Sommer, Sonne, Bahnfahren – Warum gibt es in den Öffis noch immer keine Klimaanlage?
Berlin. Ein Morgen im Sommer. Gibt es was Schöneres? Nachdem man ganz ohne Weckerplärren von den ersten Sonnenstrahlen geweckt wurde, kann der Tag ja eigentlich nur gut anfangen. Trotz der unverschämt frühen Stunde ist es schon hell und warm draußen. Und die Temperaturen klettern minütlich weiter. Es könnte ein toller Badetag werden.
Aber: Nichts da. Wie die Mehrheit der Berliner muss ich das Freibad erstmal links liegen und den Weg zum S-Bahnhof wählen. Der Bahnsteig der Ringbahn ist wie üblich gerammelt voll, aber das macht nichts. Die Wartenden stehen allein oder in kleinen Grüppchen zusammen und genießen die Morgensonne. Hier und da werden ein paar verträumte Sonnen-Selfies geschossen: #Summertime. Man darf auf einen angenehmen Sommertag hoffen. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Den Leuten um mich rum läuft das Wasser aus allen Poren. Ich weiß nicht, ob sie wegen der Hitze jede Regung vermeiden, oder ob sie schon an ihren Sitzen festgeklebt sind.
Berlin. Ein Mittag im Sommer. Ich habe mich überreden lassen, mich zur Mittagspause mit einer Freundin zu treffen und muss ein paar Stationen S-Bahn fahren. Das war ein Fehler. Als ich in die Bahn steige, laufe ich erstmal gegen eine Wand aus stehender Luft. Ich habe schon Pizzen in einer weniger aufgeheizten Umgebung gebacken.
Ich schaue mich um. Den Leuten um mich rum läuft das Wasser aus allen Poren. Ich weiß nicht, ob sie wegen der Hitze jede Regung vermeiden, oder ob sie schon an ihren Sitzen festgeklebt sind, aber bequem sieht das alles nicht aus. Also bleibe ich lieber mal stehen. Sind ja nur ein paar Stationen. Ein paar Stationen, nach denen ich aussehe, als gätte ich gerade in voller Montur einen Köpper in einen Swimmingpool gewagt. Ganz toll. Triefend setze ich meinen Weg fort – und hoffe inständig, dass wenigstens das Restaurant klimatisiert ist.
Während ich im Kopf die Stationen durchgehe, die ich noch überstehen muss, versuche ich durch den Mund zu atmen.
Berlin. Ein Nachmittag am Sommer. Inzwischen hat es gewittert. Die 15 Minuten Weltuntergang wirken noch nach: Es hat sich ein bisschen abgekühlt. Das ist gut. Zumindest, solange man nicht gerade S-Bahn fahren muss. Muss ich aber, wenn ich nach Hause will.
Die Wand aus heißer Luft hat sich in eine feine Wolke verwandelt. Angenehmer ist das auch nicht, zumal der Nebel neben ekliger Feuchtigkeit auch allerlei abstoßende Gerüche in jede Ecke des Zuges trägt. Es würde mich nicht wundern, wenn hier morgen eine Pilzkultur aus den Sitzpolstern sprießen würde. Ich versuche, möglichst durch den Mund zu atmen und gehe im Kopf die Stationen durch, die ich noch überstehen muss, ehe ich endlich aussteigen darf. Obwohl der Tag an sich gar nicht so anstrengend war, habe ich plötzlich das Gefühl, mir den Feierabend sehr verdient zu haben. Mein Ventilator vermisst mich bestimmt schon. So wie ich ihn.