Woher kommen die absurd vielen Leihräder in Berlin?
Leihfahrräder sind die Fidget Spinner der Straßen. Gefühlt gibt es sie momentan an jeder Ecke, jedes Mal fragt man sich, wer so viele davon braucht. Tatsächlich liegen die subjektive Wahrnehmung und die offiziellen Zahlen gar nicht so weit auseinander. In Berlin konkurrieren aktuell sechs Fahrrad-Verleiher um die Radler, mittlerweile stehen mehr als 10.000 Leihfahrräder zur Verfügung. Laut Senatsverkehrsverwaltung planen die Anbieter in Zukunft sogar, rund 30.000 Räder bereitzustellen. Neben Nextbike, Lidl-Bikes, Donkey Republic, den orangefarbenen Rädern von Mobike, Obike und Byke Mobility kommt ab April noch das US-Unternehmen Limebike auf die Straßen gerollt – dann nicht nur mit klassischen Fahrrädern, sondern auch mit E-Bikes.
Leichtes Spiel für neue Anbieter
An sich klingt die Idee von Bikesharing gar nicht schlecht, schließlich gibt es im öffentlichen Nahverkehr immer noch genügend "tote Winkel". Nachhaltiger als mit dem Rad kann man zudem kaum unterwegs sein. Allerdings zeichnen sich bereits jetzt chaotische Zustände ab – denn neue Anbieter haben leichtes Spiel. Im Gegensatz zum vom Senat jährlich mit 1,5 Millionen Euro geförderten Anbieter Nextbike verzichten die vor allem aus dem asiatischen Raum stammenden Konkurrenten einfach auf feste Stationen. Dadurch brauchen sie auch keine Genehmigung vom Amt. 2009 versuchte die Stadt Hamburg, dem Unternehmen Nextbike zu untersagen, dass es seine Räder im öffentlichen Raum aufstellt – und scheiterte damit vor Gericht. Auf dieses Urteil berufen sich die Unternehmen bis heute. Die Behörden können erst aktiv werden, wenn Probleme auftauchen, etwa andere Verkehrsteilnehmer durch die Massenansammlungen abgestellter Räder behindert werden.
Wer ein Rad ausleiht, kann es aktuell an jedem Ort stehen lassen. Klingt praktisch, endet aber immer gleich: Die Räder liegen kreuz und quer auf Gehwegen verteilt. Worin das gipfeln kann, zeigen Horrorszenarien aus der chinesischen Stadt Shenzhen. Dort türmten sich die Mieträder irgendwann zu meterhohen (!) Schrotthaufen. Immerhin gibt es in Berlin bereits vereinzelte Absprachen darüber, dass Nutzer in bestimmten "Verbotszonen" keine Räder abstellen dürfen. So informiert etwa die App von Obike beim Parken darüber. Wer den Hinweis ignoriert, muss bei der nächsten Fahrt mehr zahlen.
Fragwürdige Qualität der Räder
Doch auch über die Qualität der Mieträder lässt sich streiten. Im Interview mit dem rbb kritisiert die Radexpertin Martina Hertel, dass die Räder von Obike mit Vollgummi-Reifen ohne Gangschaltung zweifelhafter Qualität seien und nur einen Bruchteil der deutschen Räder kosten würden. Zudem sind die Räder wartungsarm. Einmal abgestellt bringen sie dem jeweiligen Unternehmen Geld, ohne dass es sich aufwendig um die eigenen Räder kümmern müssten.
Nicht zuletzt ist auch der Umgang mit den Kundendaten fraglich. Das Wissen darüber, wohin die Leute fahren, könnten die Radvermieter gezielt für Werbung nutzen. Wozu es viel nützlicher wäre: Die Daten könnten zeigen, wo Städte dringend neue Radwege nötig hätten.
Wie die Berliner Zeitung berichtet, ist das Kapitel noch lange nicht abgeschlossen. Ofo aus Peking will mit bis zu 10.000 Rädern nach Berlin kommen. Mobike will seine Flotte auf ebenfalls 10.000 verfünffachen. Wir stellen uns schonmal aufs Stapeln ein.
Wer sind die neuen Anbieter?
Donkey Republic aus den Niederlanden
Mobike aus China
Obike aus Singapur
Byke Mobility aus Berlin
Limebike aus den USA
Milena Zwerenz