Wer am Strand fürs Foto springt, hat das Prinzip Urlaub nicht verstanden
Egal, wo du gerade Urlaub machst, ob im Breisgau, am Kaukasus oder in Guatemala, am Ende zählt nur, was danach an Bildern aus der Festplatte quillt. Das Beweismaterial. Ob eine Reise gut war, entscheidet sich nämlich nicht während des Sonnenuntergangs an der Strandbar, sondern zu Hause beim Sichten der bebilderten Ausbeute. Es geht nicht mehr um das wehmütige Einkleben einer Handvoll Bild gewordener Erinnerungen in ein Fotoalbum mit Seidenpapier. Nein, das hier ist Ernst. Es geht um Stoff für die sozialen Kanäle, likebares Füllmaterial für Instagram, das Bauchpinseln des digitalen Egos.
Der süchtig machende Stoff für die sozialen Kanäle
Schon bei der Wahl des Urlaubsziels spielt die potenzielle fotografische Verwertbarkeit der Destination eine zentrale Rolle. An besonders fotogenen Tagen hangelt man sich von einem WLAN-Hotspot zu nächsten, um Erlebtes beinahe in Echtzeit in das Profil zu stopfen und anschließend im Minutentakt die Likes zu zählen. Dabei könnte man gerade im Urlaub doch endlich mal Ruhe haben von den ganzen Pappnasen. Aber nein, wer was auf sich hält, ist 24/7 drauf und postet jeden noch so kleinen Espresso, den er im Schatten irgendeines Baumes gekippt hat. Und das Licht spielt so schön auf dem Vintage-Tisch, der zwar für den Hashtag reicht, aber am Ende der Welt gar nicht retro, sondern einfach nur da ist. For real. Genauso wie man aus alten Booten keine Möbel nagelt, sondern damit fährt.
Wer was auf sich hält, ist 24/7 drauf und postet jeden noch so kleinen Espresso, den er im Schatten irgendeines Baumes gekippt hat.
Bestimmte Motive tauchen dabei immer wieder auf wie Fruchtfliegen am Biomüll. Die Rede ist von den Bildern, auf denen die Abgebildeten auf Berggipfeln stehend die Arme in den Himmel reißen, oder aber am Strand mit ungelenk angewinkelten Beinen in die Höhe springen. Die gibt es nur im Urlaub und die Komposition ist immer die gleiche. Strahlende Gesichter, aus denen einem Begeisterung, Ausgelassenheit, Abenteuer, Exotik und alles gleichzeitig anfeixt. Das sind die Leute, die von sich behaupten, total verrückt zu sein, weil sie neuerdings im Büro lila Textmarker ausprobieren, weil sie in Bangkok in eine frittierte Heuschrecke beißen, nur fürs Profilfoto auf Tinder, wo sie gerne nette Leute kennenlernen würden, weil sie neu in der Stadt sind.
Bestimmte Motive tauchen immer wieder auf wie Fruchtfliegen am Biomüll
Was soll das? Ist der Sand so heiß, dass ihr alle paar Sekunden hüpfen müsst? Ist euch der Berg nicht hoch genug, dass ihr euch noch höher in die Luft strecken müsst? Wahrscheinlich habt ihr es auch nur nach oben geschafft, weil eure Funktionskleidung so leicht ist. Mit Baumwolle hättet ihr auf halber Strecke aufgegeben, wahrscheinlich erfroren. Spreizt ihr die Arme, weil ihr euch wünscht, ihr könntet fliegen und müsstet nicht wieder den ganzen Weg nach unten gehen? Weil beim Abstieg trotz der Trekkingschuhe die Knie immer wehtun. Ist die Anstrengung, auf den Gipfel zu steigen, nur noch wert, wenn oben dieses Standard-Bild geknipst wird? I’M ON TOP OF THE WO-ORLD.
Was soll das? Ist der Sand so heiß, dass sie alle paar Sekunden hüpfen müssen? Ist ihnen der Berg nicht hoch genug, dass sie sich noch höher in die Luft strecken müssen?
Und am Strand. Wollt ihr mit den Bildern zeigen, dass ihr eure Time-Of-Your-Life-Emotionen nicht zurückhalten könnt und das Glück derart aus euch herausspringt, dass ihr nicht wahrnehmt, wie bescheuert ihr dabei ausseht? Auf Facebook teilt ihr brav Videos, in denen Andere den Planeten retten wollen, aber den Flatrate Cuba Libre trinkt ihr dann doch mit Strohhalm und wundert euch, wieso so viel Plastik in der Brandung wippt. Warum steht man dann nicht einfach am Strand und schaut der Sonne beim Sinken zu? Muss man wirklich springen? Man springt doch auch nicht vom Stuhl, wenn das Ceviche in der Seitenstraße in Lima so gut schmeckt.
Ok, ich habe es verstanden. Ihr habt zwar gerade genug Geld, um euch einen Billigflieger zu leisten, ein toughes Leben ohne Beinfreiheit, und trotzdem seid ihr im Urlaub so richtig glücklich, möchtet am liebsten die ganze Welt umarmen und all das mit selbiger teilen. Aber seid doch dabei beim nächsten Mal etwas origineller.