Das Abtreibungs-Tabu: So könnt ihr euch heute in Berlin für die Abschaffung von § 219a einsetzen
Update: Im Dezember 2018 versuchten die Minister*innen Barley, Giffey, Seehofer, Braun und Spahn, einen Kompromiss im Streit um §219a StGB zu finden. Anstatt den Paragraphen zu streichen, wurde vorgeschlagen, dass Ärzt*innen lediglich legal darauf hinweisen dürfen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Bezüglich Fragen der Methodik und ihrer Verfügbarkeit müssen sie auf staatliche Internetseiten verweisen. Da diese "Reform" keine tatsächliche Veränderung herbeiführt und Frauen weiterhin der Zugang zu entscheidenen Informationen zum Thema Schwangerschaftsabbruch verwehrt wird, wird am 16. Januar 2019 erneut zum schriftlichen Protest gegen den Paragraphen aufgerufen. 2019 ohne §219a!
Bereits im vergangenen Winter sorgte der Fall der Frauenärztin Kristina Hänel für Aufsehen: Sie war strafrechtlich dafür verurteilt worden, dass sie auf ihrer Website darüber informierte, in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Denn der Paragraph 219a des Strafgesetzbuches verbietet das "Werben" für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen in jeglicher Form.
Vor zwei Wochen scheiterte Kristina Hänel mit ihrer Berufung gegen das Urteil vor dem Landgericht Gießen. Das Gericht selbst sah sich in dem Fall überfordert und forderte indirekt eine Entscheidung seitens der Politik: Frau Hänel müsse das Urteil "tragen wie einen Ehrentitel in einem Kampf für ein besseres Gesetz", hieß es.
Der Fall erregte zurecht große Aufmerksamkeit; erst im September fand in Berlin eine Demonstration gegen den Paragraphen 219a statt. Heute bietet sich Berliner*innen erneut die Gelegenheit, ihre Stimme gegen das Fortbestehen des Paragraphen einzusetzen – genauer gesagt, ihre Unterschrift. Unter dem Motto "Stimmrecht gegen Unrecht: Unmut eine Handschrift geben" könnt ihr mit eurer Unterschrift gegen den Paragraphen protestieren. Dafür müsst ihr nur im Laufe des Tages im Foyer des Gebäudes in der Dorotheenstraße 24 an der Humboldt-Universität vorbeischauen: Dort werden mehrere Briefvorlagen bereitgestellt, auf denen ihr nur noch unterschreiben müsst. Das Ziel: Solidarität mit Kristina Hänel zeigen und die Politik – insbesondere die SPD – unter Druck setzen, damit der Paragraph endgültig abgeschafft wird. Und außerdem: "Raus aus der Passivität und weg mit dem Gefühl, man selber könne nichts ändern."
Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht – und ihr könnt eure Unterschrift dafür einsetzen
Gestartet wurde der Aufruf von vier jungen Frauen, die genug hatten von dem Gefühl der Wut und Hilflosigkeit, das sich angesichts der aktuellen Rechtslage zum Thema Schwangerschaftsabbrüche breitmacht. "Die Idee zu dem Briefprotest kam uns, als wir im Rahmen der feministischen Sommeruni an einer Podiumsdiskussion zum Thema 'Abtreibung und reproduktive Autonomie für Frauen* als Menschenrecht' teilnahmen", berichtet Lea Wessels, eine der Initiatorinnen der Protestaktion. "Nach der sehr interessanten Diskussion kam aus dem Publikum eine Frage, mit der wir uns alle identifizieren konnten: Wie kann ich als einzelne Person Veränderung anstreben, und dafür sorgen, dass dieser Paragraph endlich gestrichen wird? Daraufhin empfahl uns die Bundestagsabgeordnete der Grünen Ulle Schauws, Briefe als Protestmittel zu nutzen. Und zwar lieber Briefe als Mails, weil die Briefe mehr Arbeit machen."
Die Aktion soll nicht nur Druck auf die Politik ausüben und die Abschaffung des Paragraphen 219a vorantreiben, sondern auch dazu beitragen, dass das Tabu um Schwangerschaftsabbrüche in unserer Gesellschaft endlich gebrochen wird. Und vor allem soll sie zeigen, dass wir eben doch selbst aktiv werden können und sollten für die Dinge, die uns wichtig sind und die wir verändern wollen.
Betreff: § 219a des StGB- Stimmrecht gegen Unrecht | Mittwoch, 16.01.19, 10–18 Uhr | Foyer Dorotheenstraße 24, 10117 Berlin | Hier geht's zum Facebook-Event.
Marit Blossey