Friseure in Rockerkluft: Die Barber Angels schneiden obdachlosen Berlinern die Haare

© Debora Ruppert

Sie sehen aus wie eine Rockergang und schneiden Obdachlosen kostenlos die Haare: Am Sonntag hatte die "Barber Angels Brotherhood" ihren ersten Einsatz in Berlin. Sie waren in der Suppenküche des Franziskanerklosters in Pankow vor Ort.

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Die Barber Angels sind Friseure, die obdachlosen und bedürftigen Menschen kostenfrei die Haare und die Bärte schneiden.

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Claus Niedermaier, 55 Jahre (links), hat die Wohltätigkeitsorganisation der Barber Angels Brotherhood 2016 gegründet. Inzwischen sind 111 Friseure Mitglieder. Er selbst ist seit 40 Jahren Friseur und hat in den 90ern auch mal zwei Jahre lang in Hollywood Stars und Sternchen die Haare geschnitten, aktuell betreibt er einen Friseursalon im schwäbischen Biberach an der Riß. Neben ihm steht Bruder Johannes (rechts). Er ist Teil des Franziskanerklosters in Pankow, das eine Suppenküche für obdachlose und bedürftige Menschen anbietet.

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Claus erzählt mir, dass sie sich vom Outfit her für die Rockerkluft entschieden haben, weil es ein niedrigschwelliges Angebot ist. „Eine unserer Friseurinnen, Sonja, war 2008 Friseur-Weltmeisterin und hat einen super schicken Salon. Da ist die Schwelle zu hoch, aber hier schneidet sie in Rockerkluft Haare und dadurch entsteht eine Nähe zu den Menschen."

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Den Barber Angels ist es wichtig ist, dass sie nachhaltig aktiv sind. „Wir wollen nicht nur zu Weihnachten, einmal im Jahr eine nette Aktion machen. Unser Ziel ist es, mindestens einmal im Monat in der Region kostenfreie Haarschnitte anzubieten. Unser Arbeitsmodell gibt es quasi seit 2018 Jahren. Damals hat Jesus seine Apostel in die Städte geschickt, um seine Botschaft zu verkünden. So reisen auch wir in die verschiedene Regionen und versuchen dort vor Ort jeweils andere Friseure zu gewinnen, die mit uns gemeinsam in ihrer Stadt obdachlosen Menschen die Haare schneiden.“

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Claus berichtet aus seiner Erfahrung, dass ein neuer Haarschnitt ein Anstoß für einen Neuanfang sein kann: "Wir haben einzelne Wundergeschichten erlebt, dass Menschen mit ihrer neuen Frisur, wieder einen Job und eine Wohnung gefunden haben."

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An diesem Tag im Franziskanerkloster schauen sich manche Menschen im Spiegel an und man hat das Gefühl, sie erkennen sich selbst kaum wieder. Ein gepflegtes Äußeres verändert den Blick auf sich selbst – die Menschen gehen oftmals selbstbewusster wieder weg, als sie gekommen sind.

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Pako, einer der Friseure, kommt aus Hamburg und ist Friseur in der vierten Generation. Wenn die Barber Angels einen Einsatz in einer anderen Stadt haben, dann reisen sie alle auf eigene Kosten an.

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Im Gespräch erzählt Pako mir etwas über seine persönliche Geschichte, warum er obdachlosen und bedürftigen Menschen die Haare schneidet.
Er spricht sehr offen darüber, dass er ein Nahtoderlebnis hatte, das ihn verändert hat: „Vorher war für mich Materielles krass wichtig, aber dieses Erlebnis und die Geburt meines Sohnes haben mich verändert. Ich glaube an Karma. Es kann so leicht passieren, dass man abrutscht. Wer weiß, wann ich mal Hilfe brauche.”

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Hier schneidet Pako ganz spontan dem Franziskaner, Bruder Johannes, die Haare, quasi von Bruderschaft zu Bruderschaft. Er ist bei den Barber Angels für die Region Hamburg zuständig. (Hamburger, wenn ihr das lest, ran an die Kotletten, kontaktiert Pako und rockt mit ihm ein Event für obdachlose Menschen in Hamburg.) Hier gibt es eine Angel-Map, auf der ihr die Barber Angels deutschlandweit finden könnt.

Vorher-Nachher: Bruno lebt seit vielen Jahren auf den Straßen von Berlin. Marc von den Barber Angels ihm die Haare geschnitten. Als Bruno im Anschluss wieder in den Speisesaal der Suppenküche kam, applaudierten ihm die anderen obdachlosen Menschen, da die Veränderung so drastisch war.

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Ich komme mit Alex ins Gespräch. Er hat Bone Crusher Pomade gegründet und versorgt die Barber Angels mit Bartöl und Pomade mit leckerem frischen Zitrusgeruch. Das Bartöl hat Alex extra in kleine Flaschen abgefüllt, so dass die Obdachlosen es einfach in die Hosentasche stecken können. Es war sehr berührend zu sehen, wie er ihnen das Bartöl überreichte und ihnen erklärte, wie sie damit ihren Bart pflegen können.

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Ich frage Alex was seine Motivation ist, warum er sich hier engagiert. „Ich bin echt null religiös, aber Jesus hat doch mal gesagt 'Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr mir getan.' Und es gibt da doch auch so eine Story in der Bibel von einem barmherzigen Samariter, der sich um Menschen in Not kümmert, oder?“

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Laila war mit ihrer Mutter Ramona zusammen hier vor Ort und hat gleich mit angepackt und die Haare zusammengefegt.

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Ramona erzählt mir, dass sie und Laila schon mehrfach an Aktionen der Barber Angels teilgenommen haben. Für sie ist es ein Weg, um ihre Tochter in der Auseinandersetzung mit dem Thema Obdachlosigkeit zu begleiten. „Laila erlebt hier, dass es nicht allen Menschen so gut geht, wie uns, aber, dass auch sie mithelfen kann, daran etwas zu ändern."

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Die ganze Aktion, bei der insgesamt über 150 Menschen einen kostenfreien Haarschnitt erhalten haben, ist nur zustande gekommen, wegen dieses Mannes: Bernd Backhaus, der Leiter der Suppenküche. Er war initiativ und hat die Barber Angels kontaktiert und sie nach Berlin eingeladen. Das war der Beginn dieser wunderbaren Aktion.

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Zum Abschluss des Tages kommen alle Barber Angels in der Suppenküche zusammen. Die Angels werden mit Applaus von den Menschen, denen sie heute die Haare geschnitten haben, empfangen und lassen noch einmal ihren gemeinsamen Schlachtruf ertönen: Der Gründer ruft "Barber" und alle antworten "Angels".

Wenn du Friseur bist und dein Talent und deine Zeit gerne einmal im Monat dafür einsetzen willst, obdachlosen Menschen die Haare und Bärte zu schneiden, dann schreib doch eine Mail an die Barber Angels, die auch hier in Berlin ein Team aufbauen wollen. #BeAnAngel

Wenn du nicht in Berlin wohnst, aber trotzdem gerne die Angels unterstützen willst, dann findest du hier eine Karte, die die Engel in deiner Gegend anzeigt.

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