Phlegmatisch und verhuscht – Was ist mit dem Biomarkt-Personal los?
„Oh, jetzt ist mir das schon wieder passiert. Heike, kannst du nochmal kurz kommen für Storno? Was ist denn die Nummer für Pastinaken?“
Es ist das dritte Mal in zehn Minuten, dass die Verkäuferin nach der Nummer fragt. Ich weiß das, weil ich seit zehn Minuten an ihrer Kasse stehe.
„Hm, Pastinaken“, sinniert sie, während wir darauf warten, dass Heike irgendwas tut, um uns aus dieser Situation zu befreien. „Was macht man eigentlich mit Pastinaken?“
„Ist sowas Ähnliches wie Petersilienwurzel“, gibt der Kunde vor mir bereitwillig Auskunft. „Ich koche daraus immer Brei für unseren Zwerg. Gell, Oskar?“
„So, jetzt geht’s weiter. Hier ist ja was los heute! Mal sehen, Tomaten. Hatte ich doch heute schon. War das die 573? Ach, Mist. HEIKE!“
Die Qual an der Kasse
Vegan, nachhaltig, Fairtrade, plastikfrei, Bio Bio Bio. Wir leben in einem Klima des schlechten Gewissens. Möglicherweise ist das auch gut so. Wenn man schon nichts spürbar verbessern kann, soll man wenigstens mahnen. Und im Biomarkt einkaufen. Die Sache ist nur: Man lässt mich nicht. Ich würde ja gern. Doch aus irgendeinem Grund stellt mir die Leitung jedes, wirklich jedes Biomarktes ihr Personal in den Weg.
„Darf ich nochmal kurz die Nudeln haben?“, fragt die Verkäuferin, als ich an der Reihe bin. „Mhm, Zimtsterne, die sehen aber lecker aus. Und was ist das, sowas hab ich noch gar nie gesehen.“
„Schluppen“, sage ich. „Nummer 187.“
Selbstverständlich muss man geduldig bleiben. IN EINARBEITUNG steht auf dem Namensschild der Verkäuferin. Als ob das einen Unterschied machen würde. Denn auch die jahrelangen Angestellten müssen jede einzelne Nummer für Gemüse und Backwaren erfragen. Natürlich erst, nachdem sie die Backwaren mühevoll identifiziert haben.
Das Personal als unüberwindbare Hürde
Ich frage mich immer: Wo kommen all diese verhuschten Gestalten her? Natürlich fühlen sich per se alle Twens mit Hippie-Tendenz zu dieser Aufgabe berufen. Gelangweilt, mit hängenden Augenlidern, stehen sie an der Käsetheke. Ergänzt werden ihre Reihen durch Ü60-Veteranen, denen die Enkel eingeredet haben, nochmal aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Wahrscheinlich wird schon bei ihrer Einstellung auf herausragendes Phlegma und eine nicht vorhandene Auffassungsgabe geachtet. Und nur wer den Gitterwagen mit schlafwandlerischer Sicherheit im engsten Nadelöhr des Marktes parkt, qualifiziert sich dafür, die Regale auffüllen zu dürfen. Wenn es einen Leitsatz für Biomarkt-Angestellte gibt, muss er lauten: HAUPTSACHE INEFFIZIENT.
Und leider steckt die Kundschaft mit dem Personal unter einer Decke. Erst gestern hat mich ein Freund zu Denn's geschickt, damit ich ihm Brot kaufe. Er selbst hat dort schon Hausverbot, weil ihm einmal nach zwanzig Minuten an der Kasse der Kragen geplatzt ist. Die Schlange am Bäckerstand reicht fast bis zur Eingangstür. Trotzdem höre ich das Verkaufsgespräch.
„Hi, na? Welches Brot kannst du mir denn mal empfehlen?“
„Naja, also, das Allerlei Rau wird immer gerne genommen. Das können wir aber nicht schneiden.“
„Ach, so. Das könnt ihr nicht schneiden.“
„Nein. Das können wir nicht schneiden.“
„Hm, jaaa. Also wir kriegen heute Besuch von ein paar Freunden. Aus Salzburg. Meinst du, da reichen zwei Baguettes zum Salat? Oder soll ich lieber auf Nummer sicher gehen? Ach, weißte was? Ich nehm drei.“
Fröhlich dreht der Mann sich um. Dabei kann ihm nicht entgehen, dass ungefähr 26 Kunden auf Bedienung warten. Aber wozu die Eile? Während ich ihn anschreien will, dass er einfach endlich sein beschissenes Brot kaufen soll, liegt auf den meisten Gesichtern die reine Engelsgeduld. Der Einkauf scheint für die Leute sowohl Seelsorge, als auch willkommener Anlass zur Entschleunigung zu sein. Und der Biomarkt ist ihr Reservat, in dem sie artgerecht äsen können.
Hauptsache ineffizient
Doch wenn ich schon bereit bin, mehr Geld auszugeben, um politisch korrekt einzukaufen, warum muss ich dann auch noch eine halbe Stunde einplanen, um dem Gewäsch liebesbedürftiger Guppies zu lauschen? Wenn das so weiter geht, ziehe ich bald meine Konsequenzen. Dann kaufe ich nur noch beim Discounter ein. Und zwar ausschließlich in Plastik verpacktes Billigfleisch. Dann werden die sehen, was sie davon haben. Wer zuletzt lacht und so.