Cool trotz Kind – Der Worst Dad Alive ist zurück

© Benjamin Hiller

Die Kolumne „Cool trotz Kind“ ist für alle Eltern da draußen. Und für die, die es werden wollen. Autor Clint erklärt, wie ihr auch mit Kind euer Gesicht wahren könnt. Dies ist die erste Folge nach einem Jahr des bedeutungsvollen Schweigens...

„Mit einem Kind ändert sich alles“, haben sie mir gesagt. „Dein Leben wird nie wieder so sein, wie es war. Du wirst andere Freunde haben, neue Freunde, mit Kindern. Du wirst nur noch auf Spielplätzen rumhängen, und abends um sieben todmüde ins Bett fallen.“

Ich wollte diesen Worten nach der Geburt meiner Tochter Wanda* keinen Glauben schenken. Ich wollte mir selbst und allen anderen beweisen, dass man auch mit Kind ein wildes, aufregendes Leben führen kann. Ich fing an, diese Kolumne zu schreiben. Und für eine Weile schien ich Recht zu behalten. Selbst nachdem Wandas Mutter und ich uns trennten.

Wir leben seither im Wechselmodell. Für die eine Hälfte der Zeit bin ich alleinerziehender Vater, für die andere was immer ich sein will. Eine heikle Situation. Denn es ist mir im vergangenen Jahr nicht immer gelungen, die beiden Bereiche meines Alltags sauber zu trennen. Eines Morgens ging es sogar soweit, dass ich direkt vom Club in die Kita gefahren bin, um mein Kind abzuholen. Und in meiner Wohnung wurde es nicht besser.

„Papa, was ist hier passiert?“

„Ich glaube, hier wurde ein Fest gefeiert.“

„In der Badewanne liegen ganz komische Sachen.“

„Komm mal lieber ins Wohnzimmer.“

„Na, gut.“

„Nein, STOP!! Lass uns besser zu dir gehen.“

Und dann saßen wir da in ihrem Zimmer, der letzten Enklave im Reich meines Wahnsinns. Irgendwie überhaupt nicht cool. Dazu kam, dass es mir in den vorangegangenen Wochen nicht immer geglückt war, meine Frauengeschichten von Wanda fernzuhalten. Letztendlich war es dieser Moment, in dem mir klar wurde, dass sich etwas ändern muss. Es gibt sogar ein Foto davon. Denn wir gingen im Anschluss mit der Straßenkreide nach draußen, wo ich einen riesigen Eiskristall auf den Asphalt zeichnete. Als ich fertig war, stampfte Wanda mit ihrem Fuß mitten rein. Es sah aus, als hätte sie die gleichen Zauberkräfte wie Elsa, die Eiskönigin.

Und dann saßen wir da in ihrem Zimmer, der letzten Enklave im Reich meines Wahnsinns. Irgendwie überhaupt nicht cool. Letztendlich war es dieser Moment, in dem mir klar wurde, dass sich etwas ändern muss.
© Clint Lukas

Dieses Bild ruft Rührung hervor, wann auch immer wir es jemandem zeigen. Wanda sieht darauf so glücklich aus, sie leuchtet so voller Mut und Zuversicht, dass man mich glatt für einen guten Vater halten könnte. Oder zumindest einen passablen Vater. Man würde jedenfalls nicht annehmen, dass mein Blutkreislauf zum Zeitpunkt der Aufnahme voller Amphetamine ist, und unsere Wohnung aussieht, als hätte Marquis de Sade eine Mottoparty darin veranstaltet.

„Dies ist die letzte Folge vor der Sommerpause...“, stand über meiner letzten Kolumne. Die Sommerpause dauerte dann länger als ein Jahr. Ein Jahr, in dem ich mich auf der Flucht vor mir selbst befand. Ich will niemanden mit den Einzelheiten langweilen. So gut wie jeder ist vom Leben schon mal etwas härter angepackt worden. Jedenfalls ist das Eiskristall-Bild ein Relikt aus dieser Zeit – und es markiert den Wendepunkt. Denn irgendwann verzieht sich der Rauch, egal, wie heftig das Feuer getobt hat. Man kann Bestand aufnehmen, von dem, was noch übrig ist. Und mit dem Wiederaufbau beginnen. Inzwischen verläuft unser Alltag beinahe in geregelten Bahnen. Weil ich meine Energie nicht mehr aufs Feiern und Rumhuren verwende. Sondern nur noch auf das, was wirklich wichtig ist.

Inzwischen verläuft unser Alltag beinahe in geregelten Bahnen. Weil ich meine Energie nicht mehr aufs Feiern und Rumhuren verwende. Sondern nur noch auf das, was wirklich wichtig ist.

„Papa, gibst du mir mal den Rotstift?“

„Warte kurz, ich tippe noch den Satz zu Ende.“

„Schreibst du wieder eine Kolumne?“

„Genau, dann verdiene ich ein bisschen Geld.“

„Damit wir bald wieder in Urlaub fahren können, oder?“

Mein Wohnzimmer ist längst ein Coworking Space. Die Wände hängen voller Bilder, die Wanda auf die Rückseiten meiner alten Manuskripte gezeichnet hat. Neuerdings probieren wir uns sogar mit Ölfarben aus. Ein Experiment, bei dem mein Kind weit größere Fortschritte macht als ich. Weil sie unvoreingenommener ist und sich mehr traut.

Der Spagat zwischen Kind und Selbstverwirklichung: Challenge accepted

Außerdem gehen wir zusammen auf Reisen. Gerade erst wieder Venedig. Weil das eines der Reiseziele ist, von denen wir beide was haben. Wanda liebt das Meer, also gehen wir dort jeden Tag an den Lido-Strand. Oder mieten uns eine Rikscha und fahren damit über die Insel. Museen und Kirchen findet sie nicht rasend aufregend. Doch wenn ich ihr im Vorfeld von Tizian erzähle und dem Stress, den er wegen seiner Malerei anfangs hatte, lässt sie sich gern auch mal dazu herab, mit mir seine Assunta anzuschauen. Da stehen wir dann in Santa Maria Gloriosa Dei Frari und fachsimpeln über die Blautöne. Aus den Augenwinkeln sehe ich das ungläubige Lachen der Leute.

Ich bin glücklich in diesem Moment. Genauso habe ich mir die Vaterschaft immer vorgestellt. Und es liegt in meiner Hand, dass unser Leben von nun an immer so ist. Vielleicht nicht an jedem Tag. Denn wenn mir das letzte Jahr eines gezeigt hat, dann das: Ich bin ein Mensch mit Fehlern. Nicht nur Vater, sondern auch ein Mann mit Bedürfnissen. Ich habe keine Superkräfte und keinen Koffer voll Gold. Trotzdem will ich alles, für meine Tochter und für mich. Und während die meisten behaupten, das wäre ein unlösbarer Konflikt, man müsste sich zwischen Kind und Selbstverwirklichung entscheiden, sage ich: Challenge accepted.

Ich bin ein Mensch mit Fehlern. Nicht nur Vater, sondern auch ein Mann mit Bedürfnissen. Ich will alles, für meine Tochter und für mich.

*Anmerkung: Der Name meiner Tochter wurde geändert.

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