Leben mit der Trennung: Ist mein Kind traumatisiert oder nur bockig?

© Clint Lukas

Die Kolumne „Cool trotz Kind“ ist für alle Eltern da draußen. Und für die, die es werden wollen. Autor Clint erklärt, wie ihr auch mit Kind euer Gesicht wahren könnt. Er lebt inzwischen seit 8 Monaten getrennt. Zeit für eine Bestandsaufnahme.

„Papa, ich bin ein bisschen traurig.“
„Warum denn?“
„Weil ich nicht bei meiner Mama bin.“
„Jetzt schlaf mal, Baby. Morgen holt sie dich wieder ab.“
„Ich will aber jetzt.“
„Deine Mama hat mir erzählt, dass du am Samstag traurig warst, weil du lieber zu mir kommen wolltest.“
„Ja.“
„Dann genieß doch jetzt deine Zeit bei mir. Und morgen freust du dich auf deine Mama.“
„Ich will aber nicht immer nur bei einem von euch sein.“

Schachmatt. Wenn es zu solchen Gesprächen kommt, hat meine inzwischen fast vierjährige Tochter meistens das letzte Wort. Weil dabei keine Argumente den Ausschlag geben. Sondern ihre Gefühle. Man muss der Vollständigkeit halber dazu sagen, dass sie mit diesem Thema ausschließlich abends um die Ecke kommt, wenn sie schlafen soll. Kinder sind skrupellose Pragmatiker. Trotzdem nehme ich ihre Gefühle ernst. Und bin froh, dass sie so offen darüber spricht.

Kinder sind skrupellose Pragmatiker

Es ist jetzt acht Monate her, dass ihre Mutter und ich uns getrennt haben. Wir tauschen seitdem im halbwöchentlichen Rhythmus. Eine ganze Woche wäre mir in beiden Fällen zu viel. Weil ich nach drei Tagen als alleinerziehender Vater mit den Nerven am Ende bin. Und weil ich nach drei Tagen als Junggeselle die Sehnsucht nach meinem Kind nicht mehr aushalten kann.

Im Großen und Ganzen scheint meine Tochter die Trennung gut verkraftet zu haben. Man sagt ja, dass dieses Ereignis umso traumatischer ist, je später es im Leben des Kindes stattfindet. Insofern haben wir Glück im Unglück. Weil sie sich nun relativ früh auf die neue Konstellation einstellen kann. Natürlich achten ihre Mutter und ich trotzdem auf jedes Anzeichen von innerer Zerrissenheit. Und versuchen den Schmerz zu dämpfen.

Man sagt ja, dass dieses Ereignis umso traumatischer ist, je später es im Leben des Kindes stattfindet.

Die Sache ist nur, woher soll man im Einzelfall wissen, warum das Kind traurig ist oder ausflippt? Liegt das nun an der Trennung? Oder ist sie einfach nur bockig? Ein Beispiel: Letztes Wochenende bin ich mit ihr und meinem besten Freund auf dem Plötzensee Tretboot gefahren. Das war ihr großer Wunsch für den Tag. Wir paddeln also Richtung Westufer, sie ist derweil noch selig mit ihrem Schleckeis beschäftigt.

Die Sache ist nur, woher soll man im Einzelfall wissen, warum das Kind traurig ist oder ausflippt?

Irgendwann will sie ihre Füße am Heck ins Wasser hängen lassen. Ich setze mich also mit ihr dorthin. Eine Minute später will sie wieder nach vorn auf ihren Stuhl klettern. Ich helfe ihr über das schwankende Boot nach vorn. So geht das nun im Minutentakt hin und her. Ich bin praktisch ununterbrochen mit ihr beschäftigt. Mit jedem Gang befördert sie mehr Wasser aufs Deck, wo es meine Hose und ihre Wechselklamotten durchnässt.

„Okay, jetzt reicht es mal“, sag ich deshalb irgendwann. Und verkünde, dass wir nun für mindestens zehn Minuten auf unseren Plätzen bleiben. Meine Tochter fängt an zu motzen. Und steigert sich innerhalb von Sekunden in einen bitterlichen Heulkrampf hinein. Schreit schließlich wie am Spieß. Weder ich noch mein Freund können sie beruhigen.

Wenn die Idylle zum Machtspiel wird

In solchen Momenten wird meine Geduld auf eine harte Probe gestellt. Immerhin richtet sich bereits das gesamte Setup nach ihr. Und dann dreht sie durch, weil wir die Frechheit besitzen, nicht jeden einzelnen ihrer Wünsche zu erfüllen. Von einer Sekunde zur anderen wird die Idylle zum Machtspiel. Und ich bin gezwungen, ihr Grenzen aufzuzeigen, den Erzieher raushängen zu lassen. Vielleicht hätte ich auch lieber auf dem Tretboot gechillt.

Aber so ist es nun mal, wenn man Kinder hat. Nachdem alle Versuche gescheitert sind, ihr zu erklären, warum das blöd ist, wenn sie dauernd den Platz wechseln will, haben wir sie schließlich mit der Aussicht aufs Mittagessen beruhigt. Trotzanfall abgewehrt.

Ich bin gezwungen, den Erzieher raushängen zu lassen. Vielleicht hätte ich auch lieber auf dem Tretboot gechillt.

Die Sache ist: Seit der Trennung quält mich in solchen Situationen immer die Frage, ob meine Tochter wirklich nur bockig ist und ihre Grenzen austesten will. Oder ob es ihr Schmerz wegen der Trennung ist, der sich auf diese Art äußert. Muss ich dann nicht nachsichtiger mit ihr umgehen?

Es ist nicht leicht, diese Frage zu beantworten. Denn wie schon eingangs erwähnt, sind Kinder ziemlich opportunistisch. Natürlich spürt das Kind meine Zweifel. Und versucht sie bisweilen bewusst auszunutzen. Um zum Beispiel den Moment hinauszuzögern, in dem sie ins Bett muss. Oder sich noch ein weiteres Schleckeis zu erschleichen.

Hat mein Kind sein Urvertrauen verloren?

Sieht wohl so aus, als müssten wir weiterhin sehr genau darauf achten, wie sie mit ihrer neuen Lebenssituation fertig wird. Und jeden einzelnen Moment daraufhin prüfen, ob ihre Entwicklung normal verläuft. Ein zusätzlicher Preis, den wir für die Trennung zahlen. Da wir glücklicherweise an einem Strang ziehen, kriegen wir das vielleicht sogar hin.

Vor Kurzem war meine Tochter mit ihrer Kitagruppe auf einem Bauernhof und hat zum ersten Mal zwei Nächte ohne ihre Eltern verbracht. Mit dreieinhalb Jahren. Wir waren deshalb ziemlich nervös. Und ununterbrochen auf Abruf, falls sie vorzeitig abgeholt werden will. Doch sie hat ihren Urlaub genossen und ohne jedes Problem geschlafen. Ein Grund zu der Hoffnung, dass sie ihr Urvertrauen durch die Trennung bisher nicht verloren hat. Mal sehen, wie es weitergeht.

Zurück zur Startseite