Sitzplatzreservierung in der S-Bahn: Mord und Totschlag wären vorprogrammiert
Stell dir vor, es ist Rushhour und du müsstest dir nicht in einer völlig überfüllten S-Bahn zwischen zwei nach Schweiß riechenden Männern mittleren Alters mit reichlich Kraftaufwand eine winzige Lücke erkämpfen, um wenigstens genügend atembare Luft zu bekommen. Stattdessen drängelst du dich durch die Menge und setzt dich völlig entspannt auf deinen reservierten Platz, schlägst ein Buch auf und fährst genüsslich in den Feierabend.
Wie viel entspannter wäre das Leben als Pendler, gäbe es Sitzplatzreservierungen in der Berliner S-Bahn! In Nürnberg ist dieser Traum nun Wirklichkeit geworden. Pendler können ab sofort ihren ganz persönlichen Sitzplatz reservieren. Ein Euro pro Fahrt und Strecke kostet der Luxus, im Abonnement ist der eigene Sitz schon für 40 Euro pro Jahr (!) zu haben.
„Keule, wat willst du denn? Verpiss dich!“
Ich stelle mir vor, wie Gelegenheitsfahrer und Touristen mich neidisch anstarren, wenn ich mich auf meinen Sitz plumpsen lasse, meinen Nebenmann, der natürlich auch reserviert hat und mittlerweile zum Buddy geworden ist, mit Handschlag begrüße und wir im Viererabteil gemeinsam herzhaft lachen!
Doch soweit wird’s nicht kommen. Vermutlich nie. Die Nürnberger S-Bahn hat (wie fast alle S-Bahnen außerhalb der Großstädte) eher Regionalbahn-Charakter. Dazu kommt der Umstand, dass Berlin eben nicht ein beschauliches Kleinstädtchen ist, sondern ein ziemlich ruppiges Pflaster. „Keule, wat willst du denn? Verpiss dich!“, bekäme ich wohl als Anwort, würde ich einen prolligen Passagier mit Fluppe im Mund und Ratskrone in der Hand auf meine Reservierung hinweisen. Mord und Totschlag wären vorprogrammiert!
Der Wunsch nach einem gemütlichen Pendelverkehr bleibt wohl weiterhin ein Wunsch, ein Traum, den ich träume, quetsche ich mich einmal mehr in eine volle Pendler-Bahn zur Rushhour.
Max Müller