Schwarz-rot-goldene Fanprodukte versauen die Fußball-WM schon vor dem ersten Spiel

© Marit Blossey

Es lässt sich heute vermutlich nicht mehr rekonstruieren, welcher "geniale" Produktentwickler anlässlich der Fußballweltmeisterschaft des Jahres 2006 auf die phänomenale Idee kam, schwarz-rot-goldene Außenspiegelüberzieher für Autos zu designen. Die Idee jedoch schlug ein wie eine Bombe: Wo man auch vor zwölf Jahren hinsah, entdeckte man während des Deutschen Sommermärchens fast an jeder Straßenecke diesen unheimlich dekorativen Schnịckschnack, der trotz seiner Unnützlichkeit symbolisch schwer bedeutend war (und für einige Unbelehrbare bis heute ist).

Was für ein Bullshit, dachte ich damals, aber was soll's. Wer es nötig hat, soll sich die Überzieher, die vermutlich in verarmten Drittweltländern zu Dumpingpreisen und -löhnen produziert werden, halt kaufen. Es ist schon in Ordnung, Flagge zu bekennen, das Team anzufeuern, sich mit der deutschen Auswahl zu freuen. Ein bisschen Heimatpatriotismus halt, wie er auch in anderen Ländern sichtbar ist, auch wenn ich allein aus ästhetischen Gründen nie auf die Idee käme, meinem Auto (hätte ich denn eins) so zu verunstalten.

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Immer mehr Produkte des täglichen Lebens werden "deutschlandisiert"

Über ausufernden Patriotismus, über zunehmenden Nationalismus, um Fremdenhass und die Flüchtlingskrise soll es in diesem Artikel nicht gehen. Vielmehr beschäftigt mich die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass die Idee des Nationalisierens von Produkten von WM zu WM mehr ausgeschlachtet wird. Denn mittlerweile sind nicht nur Flaggen und unnützer Deko-Schnickschnack im Handel zu finden, auch immer mehr Produkte des täglichen Lebens werden "deutschlandisiert".

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Mittlerweile muss man Glück haben, eine Dose Mais fürs abendliche Chili zu ergattern, die nicht mit dem WM-Fieber kokettiert.

Das geht schon morgens im Bäcker los, in dem mich seit einigen Wochen der "Fan-Plunder" anstrahlt. Im Supermarkt ist gefühlt jedes zweite Produkt mit den Deutschlandfarben dekoriert. Dazu gesellen sich limitierte Fan-Editionen. Selbst vor Fan-Würstchen, farblich passend mariniertem Fleisch und Taschentüchern in schwarz-rot-goldener Optik wird nicht halt gemacht. Mittlerweile muss man Glück haben, eine Dose Mais fürs abendliche Chili zu ergattern, die nicht mit dem WM-Fieber kokettiert.

© Marit Blossey

Die Stimmung sinkt von Tag zu Tag

Das alles schmälert die WM-Vorfreude enorm, die durch den Austragungsort Russland und die FIFA-Korruptionsfälle ohnehin getrübt ist. Mir fällt es von Tag zu Tag leichter, mich von dem Wettbewerb, der seit dem Deustchen Sommermärchen überall in der Bundesrepublik frenetisch gefeiert wird, zu distanzieren. Die Idee des Public Viewing lässt mich mittlerweile genauso kalt wie die Fanmeile am Brandenburger Tor. Nein, ich will nicht mit WM-Biergläsern, von denen mir Gündogan frech entgegenlächelt, meinen Freunden zuprosten und mein farblich astrein sortiertes Knabberzeug mit dem Nebenmann teilen, nur um bei einem Treffer der deutschen Equipe ein Schnaps-Dreier bestehend aus Wurzelpeter, Berentzen Rotem Apfel und goldenem Tequila vorgesetzt zu bekommen.

Alles, was mir bleibt, ist die Hoffnung, dass nun der Zenit der Produkt-Perversion erreicht ist. Bis dahin bleibt mir nichts als stiller Protest durch das konsequente Verweigern von schwarz-rot-goldenen Waren. Und wer mir doch einen WM-Plunder andrehen will, den jage ich mit der Vuvuzela davon. Endlich mal ein Gadget, das verspricht, was es meint: einen hohen Nervfaktor.

Die Idee des Public Viewing lässt mich mittlerweile genauso kalt wie die Fanmeile am Brandenburger Tor.

Alle Fotos wurden mit der Sony Alpha 7 II gemacht.

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