Bin ich ein schlechter Vater, wenn mein Kind nach Bier riecht?

© Rike Schäfer

Die Kolumne „Cool trotz Kind“ ist für alle Eltern da draußen. Und für die, die es werden wollen. Autor Clint erklärt, wie ihr auch mit Kind euer Gesicht wahren könnt. Vor euch und der Welt. In dieser Folge erzählt er davon, wie er mit seiner Tochter die Freizeit gestaltet.

Kann man cool bleiben, auch wenn man ein Kind hat? Ja. Nein. Keine Ahnung. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nichts mehr. Seit der Trennung geht’s bei mir drunter und drüber. Die Mutter meiner Tochter und ich verstehen uns zum Glück noch sehr gut. Wir teilen uns das Kind halbwöchentlich. Sind dabei auch flexibel und entlasten uns, wo wir können.

Trotzdem führt diese Regelung bei mir zu einer etwas schizophrenen Situation. Denn in der einen Wochenhälfte bin ich nun alleinerziehender Vater. Die Tage drehen sich dann zu 100 Prozent um das Kind. Man ist von morgens bis abends beschäftigt. Ich will gar nicht jammern. Da muss ich jetzt durch. Trotzdem soll fürs Protokoll festgehalten werden, dass meine Persönlichkeit in diesen Tagen nur rudimentär stattfindet.

Seit der Trennung geht's bei mir drunter und drüber

In der anderen Hälfte der Woche hingegen bin ich plötzlich vollkommen frei. Es ist wie früher, als ich kein Kind hatte. Anfangs konnte ich damit nicht viel anfangen. Stand ein wenig belämmert vor den unbegrenzten Möglichkeiten. Doch inzwischen nehme ich sie ungehemmt wahr. Mach die Nächte durch, geh wieder feiern, bin eigentlich nur noch minutenweise zu Hause, um hastig zu duschen und meine Klamotten zu wechseln.

Was außerdem noch dazu kommt, ist, dass meine Tochter gerade einen sehr dominanten Charakter entwickelt. Sie fängt an, mich zu bemuttern.

„Papa, du musst eine Mütze aufsetzen. Dir wird sonst kalt.“

„Ja, hast ja recht.“

„Warum liegt da ein Hemd auf dem Boden?“

„Was für ein Hemd?“

„Im Schlafzimmer. Ich mach’s in die Waschmaschine, gut?“

Mit hochgezogenen Augenbrauen trägt sie das Hemd ins Bad. Irgendwie süß. Auf der anderen Seite bin ich genau aus dem Grund mit siebzehn zuhause ausgezogen. Weil ich nicht dauernd jeden meiner Schritte erklären wollte.

Wenn man vom eigenen Kind bemuttert wird

Das ist also die Lage. Meine Tochter und ich haben uns beide noch nicht an die neuen Lebensumstände gewöhnt. Natürlich gibt es dadurch Tage, an denen ich mit dem Kopf nicht ganz bei der Sache bin. Es bietet sich an, das Kind mit Süßigkeiten und Zeichentrickfilmen zu bestechen. Sie freut sich darüber und ich kann derweil versuchen, mein Leben zu ordnen.

Doch genau an dem Punkt ist mir dann aufgefallen: Wie scheiße ist das denn? Nur weil sie so ein genügsamer Engel ist, muss ich das doch nicht ausnutzen. Wird Zeit, dass ich klarkomme. Zumal es so einfach ist, ihr eine Freude zu bereiten.

Sie liebt zum Beispiel die Pfandautomaten im Supermarkt. Stundenlang kann sie sich damit beschäftigen, Flaschen und Dosen reinzuschieben. An Leergut mangelt es bei mir nie. Ich packe also ein paar Taschen voll damit und rufe:

„Gehen wir Pfand wegbringen?“

Da müsstet ihr mal das Leuchten in ihren Augen sehen. Klar kommt es vor, dass sie sich im Eifer mit Bier-Resten vollschüttet. Wenn wir danach zum Schaukeln auf den Spielplatz gehen, schauen die anderen Eltern bisweilen etwas verstört. Aber da müssen sie durch.

Ich zwinge mich jeden Tag, etwas besonderes mit meiner Tochter zu machen. Irgendwas, das sie noch nie getan hat. An Silvester zum Beispiel. Bis jetzt sind wir zu dem Anlass immer aus Berlin geflohen. Ist auch das Vernünftigste, was man tun kann. Doch diesmal dachte ich, scheiß drauf. Wir machen das jetzt einfach mal.

Ich zwinge mich jeden Tag, etwas besonderes mit meiner Tochter zu machen

Ihre Augen, als ich sie um halb zwölf geweckt und als sie begriff, dass wir jetzt nach draußen gehen, obwohl es mitten in der Nacht ist. Aus verschiedenen Gründen glaubt sie, der Flakturm im Humboldthain sei eine Seeräuber-Festung. Ich schnall mir also eine Stirnlampe um, setze ihr Ohrschützer auf und klettere mit ihr durch die Dunkelheit auf den Trümmerberg.

Was soll ich sagen? So ein schönes Feuerwerk hab ich noch nie gesehen. Weil ich es als Spiegelung in ihren Augen betrachtet habe. Ganz hingerissen stand sie da und beobachtete, wie die Weddinger „Seeräuber“ ihres Amtes walteten. Wir selbst hatten nur eine einzelne Wunderkerze dabei. Doch auch die war etwas Besonderes. Mein Kind war dermaßen andächtig, als sie abgebrannt ist. Beinahe ein frommer Moment.

Es sind solche Augenblicke, die mir zeigen, dass ich mich am Schlüpfer reißen muss. Das Leben ist manchmal schwierig. Aber dafür kann meine Tochter nichts. Im Gegenteil, ich muss sie so lange davor bewahren wie möglich. Deshalb bemühe ich mich, Tag für Tag den Arsch hochzukriegen. Ihr zuliebe ist es die Mühe allemal wert.

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