Der Pimmelpreis der Musikautoren

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Ein Artikel von Christin Henkel.

Bisher stand ich dem Thema „zu wenig Frauen in der deutschen Musikbranche“ relativ entspannt gegenüber. Ich persönlich hatte nicht den Eindruck, aufgrund meines nicht vorhandenen Gemächts, einen Nachteil zu haben. Von vielen meiner männlichen Kollegen fühlte und fühle ich mich wertgeschätzt und unterstützt. Doch das scheint ein Einzelfall zu sein. Wie es wirklich aussieht, wurde jüngst von der GEMA veranschaulicht. Die Nominierten für den Musikautorenpreis 2018 stehen fest:

Kaum zu glauben – unter 21 Nominierten befindet sich nur eine Frau! Zur Erinnerung: Wir leben im Jahr 2018. Frauen ist es seit geraumer Zeit gestattet, zu komponieren und zu schreiben. Viele Weibchen tun es und eine Menge davon auch noch verdammt gut.

Wie kommt es also, dass dieser Fakt von der GEMA, die den Preis vergibt, einfach ignoriert wird?

Schauen wir uns doch mal die Juroren, welche für die Auswahl der Nominierten verantwortlich sind, genauer an: Simon Müller-Lerch, Helmut Oehring, Ralf Wengenmayr, René Berthiaume… Weiblicher wird’s nicht. Die Jury besteht ausschließlich aus Männern und das ist noch längst nicht das Ende der musikschöpferischen Pimmelpolonaise. Im Gema-Aufsichtsrat und dem GEMA-Vorstand sieht es kaum besser aus:

Jurysprecher Simon Müller-Lerch hat auf der Facebookseite der GEMA bereits Stellung bezogen: „Für mich hat Musik nichts mit Mann oder Frau zu tun, sie ist gut oder eben nicht, zieht dich mit oder lässt dich links liegen. Es wäre Musik gegenüber nicht fair und aufrichtig, danach zu urteilen, ob ein Mann oder eine Frau sie geschrieben hat. Das Thema Gleichberechtigung muss ganz oben stehen, sollte allerdings gerade in diesem Fall von den richtigen Seiten beleuchtet werden“, heißt es in seinem Post. Diese Aussage ist nicht verkehrt, aber da die Jury quasi nur Männer nominiert hat, bedeutet sein Statement im Subtext für mich nichts weiter, als dass Frauen nicht so gute Musik machen wie die männliche Konkurrenz.

Aber ist das wirklich so?

Natürlich nicht. Ob Mann oder Frau spielt bei der Qualität überhaupt keine Rolle. Wir Frauen sind schlichtweg in der Unterzahl. Nur 16% der GEMA-Mitglieder, sprich der professionellen Textdichter und Komponisten, ist weiblich. Ich selbst war in meinem Kompositionsstudiengang an der Münchner Musikhochschule jahrelang die einzige Frau. Doch auch, wenn wir der kleinere Anteil sind, müssen wir sichtbar und vor allem hörbarer werden. Es liegt an uns, die Initiative zu ergreifen, denn jede Urheberin hat die Chance, sich in der GEMA aktiv mit einzubringen. Ich möchte in Zukunft keine dieser Mi-Mi-Mi-Musikerinnen mehr sein, deren einzige Form von Protests darin besteht, traurig ins Macbook zu schauen, den Shitstorm auf der GEMA-Seite zu verfolgen und darüber zu sinnieren, wie schlimm und ungerecht die Branche ist. Auch, wenn allein beim Gedanken an eine tagelange GEMA-Mitgliederversammlung mein Körper automatisch in ein ausgedehntes Nickerchen verfällt – beim nächsten Mal werde ich wach und anwesend sein, um den Altherrenverein gemeinsam mit meinen Kolleginnen sanft aufzumischen. Wir haben das Glück, in einer Zeit zu leben, in der uns kein Mann das Komponieren und Musizieren verbietet kann. Um fair zu bleiben, muss man ebenfalls zugestehen, dass die GEMA das Problem ernst nimmt und das entstandene Ungleichgewicht beim diesjährigen Autorenpreis mit Sicherheit keine böse Absicht der einzelnen Juroren war.

In den letzten Jahren sah es zeitweise schon besser aus: Neben neunzehn weiteren Frauen wurden unter anderem Cäthe, Judith Holofernes und Annette Humpe ausgezeichnet. Warum 2018 keine Mia Aegerter, Elif oder Sarah Lesch nominiert wurden, bleibt ungeklärt. Wie auch immer das passieren konnte – der diesjährige Grand Prix der Pieschermänner muss ein Ausrutscher bleiben.

Danke für's Lesen. Ich gehe jetzt wieder an den Herd.

Die Autorin Christin Henkel ist außerdem Singer-Songwriterin, Musikerin und Kabarettistin. In ihrem Buch "Juhu, berühmt! Ach nee, doch nich – Unerhörte Abenteuer einer Musikerin" schreibt sie über die chaotische Welt der Musikbranche.

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