Streit um Artikel 13: Ist das Internet jetzt kaputt?
Fast überall wurde in den letzten Wochen über das zukünftige Urheberrecht der EU diskutiert. Tausende Menschen gingen vorletztes Wochenende auf die Straßen, um gegen den Beschluss über die Urheberrechtsreform zu protestieren – genauer gesagt, gegen die Artikel 11 und Artikel 13. Am 26. März beschloss das EU-Parlament die Reform, was in großer Empörung zahlreicher Netzaktivist*innen, Politiker*innen und natürlich der Nutzer*innen resultierte. Für das kommende Wochenende sind erneut Demonstrationen in einigen deutschen Städten geplant, auch in Berlin. Doch was bedeutet der Beschluss jetzt eigentlich und was soll die ganze Aufregung?
Was wurde entschieden?
Dass es Richtlinien für ein zeitgemäßes, EU-einheitliches Urheberrecht geben muss, darüber sind sich die allermeisten einig. Konkret protestiert wurde im Vorfeld der Abstimmung über die Artikel 11 und 13 des Gesetzesentwurfes, der nun aber ohne Änderungen beschlossen wurde. Artikel 11 bezieht sich auf die Rechte an Pressetexten: Demnach sollen Portale wie Google in Zukunft schon für kleinere Textausschnitte, die zum Beispiel in den Suchergebnissen angezeigt werden, Lizenzen bei Presseverlagen erwerben müssen. Kritiker*innen sehen hier die Gefahr, dass vor allem kleinere Verlage dadurch große Nachtteile erfahren könnten, weil Google den Kauf von Lizenzen eher bei großen, reichweitenstarken Unternehmen erwägen könnte.
Artikel 13 löste jedoch noch größeren Protest aus. Hier geht es darum, dass Plattformen wie YouTube zukünftig in die Pflicht genommen werden sollen, keine urheberrechtlich geschützten Inhalte unerlaubt zugänglich zu machen. Hierfür müssten die Plattformen Lizenzen von Urheber*innen erwerben oder verhindern, dass Urheberrechtsverletzungen überhaupt passieren. Die größte Befürchtung der Gegner*innen ist, dass eine solche Kontrolle für YouTube nur mit sogenannten Upload-Filtern möglich sein dürfte.
Warum demonstrieren so viele Menschen dagegen?
Solche Upload-Filter werden bei YouTube bereits eingesetzt. Viele glauben jedoch, dass es mit dem neuen Gesetz dazu kommen könnte, dass letztendlich mehr Content herausgefiltert wird als notwendig. Viele Menschen, die im Internet aktiv und kreativ tätig sind, befürchten deshalb eine Zensur und sehen sich in ihrer Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit eingeschränkt.
Die Sorge, dass das Internet bald vielleicht ganz anders aussehen könnte, motivierte also in den letzten Wochen tausende Menschen dazu, auf die Straße zu gehen. Fünf Millionen Nutzer*innen unterzeichneten eine Petition; große YouTuber wie LeFloid (mehr als 3 Millionen Abonnenten) forderten ihre Followerschaft zum Protest auf. Viele Netzaktivist*innen sprechen sich schon seit Jahren gegen die Reform aus, an der über die letzten drei Jahre hinweg gearbeitet wurde. Auch Wikipedia bezog in Deutschland gegen die entsprechenden Artikel Stellung, indem die Seite einen Tag lang offline ging. Dass diese lautstarken Proteste in Deutschland vor allem von der CDU komplett ignoriert wurden, sorgt für besonders viel Frust.
Was heißt das jetzt?
Wie genau die neuen Richtlinien umgesetzt werden, ist aktuell sehr schwer zu sagen, erklärte Lisa Hegemann aus dem Digitalressort von Zeit Online letzte Woche noch vor der Abstimmung im "Was jetzt?"-Podcast. Tatsächlich seien die Richtlinien relativ schwammig und würden zudem in jedem EU-Land anders umgesetzt werden: "Im besten Fall verdienen die Urheber daran und die Nutzer merken es gar nicht; im schlimmsten Fall haben die Urheber nichts davon, weil die Plattformen ihnen gar keine Lizenzen zahlen, und die Nutzer haben auch nichts davon, weil ihre Inhalte geblockt werden."
Während die eine Seite die Reform also noch immer vehement kritisiert (viele sprechen im Netz in einer Art Horror-Szenario vom "Ende des Internets") und weiterhin dagegen demonstrieren will, gibt es auch positive Stimmen, die nicht glauben, dass uns eine komplette Zensur von Online-Inhalten bevorsteht. Sie hoffen, dass die Reform den Urheber*innen tatsächlich mehr Rechtssicherheit verschafft und sich für die allermeisten User und Channelbetreiber*innen gar nichts ändern wird. Was tatsächlich passiert, bleibt wohl nur abzuwarten.
Marit Blossey