Süchtig nach Likes: Macht Social-Media-Fame abhängig?

© ian dooley | Unsplash

von Edith Löhle

Was hat Social-Media-Fame mit Sex und Drogen gemeinsam? Das Belohnungssystem im Gehirn wird aktiv. So wird bei jedem Herz bei Instagram und bei jedem Daumen bei Facebook auch ein wenig Dopamin ausgeschüttet. Und dann: Wollen wir mehr davon. Vor der Internetsucht wird schon seit Jahren gewarnt – Panikmache oder Krankheitserscheinung einer neuen Welt? Die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des LWL-Universitätsklinikums Bochum hat zum Beispiel eine Online-Ambulanz ins Leben gerufen. Hier kann man durch einen Test herausfinden, ob man selbst süchtig geworden ist oder jemand im Umfeld betroffen ist. Wenn ja, findet man hier therapeutische Hilfe. Interessanterweise erfährt man auf der Seite, dass Männer meistens in Behandlung wegen Gaming- oder Porno-Sucht sind, für Frauen hingegen bedeutet Social Media die größte Gefahr.

Der ständige Vergleich, die Illusion von Perfektion der anderen, die Angst etwas zu verpassen – ab wann wird das Smartphone nun für uns gefährlich? „Es ist schwierig, eine ganz klare Grenze zu ziehen. Grob könnte man sagen, Sucht ist, wenn man nicht mehr frei ist“, sagt Prof. Dr. Sarah Diefenbach. Die Professorin für Wirtschaftspsychologie hat das Buch „Digitale Depression – Wie neue Medien unser Glücksempfinden verändern“ geschrieben. „Wenn ich zum Beispiel im Urlaub nicht mehr durch die Gassen schlendere, in denen ich mich wohl fühle, sondern danach auswähle, wo sich die besten Fotos für mein Profil machen lassen, ist das schon eine gewisse Einschränkung der Freiheit. Oder wenn ich den ganzen Tag nervös bin und mich ‚nackt‘ fühle, weil ich das Handy zu Hause vergessen habe.“

Meiner Einschätzung nach ist Bestätigungssucht etwas, das man überall finden kann, aber Social Media macht es eben besonders leicht, süchtig zu werden
Prof. Dr. Sarah Diefenbach

Wie sich Anerkennung anfühlt, wissen wir alle – aber wieso streben wir im Netz so viel mehr danach als offline? „Vielleicht wünschen sich auch im realen Leben viele Menschen noch mehr Bestätigung und würden sich über häufigere Komplimente und Anerkennung freuen – aber ein digitaler Like ist eben die bequemere Form“, so die Expertin. Und weiter: „Meiner Einschätzung nach ist Bestätigungssucht etwas, das man überall finden kann, aber Social Media macht es eben besonders leicht, süchtig zu werden, da man zu einem gewissen Grad systematisch Bestätigung einfordern kann. Im realen Leben ist dieses "Fishing for compliments" komplizierter, im digitalen Raum hingegen ziemlich leicht, schon allein durch die hohe Reichweite. Ein paar meiner vielen Kontakte werden meinen Beitrag schon sehen und liken. Und das fühlt sich gut an. Aber irgendwann brauche ich diese Likes, um mich gut zu fühlen – und auch immer mehr davon. Allerdings muss ich mir deshalb auch immer mehr einfallen lassen, um Likes zu bekommen, die Freunde hingegen sind vielleicht irgendwann genervt und werden geiziger mit dem Like. Das ist eine Art Teufelskreis.“

Eine repräsentative Studie von Juni 2017 der EY Wirtschaftsprüfungsgesellschaft besagt, dass 21-30 Jährige im Durchschnitt 6,9 Stunden täglich online sind, drei Stunden davon sind Smartphone-Nutzung. „Bei Social Media wird Glück quantifiziert. Durch die Struktur, die durch das Erstellen eines Profils vorgegeben wird, entsteht so etwas wie eine Schablone, die Kriterien nach denen jedesLeben bewertet wird“, so Prof. Dr. Diefenbach. Jetzt kann man das nicht grundsätzlich verteufeln, denn soziale Medien schaffen ebenso Freiheiten und Freude. Man findet Gleichgesinnte, neue Jobs, neue Perspektiven – doch die Frage nach dem Glück und dem Sinn des Lebens darf man sich auch für sein digitales Leben immer wieder stellen.

Wenn man danach fragt, welche Feed-Inhaber glücklicher sind, könnten authentische Kanäle die bessere Wahl sein
Prof. Dr. Sarah Diefenbach

Prof. Diefenbach ergänzt: „Wenn man danach fragt, welche Feed-Inhaber glücklicher sind, könnten authentische Kanäle die bessere Wahl sein – man muss sich nicht verstellen, man kann sich geben wie man ist, es ist weniger anstrengend – und vor allem: über die Bestätigung, die man bekommt, kann man sich auch tatsächlich freuen, weil sie einem selbst gilt und nicht irgendeinem Bild, das wenig mit einem selbst zu tun hat.“

Und das ist ein guter Ansatz: Der Einfluss von Smartphone und Soziale Medien auf unseren Alltag lassen sich nicht mehr rückgängig machen – aber die Nutzung haben immer noch wir in der Hand. Eat Pray Love funktioniert auch bei Instagram.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Refinery 29.

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