woche starte. Nicht erholt, nur erschöpft. Mit Selbstzweifeln und dem Rauschen von Rotorblättern im Gehör. Bis vor zwei Stunden. Denn vor zwei Stunden ist dann – zum Glück – etwas Magisches passiert: Ich habe mein Auto perfekt in eine Minilücke geparkt.
Eigenlob muss nämlich nicht stinken, manchmal duftet es wie ein Strauß frischer Rosen, und den darf man sich ruhig auch mal selbst schenken.
"Ach, Mann, du spinnst doch", höre ich euch gerade beim Lesen in eure Gedanken sprechen. "Du hast eingeparkt? Daran ist ja nichts besonders!"
Ja, im ersten Moment ist daran auch nichts besonders, ihr habt Recht, aber das Einparken an sich ist erst mal auch nicht das Magische, von dem ich rede. Das Magische war, dass ich in 30 Jahren Leben genau in diesem Moment vor zwei Stunden zum ersten Mal etwas realisiert habe, das ich bisher einfach so hingenommen habe. Nämlich, dass ich verdammt gut einparken kann. Nicht nur heute, sondern schon lange kann ich das. Ich mache das einfach so. So richtig lässig. So wie ich das bei Partnern immer bewundere. Und wenn ich das bewundere, sage ich ihnen das auch direkt: Du hast so toll eingeparkt. Du bist so cool. Mein Held. Kuss auf die Wange. Sex gibt’s später.
So habe ich eben eine kleine Liste runtergeschrieben, um mich selbst wieder mehr zu schätzen, und das Feld nicht kampflos dem Kritiker in mir zu überlassen.
Und genau da, in dieser Vorstellung, ist es mir vorhin wie ein Blitz in die Gedanken geschossen. Wie oft bewundern wir schließlich Dinge an den wichtigsten Personen unseres Lebens – an Freundinnen und Freunden, Familienmitgliedern und Partner*innen – und sagen ihnen das dann auch sofort. Als meine Freundin Toni vor vier Wochen mit der Bohrmaschine anrückte, um für mich Vorhangstangen anzubringen, habe ich sie gelobt, wie gut sie das macht, klar, gar keine Frage. Genauso lobe ich meinen Freund Henry, wenn er wieder mal die beste Bolognese Berlins kredenzt. Wenn wir dieselben Situationen aber für uns alleine meistern, wenn wir diese Talente auch in uns tragen, etwas richtig geil hinbekommen, nehmen wir das selten wahr, und loben uns erst recht nicht. Nach dem Motto: No Biggie. Easy peasy. Muss ja so. Ist nichts Besonderes. "QUATSCH", denk ich gerade, "ES IST WAS BESONDERES, auch Einparken zu können, kann etwas Besonderes sein." Eigenlob muss nämlich nicht stinken, manchmal duftet es wie ein Strauß frischer Rosen, und den darf man sich ruhig auch mal selbst schenken.
Aus diesem Grund habe ich eben eine kleine Liste runter geschrieben, um mich selbst wieder mehr zu schätzen, und das Feld nicht kampflos dem Kritiker in mir zu überlassen. Eine Liste, die man sonst nur aus Romcoms kennt. Wenn Julia Stiles mit Mittelscheitel und Blumenbluse Heath Ledger vor der Klasse ihre Liebe gesteht. Heute schreibe ich diese Liste für mich. Und ich will euch aufrufen, das auch zu tun! Als Erinnerung, dass wir alle mehr sind als Ersatzbank und E-Mails:
11 Dinge, die ich an mir liebe
Ich liebe, dass ich so fantastisch rückwärts einparke, und auch, wie ich auf dem Parkplatz immer noch bis zum letzten Beat des Radiosongs im Auto sitzen bleibe, weil ich den Song so sehr fühle, und vorher einfach nicht aussteigen kann. Ich liebe, dass ich mir eben diese Songs nach nur einem Mal Hören direkt einpräge, sie zumindest melodisch direkt mitsingen und eine Harmoniestimme dazu ausdenken kann. Ich liebe, dass ich meine beruflichen Erfolge für mich verbuchen darf, weil die Meilensteine immer in Singlephasen kamen, ich mich also alleine an Pläne, Bewerbungen und Texte gesetzt und ich hart dafür gearbeitet habe, dass ich weiterkomme. Trotzdem liebe ich, dass ich nicht zu stolz bin, meinen Kreis um Hilfe zu bitten, wenn ich mich doch nicht in der Lage zu etwas fühle. Ich liebe mein offenes Ohr, oder besser gesagt meine beiden Ohren, die so gut zuhören können, obwohl ich sie bestimmt mal ausspülen lassen sollte. Ich liebe, dass ich mir selbst und meinen Bedürfnissen gut zuhöre. Ich liebe, dass ich Dinge ernsthaft und ohne Ironie, abfeiern kann. Dass es mir nicht peinlich ist, zu sagen, dass ich Musicals mag, Taylor Swift eine meiner Inspirationen ist, ich Pulp Fiction nie gut fand, aber dafür die meisten Schnulzen super finde. Ich liebe meine weiche Kuhle, in der sich die Köpfe meiner Freundinnen sicher ablegen können, wenn sie zu schwer werden. Meine kleinen Ticks liebe ich nicht, aber ich liebe, dass ich gelernt habe mit ihnen umzugehen, und dass ich noch weiter lernen will. Ich liebe, dass ich schreiben kann, und meine Gefühle manchmal nur so über die Tastatur fliegen. Und ich liebe, dass das hier nur der Anfang ist, und mir später bestimmt mehr Dinge einfallen.