Unsere 11 Kunsttipps für den Mai 2019

Das große Galerienwandern geht weiter. Und damit ist nicht nur das Schlendern von einer zur nächsten Galerie beim frisch zurückliegenden Gallery Weekend, sondern auch die Umsiedlung beststehender und Eröffnung neuer Institutionen gemeint. Anbei ein Rück- und Ausblick auf die besonders schönen Blüten des Kunstfrühlings.

Granite Crossing, 2019, Ausstellungsansicht, Galerie Konrad Fischer © Galerie Konrad Fischer

1
Richard Long bei Galerie Konrad Fischer

Letztes Jahr zum Gallery Weekend bot die Galerie Konrad Fischer einen kleinen Vorgeschmack: Die neuen Räume in einem ehemaligen Umspannwerk wurden temporär geöffnet – um es jetzt auch zu bleiben. Mit der neuen Umgebung ergäben sich auch neue Inspirationen und Ideen, sagt die Galeristin Berta Fischer,  Tochter von Konrad, in einem Interview. Den hellen, offenen Raum füllt die Land Art des Genre-Pioniers Richard Long derzeit bestens aus.

Moneta Sleet Jr., 1965 Foto © Johnson Publishing Company, LLC. All rights reserved.

2
The Black Image Corporation im Gropius Bau

In den 1940er und 1950ern brachte die Johnson Publishing Company richtungsweisende Publikationen zur Auseinandersetzung mit schwarzer Kultur auf den Markt. Die partizipative Ausstellung The Black Image Corporation von Künstler und Forscher Theaster Gates nimmt uns nun mit in das Archiv des Verlags und lässt den Besucher sogar selbst Kurator spielen. Ein Schwerpunkt liegt auf großformatigen, fotografischen Arbeiten von Moneta Sleet Jr. und Isaac Sutton.

Camille Henrot_film still Tuesday_2017 (2)

3
Camille Henrot bei Johann König

Erinnert ihr euch an den grell-blauen Raum in der St.Agnes, wo uns ein Baby mit großen Augen in seinen Bann zog? Oder an die Telefone bei Julia Stoschek, die in der Form bei Familie Feuerstein hängen könnten? Die Urheberin hinter all dem ist Camille Henrot, eine in New York lebende Künstlerin, die sich zwischen Skulptur, Film und Malerei bewegt, ihre Inspiration aus Literatur, Mythologie, Anthropologie und Biologie bezieht und daraus eine ganz eigene Objektsprache entwirft. Bei Johann König wird nun ein neuer Film von Henrot gezeigt.

Depression Elevations –United Nation Sunrise, 2016

4
Daniel Knorr bei Meyer Riegger

2017 hüllte er anlässlich der Documenta 14 das Kasseler Fridericianum in Rauch. Je nach Windrichtung umwob dieser das Gebäude, oder legte sich auf den Boden – eine Parabel auf den Kunstmarkt als Industrie. Damit, aber auch mit der Gestaltung des rumänischen Pavillons auf der Venedig Biennale 2015, machte sich der gebürtige Rumäne einen Namen. Er war leer, und Knorr bewies sich damit einmal mehr als Provokateur. In den neuen Räumen von Meyer Riegger werden jetzt die bekannten Pfützengüsse des Rumänen ausgestellt.

Haus, 1987, Ausstellungsansicht, Sprüth Magers, Berlin, 2019. Photo: Peter Fischli

5
Fischli Weiss und Reinhard Mucha bei Sprüth Magers

Haus. So simpel wie ihr Titel erscheint die zentrale Arbeit der Ausstellung von Fischli Weiss bei Sprüth Magers auch visuell. Dieses lehnt sich an das Haus, welches das Schweizer Künstlerduo 1987 für die Skulptur Projekte Münster kreierte. Etwas verloren steht der Nachbau jenes Bürokomplexes, ein Emblem spätmodernistischer Architektur, jetzt im Hauptraum der Galerie. Ziemlich trist und menschenleer. Ein Block, der seiner Funktion dient – und nicht mehr. Daneben werden Skulpturen gezeigt, die sich verschiedenen Aspekten des Wohnens widmen. Ehe man wieder aufbricht, sollte man noch oben bei Reinhard Mucha vorbeischauen. Der Düsseldorfer Bildhauer und Konzeptkünstler arbeitet auf humorvolle Weise mit den Themen Archiv und Erinnern, mit Briefwechseln, Kinderdias, anderen Skulpturen und historischen Schnipseln.

Ausstellungsansicht Lulu, Mexiko

6
Frieda Toranzo Jaeger in der Galerie Barbara Weiss

Die feministisch arbeitende, mexikanische Malerin Frieda Toranzo Jaeger produziert körperliche Arbeiten ohne Körper zu zeigen. Vielmehr begegnen uns darin muskuläre und verführerische Formen. Diese sowie übliche Tätigkeiten und Objekte symbolisieren das Weibliche. In ihrer Gegenüberstellung mit den männlichen Pendants gelingt ihr so ein starkes Statement.

© Kraupa-Tuskany Zeidler

7
Pieter Schoolwerth bei Kraupa-Tuskany Zeidler

Wir konnten uns beim Gallery Weekend nicht wirklich einigen, was Post-Internet Art ablöst, also welchen Namen die Kritik am Internet und den damit einhergehenden Gefahren der Vernetzung heute eigentlich tragen sollte. Passt das Label noch? Die stadtweite Institution für eben jenes Genre, Kraupa-Tuskany Zeidler, zeigt jetzt auf jeden Fall mit den 3D-Skulpturen und Bildern von Pieter Schoolwerth, dass man noch nicht alles gesehen hat. Post-Internet muss nicht immer nach 90er Trash aussehen, ganz im Gegenteil. Hin da, hier entdeckt ihr mal wieder eine neue künstlerische Handschrift.

© Helga Maria Klosterfelde Edition

8
Jorinde Voigt bei Klosterfelde

Jorinde Voigt verlässt das Blatt. Ihre wissenschaftlichen Zeichnungen sind inzwischen weitreichend bekannt, nicht nur den Art Vergnügen-Lesern. Jetzt möchte die Künstlerin Berührungsängste mit der Kunst abbauen – und das heißt in ihrem Fall: Design schaffen. Bei Klosterfelde stellt Voigt unter anderem Tische aus, deren Oberflächen an Strömungsverläufe erinnern, die sie sonst mit dem Stift zeichnet und für sie charakteristisch sind. Der Übertrag vom Blatt in den Raum klappt hier ziemlich gut.

Ausstellungsansicht ©Société

9
Kaspar Müller bei Société

Why always me? impliziert bereits, dass sich der Künstler bei dieser Ausstellung in den Mittelpunkt stellt, das aber eher subtil. Weiter im Ausstellungstext heißt es, die Zusammenstellung von Fotografien aus Müllers Privatleben, seinen Reisen und Experimenten im Studio sei, als browse man durch seinen Instagramaccount. Das stimmt und darum ist alles dabei: Essensreste auf Berlins Straßen, Bilder seiner Katze und seines Sohnes, Dokumentationen von Installationen - und dazwischen Skulpturen. Und so vermischt sich wirkungsvoll die erwartete sleeke Kunstästhetik, mit ungeschönten, authentischen Impressionen.

 

Number twelve, variations on a theme © Guido van der Werve

10
Guido van der Werve in der Fluentum Collection

New kid in town. Mit dem Fluentum eröffnete zum diesjährigen Gallery Weekend eine neue Sammlung für zeitgenössische Kunst in Dahlem, genau genommen im ehemaligen Hauptquartier der US Armee. Besitzer ist Markus Hannebauer, Software-Entwickler mit einer Leidenschaft für Videokunst. Jetzt darf die Öffentlichkeit seine Sammlung sehen, zunächst den noch weitgehend unbekannten Holländer Guido van der Werve, der Musik mit einer besonderen visuellen Poesie verbindet. Schwarze Wände der „Marble Gallery“ reflektieren die Videos eindrucksvoll.

Ausstellungsansicht © Esther Schipper

11
Ryan Gander bei Esther Schipper

Eine sprechende Maus lukt aus der Wand. Auto- und Fußspuren auf weißem Teppich. Ein verlassener Schaukelstuhl. Beleuchtete Nummernwürfel im Raum. Wer den Galerieraum bei Esther Schipper betritt, meint kurz, in den Tatort eines Verbrechens geplatzt zu sein. Tatsächlich platzen wir in andere Leben, in "Some Other Life", so der Ausstellungstitel. Die erleuchteten Elemente sind batteriebetrieben und ihre Zeit damit gezählt. Es geht Ryan Gander um ein Kommen und Gehen, Erscheinen und Verschwinden, eben um den Lauf des  Lebens.

Zurück zur Startseite