Das "Schwein" ist Fine-Dining-Adresse und Weinbar in einem
Zwei Irrtümer grasieren noch heute über das "Schwein", die es gleich zu Beginn dieses Artikels aufzuklären gilt: Das Restaurant ist längst nicht mehr in Mitte zuhause, sondern hat sich in der Charlottenburger Mommsenstraße unweit des Savignyplatzes niedergeleassen. Und auch das Angebot ist gewachsen: Früher verstand sich das "Schwein" primär als Weinbar. Heute spielt der Wein nach wie vor eine tragende Rolle, daneben gibt es jedoch auch exquisite Speisen auf hohem, wenn nicht gar Sterne-Niveau, die weit mehr als begleitendes Barfood sind.
Schlichtes, aber modernes Interieur
Was bei unserem Besuch sofort auffällt: Für eine Fine-Dining-Adresse ist das "Schwein" erstaunlich schlicht eingerichtet. In dem gedämpft ausgeleuchteten Räumen gibt es unauffällige, wenngleich gemütliche Sitzmöglichkeiten, ein hölzernes Schwein ist neben zwei Lichtdesigns, die anstelle von Gemälden die Wand zieren, das einzige Dekorationslement. Auch der Tresen ist schlicht gehalten, der Fokus liegt auf den Spirituosen, ebenso fallen die zahlreichen Weinschränke auf, die im Restaurant zu finden sind.
Die Karte gibt erste Anhaltspunkte über die Speisen, verrät jedoch nur schlagwortartig, was die Gäste erwartet. Da wir ohnehin nicht wissen, welche Rafinessen hinter den einzelnen Gerichten stecken, lassen wir uns gerne auf das viergängige Überraschungsmenü ein, das mit 65 Euro erstaunlich günstig ist. Weil wir an dem verregneten Abend keine weiteren Pläne haben und ja primär zum Genießen gekommen sind, entscheiden wir uns zudem für die korrespondierende Weinbegleitung. Das ist in einem Laden wie dem "Schwein" schon fast Must-do, schließlich war die Grundidee hinter dem Namen eine Weinbar. Noch heute finden sich 254 Weine auf der Karte, Gin-Liebhaber haben die Qual der Wahl unter 103 verschiedenen Wacholderschnäpsen.
Los geht's mit "Chips & Crackers"
Wie ernst es dem Team um Küchenchef Christopher Kümper und Gastgeber David Monnie ist, zeigt sich bereits beim Starter, der auf der Karte schlicht als "Chips & Crackers" angeteasert wird, sich jedoch als getrocknetes Gemüse mit wunderschönen Farben und einem wahnsinnig intensiven Geschmack zeigt. Ebenso farbig ist der darauffolgende Gang: Unter fein geschnittenen Scheiben Rote Beete verstecken sich kleine Forellen-Häppchen, die vor allem mit dem Schmandbett eine schöne Symbiose eingehen.
Das gestockte Ei, das in seinem Schälchen eher wie eine kleine Suppe wirkt, ist in Kombination mit einer ordentlichen Portion Lauch feinste Hausmannskost, wenngleich diese extrem kleinteilig dekoriert ist. Raffiniert sehen auch die beiden Hauptspeisen aus, neben dem "Fang des Tages" wird uns das, na klar, Weideschwein serviert. Da auch im "Schwein" die Devise "From head to toe" gilt, weiß der Gast nie, welches Stück er bekommt. Wir zumindest sind mit unserem Schweinebauch, der ebenso zart wie knusprig ist, vollends zufrieden. Eine Note Hausmannskost bekommt auch dieses ansonsten sehr verspielt angerichtete Gericht durch die begleitende Portion Grünkohl mit Einlage, die wie schon in der getrockneten Version als Cracker extrem gut gewürzt ist.
Wie experimentierfreudig das Team ist, zeigt sich abschließend noch einmal beim Nachtisch. Weiße Schokolade trifft auf Kürbis-Schnitze, Nüsse und getrocknete Pflaume, das Ganze angerichtet in einer Art Miso-Dressing. Der Kontrast auf dem Teller wirkt merkwürdig zusammengewürfelt, gleichwohl ergibt der Mix im Mund einen Sinn, so dass das bunte Farbenspiel auf dem Teller wunderbar zu den unterschiedlichen Geschmäckern passt. Auch der Desertwein, der wie alle Weine des Abends vom Sommelier des Hauses mit ausführlichen Erklärungen gereicht wird, passt einmal mehr zum süßlichen Gang.
Wer ins "Schwein" einkehrt, muss Muße mitbringen. Denn gutes Essen wird in dem Charlottenburger Lokal geradezu zelebriert. Doch auch wer nur auf ein Gläschen Wein oder einen guten Drink einkehren möchte, ist herrzlich willkommen. Wir haben aus auf jeden Fall geschworen, bald wiederzukehren, und sei es dieses Mal nur für einen guten Gin-Tonic.
Unbedingt probieren: das Weideschwein!
Veggie: Es gibt vegetarische Optionen, doch allein der Name des Restaurants deutet darauf hin, dass hier vor allem Fleischliebhaber zum Zug kommen.
Besonderheit des Ladens: das entspannte, zugleich aber moderne Ambiente
Mit wem gehst du hin: Pärchen, Freunde und sogar Familien finden den Weg ins "Schwein", oft kommen auch "Singles" auf einen Sprung vorbei, um zum Feierabend ein Glas Wein zu trinken
Lärmfaktor: Der Laden ist sehr verwinkelt und deshalb ziemlich ruhig.
Preise: Das Vier-Gang-Menü kostet 65 Euro, ihr könnt aber auch à la carte bestellen, dann kostet jedes Gericht etwa zwischen 10 und 16 Euro
Schwein | Mommsenstraße 63, 10629 Berlin | Montag – Freitag: 18–0 Uhr, Samstag: 18–2 Uhr | Mehr Info
Wir wurden von dem Restaurant eingeladen, das beeinflusst aber nicht unsere ehrliche Meinung.
Max Müller