Statt Hitzefrei: Warum wir in Zukunft eine Siesta machen sollten

© Stephen Oliver | Unsplash

Jeder, der in den vergangenen Wochen in einem unklimatisierten Büro saß, hat gemerkt: Die Hitze macht träge, müde und unkonzentriert. “Siesta, das wär’s jetzt!”, witzelt man mit den Kollegen in der Mittagspause, ehe man doch zurück an den Bildschirm trottet und sich wieder in die eigenen Schweißabdrücke setzt. Siesta, warum eigentlich nicht? An anderen Stellen wird mit Gleit- und Teilzeitmodellen, Sabbaticals und Home-Office-Lösungen bereits versucht, das Arbeiten lebensfreundlicher zu gestalten. Perspektivisch müssen sich zumindest in bestimmten Branchen auch die Art, wann und wie wir arbeiten, dem Klima anpassen, wenn unsere Gesundheit und Leistungsfähigkeit und nicht zuletzt der Spaß bei der Sache erhalten bleiben soll.

Eine ausgedehntere Mittagspause klingt wie der Wunschtraum einer Urlaubsreifen, aber rational betrachtet macht er Sinn. Warum arbeiten wir im südeuropäischen Sommerwetter immer noch so, als hätten wir 25 Grad und leichten Wind aus Nordost? Denn Fakt ist: Ein Sommer, wie wir ihn derzeit erleben, wird keine Ausnahmeerscheinung bleiben, wie sich der ein oder andere noch einreden mag. Ein dauerhaft mediterranes Klima ist in Deutschland in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, aber während einer Hitzewelle liegt der Gedanke nahe, dass sich mit dem Wetter auch der Lebensstil verändern könnte – ein Kulturwandel als Folge des Klimawandels.

Warum arbeiten wir im südeuropäischen Sommerwetter immer noch so, als hätten wir 25 Grad und leichten Wind aus Nordost?

It’s the end of the Wetter as we know it

Es wäre in der Geschichte der Menschheit nicht das erste Mal. Zum Ende der letzten Eiszeit vor etwa 20.000 Jahren musste sich der Mensch auch an ein deutlich wärmeres Klima gewöhnen – und damit zum Beispiel an andere Nahrungsquellen. Übertragen auf das Jahr 2018 bedeutet das: Müssen wir auch unsere Ernährung umstellen und Eis in die unterste Stufe der Nahrungspyramide aufnehmen?

Tatsache ist jedenfalls, dass die meisten Menschen ab einem gewissen Alter irgendwann zwischen Mitte 20 und Mitte 30 die meiste Zeit des Tages mit Arbeiten verbringen. Manche davon unter freiem Himmel, an Hochöfen, in Wäschereien, auf heißem Asphalt – oder eben vor heißlaufenden Rechnern im Großraumbüro. Das ist ab einer gewissen Außentemperatur erst einfach nur anstrengend, ermüdend und belastend für das Herz-Kreislauf-System – von der geistigen Leistungsfähigkeit ganz zu schweigen. Noch ignorieren die meisten Unternehmen den Faktor Wetter weitgehend, wer Glück hat, bekommt ab und zu ein Eis spendiert. Auf dem Bau wird zuweilen etwas eher angefangen, aber noch immer sind schweißüberströmte Bauarbeiter in sengender Mittagssonne auf glühendem Asphalt ein gewöhnliches Bild. Es ist die eine Sache, der Erderwärmung entgegenzuwirken, die andere, mit den schon nicht mehr reversiblen Konsequenzen klug umzugehen.

Noch ignorieren die meisten Unternehmen den Faktor Wetter weitgehend, wer Glück hat, bekommt ab und zu ein Eis spendiert.

Für Sommerarbeitszeiten in Arbeitsverträgen

Berlin als eine Stadt, in der neue Formen des Arbeitens scheinbar schneller als andernorts in die Praxis umgesetzt werden und Arbeitnehmer wie Arbeitgeber bereit sind, neue Lösungen für neue Probleme zu finden, könnte sich also auch an dieser Stelle als Vorreiter erweisen. Stehen vielleicht bald “Sommerarbeitszeiten” in den Verträgen und Stellenausschreibungen? Gehören Ventilatoren ab 2025 verpflichtend zur Ausstattung in jedem Co-Working-Space?

Alternativ könnte der gehasste Berliner Winter eine ungeahnte Aufwertung erfahren. “Work all winter, shine all summer” empfiehlt Drake auf seinem letzten Album. Das scheint ein ganz passendes Motto zu sein, um in unseren Breitengraden das Beste aus den Klimaextremen machen: im Winter einsperren, Vitamin-D-Tabletten einwerfen und durchackern, zwischen Mai und September dann: Überstundenabbau am Liepnitzsee.

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