Warum flüchten am Wochenende alle aus Berlin?

© Hella Wittenberg

Kurzer Test: Stellt euch vor, ihr wollt Samstagabend spontan grillen. Wie viele eurer in Berlin lebenden Freunde sind an dem Tag vermutlich in der Stadt? Nicht viele? Normal. Ach, ihr seid selbst gar nicht da? Wenig überraschend. Obwohl jedes Jahr gefühlt die Hälfte aller Volljährigen diverser deutscher Kleinstädte nach Berlin zieht, scheint doch niemand so richtig hier leben zu wollen. Wann immer es geht, nutzen wir die Gelegenheit, aus der Stadt zu fliehen. Das macht sich vor allem am Wochenende bemerkbar.

Zuhause ist es am schönsten – nicht

Das Ganze ist ziemlich paradox: Berlin bietet tausende Möglichkeiten, essen, trinken, tanzen, ficken zu gehen. Die Stadt hält zig Clubs, zahlreiche Museen, mehrere Parks, ein bisschen Wasser und sogar ein vergleichsweise gutes Nahverkehrsnetz bereit. Es vergeht kein Tag, kein Abend, keine Nacht, in der auf den Straßen nichts los wäre, die Stadt wirklich still stehen würde. Und ob wirklich schon jemand jede Ecke Berlins gesehen hat, ist zu bezweifeln. Sprich: Diese Stadt ist für eine Person wirklich groß genug.

Diese bunte Paletten an Optionen hat sicherlich die meisten dazu inspiriert, überhaupt einen Fuß an die Spree zu setzen. Am Wochenende hätten wir nun alle Zeit der Welt, die Kieze genauer zu entdecken, ein neues Restaurant zu testen oder ein paar Runden in der Ringbahn zu drehen. Letztlich passiert aber genau das Gegenteil: Wir sind überall, aber nicht hier. Wir fliegen nach Amsterdam, fahren in die Heimat, besuchen Freunde in Buxtehude, chillen im Spreewald, atmen frische Luft in der Uckermark oder müssen beruflich nach Mainz. Die nächsten Wochenenden sind schon besser durchgeplant als es Harrys und Meghans Hochzeit war und die Samstage und Sonntage, die Berlin gehören, lassen sich an einer Hand abzählen. Reicht ja auch, oder?

Woran liegt es, dass “Balkonien” in Berlin mit Abstand das unbeliebteste Reiseziel ist (abgesehen davon, das es schrecklich klingt)? Warum lieben wir es, überall Touristen zu sein, nur nicht in der eigenen Stadt? Können diese “urbanen Menschen” einfach nicht mehr ohne neue Impulse oder hat die Generation Instatravel einfach ein ernsthaftes Jetset-Problem? #ontheroad #kosmopolit

Obwohl jedes Jahr gefühlt die Hälfte aller Volljährigen diverser deutscher Kleinstädte nach Berlin zieht, scheint doch niemand so richtig hier leben zu wollen.

Vielleicht hat das Ganze auch viel profanere Gründe: Vielleicht kommen wir nur außerhalb Berlins wirklich zur Ruhe. Erst, wenn wir mit Freunden an einen anderen Ort reisen, können wir uns wirklich aufeinander einlassen, abschalten, bei uns sein. Egal, ob in Amsterdam oder der Uckermark.

Vielleicht ist Berlin aber auch einfach nicht so lebenswert, wie wir gerne behaupten. Vielleicht flüchten wir alle vor der Lautstärke, den Abgasen, den fremden Menschen. Die Museen, Parks und Restaurants rennen schließlich nicht weg. Warum also am Wochenende hierbleiben? Unsere Freunde sind meistens sowieso nicht da.

Einfach mal hierbleiben

Dabei sollten wir uns ruhig mal trauen, in den hiesigen Gefilden zu verweilen. Berlin kann sich an den richtigen Orten auch wie Bali, Paris oder Venedig anfühlen – nur mit deutlich umweltfreundlicherer Anreise. Das Wochenende bietet zudem mehr Zeit miteinander als nur für ein Feierabendbier oder auf einen Kaffee. Fahrt Tretboot, grillt im Park, steigt endlich mal auf die Siegessäule oder erkundet eine völlig neue Gegend. Feiert zwei Tage durch oder katert einfach nur zwei Tage aus, geht auf den Wochenmarkt oder entspannt zu Hause. Am Ende sind diese Momente nicht nur günstiger, sondern auch stressfreier. Und ganz ehrlich: Man muss das Ganze dann auch nicht "Urlaub auf Balkonien" nennen.

Berlin kann sich an den richtigen Orten auch wie Bali, Paris oder Venedig anfühlen – nur mit deutlich umweltfreundlicherer Anreise.
Zurück zur Startseite