Sexuelle oder emotionale Affäre: Was ist eigentlich schlimmer?

© Toa Heftiba | Unsplash

Wir müssen reden. Über Affären. Darüber, was eine Affäre ist, wann sie anfängt und wo sie aufhört. Ob eine Affäre eigentlich nur Sex bedeutet oder auch emotionaler Natur sein kann – und wenn ja, welche dann am Ende schlimmer ist? Mir schwant nämlich, dass es ganz unterschiedliche Auffassungen darüber gibt. Gemeinhin versteht man unter einer Affäre ja erstens oft ein rein sexuelles, zweitens geheimes und drittens regelmäßig stattfindendes Liebesabenteuer, dem keine tiefere emotionale Bindung zwischen zwei Personen zugestanden wird.

Jetzt wird es noch ein bisschen komplizierter: Prinzipiell kann jede*r, der in eine heiße Liebesaffäre verstrickt ist, parallel durchaus mit einer anderen Person in einer (eigentlich) monogamen Liebesbeziehung leben. Manchmal ist auch nur eine*r von beiden fest vergeben – oder gar verheiratet. Oder aber beide sind Single, aber wollen trotzdem nur eine lockere, sexuelle Beziehung haben. Alles ist möglich!

Liebesabenteuer Affäre: So prickelnd wie verpönt

Interessant ist der erste Punkt: Affären werden meist sehr einseitig auf die sexuelle und erotische Ebene reduziert. Dabei sind sie ja mehr als ein Seitensprung, aber eben häufig auch weniger als eine innige Liebesbeziehung, die auf Vertrauen und einer festen Bindung basiert. Eher irgendetwas dazwischen.

Man sagt, dass eine Affäre meist geheim gehalten wird. Das impliziert schon von vornherein, dass zwei Menschen etwas Verbotenes, Unerlaubtes tun – es sei denn, beide sind alleinstehend. Gesellschaftlich gesehen steht die Affäre deshalb nicht unbedingt hoch im Kurs. Wer fremdgeht, der betrügt. Für Betrug gibt es kein Applaus.

Und dann gibt es noch einen dritten Aspekt, nämlich der, der einer Affäre zwar eine gewisse Bedeutung zumisst, weil es zu wiederholten sexuellen Begegnungen kommt, aber im Grunde genommen unterstellt, nicht für die Dauer gemacht zu sein.

Ist eine rein emotionale Affäre legitim, nur weil kein Sex im Spiel ist?

Nun gibt es aber auch noch andere Formen der Affäre, die der oben erläuterten (zugegeben etwas herunter gebrochenen) Definition nicht oder nur in Teilen entsprechen. Zum Beispiel eine emotionale Affäre, die nicht zwangsläufig auf Sex hinaus laufen muss, aber durchaus kann.

Ein Beispiel: Zwei Menschen führen zunächst eine rein platonische Beziehung. Plötzlich liegt aber eine gewisse Spannung in der Luft. Zuerst flirten sie nur, bemerken, dass sie sich gut unterhalten können. Dann folgen eindeutige Nachrichten, irgendwann jeden Tag. Das Spiel mit dem Feuer. Beide kriegen einfach nicht genug voneinander, genießen die Aufmerksamkeit und erzählen sich gegenseitig inzwischen mehr und ganz andere Dinge als ihren Partner*innen. Es hört einfach nicht mehr auf – obwohl eine*r oder beide vergeben sind.

Das alles passiert wie bei einer "richtigen Affäre" heimlich und sehr regelmäßig, wird immer eindeutiger und heikler, mit dem einzigen Unterschied, dass es keinen Sex gibt. Vielleicht aus Angst vor Konsequenzen. Vielleicht, weil 500 km Entfernung zwischen ihnen liegen. Vielleicht, weil sie denken, solange kein Sex im Spiel ist, sei es streng genommen kein Betrügen und deshalb auch nicht so schlimm.

Der Moment, wenn eine andere Person verheimlicht wird, ist gefährlich

Zugegeben: Dating-Apps wie Tinder oder Messenger-Dienste wie WhatsApp tragen sicherlich dazu bei, dass die Bereitschaft, sich neuen Menschen emotional schneller zu öffnen, gestiegen ist. Niemals war es leichter heimlich zu flirten, sich sexy Nachrichten hin und her zu schicken, Hemmungen abzulegen. Und trotzdem kann man sich einreden, die Grenze nicht überschritten zu haben, weil man ja nicht wirklich fremdgeht. Im realen Leben sieht das schon etwas anders aus.

Laut einer Studie hatten weitaus mehr Menschen, als man zunächst annehmen würde, schon mindestens einmal in ihrem Leben eine emotionale Affäre in ihrem Leben. Mich überrascht das ehrlich gesagt nicht. Nur begleitet mich das ungute Gefühl, dass dafür weitaus mehr Verständnis als für ein explizites, sexuelles Abenteuer aufgebracht wird, das immer noch als No-Go gilt.

Emotionale Affären werden offenbar viel harmloser als sexuelle Affären wahrgenommen. Woran das liegt, ist mir unklar. Denn es ist doch so: Wenn man sich heimlich auf einen anderen Menschen einlässt, egal ob emotional oder sexuell, ist das entweder ein Zeichen für unerfüllte Bedürfnisse oder eine vernachlässigte Bindung zu seinem*r festen Partner*in. Ich kann nur für mich sprechen und möchte überhaupt nichts bewerten, aber ich stelle immer wieder fest, dass Menschen in diesem Punkt in aller erster Linie nicht ehrlich zu sich selbst, geschweige denn zu ihrem Partner sind. Und genau hier liegt die Gefahr. Emotionale Distanz und Geheimnisse gegenüber seinem festen Partner sind über einen längeren Zeitraum Gift für eine (monogame) Beziehung. Eine emotionale Affäre und damit die emotionale Bindung an einer anderen Menschen kann Nährboden für noch viel mehr als Sex sein und ist deshalb vielleicht sogar die gefährlichere Variante von beiden.

Zurück zur Startseite