Ziemlich, wahnsinnig, mega, super – Mit welchem Wort übertreibst du am liebsten?
Lieblingswörter hatte man genau wie Lieblingstiere zuletzt vor den Sommerferien in der dritten Klasse, danach wurde man zügig erwachsen und trug nur noch schwarz. Was soll dann also dieser Artikel? Die Erklärung ist ziemlich einfach: Hört man mal genau hin, findet sich bei fast jeder Person im Sprachschatz ein Wort, mit dem sie wahnsinnig gerne Übertreibungen vornimmt. Ist meistens superanstrengend und übelst berechenbar, aber andererseits manchmal auch sehr lustig, wenn einem mal auffällt, wie megaoft man ultra sagt und damit eigentlich unfassbar meint. Nur so als Beispiel. Voll verwirrend? Absolut. Deshalb hier eine end lange, aber auch unglaublich informative Liste:
1. Super
Alles ist bei dir super? Super. Super geil, super schön, super cool. Super verträgt sich mit fast allen Adjektiven, ist international in weiten Teilen der Welt verständlich und passt zu jeder Gelegenheit. Super ist auch ein kleiner Sonnenschein, denn selbst super hässlich klingt irgendwie noch ganz nett. Dementsprechend ist dieses Adverb leider schon ein wenig abgenutzt und verfehlt den gewünschten Verstärkungseffekt. Der Dackel holt den 6. Platz beim Schönheitswettbewerb? Super. Benzin? Super. Der GAU? Super. Jemand sagt in letzter Sekunde ab? Na super.
2. Mega
Nach super kommt sofort mega. Noch riesiger, noch krasser, aber dafür auch ein bisschen trashiger. Mega-Hits, Mega-Stars, Mega-Konzerne, damit will man ja eigentlich lieber nichts zu tun haben. Andererseits: Mega ist fast schon giga und das ist ja schon ziemlich heftig. Wenn es auf die Größe ankommt, ist also mega super. Oder giga.
3. Ultra
Wer am liebsten mit ultra steigert, ist entweder FußballfanatikerIn oder SlipeinlagenverwenderIn. Eine Sache ultrageil zu finden, ist ein starkes, forderndes Statement und schrammt immer an der Grenze zur Überdrehtheit. Außerdem ist diesem Adverb auch eine gewisse Aggression zu eigen – ultra ist das linguistische Pendant zum brennenden Bengalo in der Faust und sollte dementsprechend aus Sicherheitsgründen gegen eine Wunderkerze (sprachlich: sehr) getauscht werden.
4. Wahnsinnig
Mit wahnsinnig zu steigern, ist komplett, pardon, irre. Wenn alles Wahnsinn ist (wahnsinig gut, wahnsinnig laut, wahnsinnig verrückt), was ist dann wirklich der Wahnsinn? Wenn schon sprachlich die Grenze zwischen Normalität und Wahn verwischt, wie soll mann denn dann erst Stranger Things aushalten? Müssen wir erst auf Wolle Petry verweisen, damit dieser Wahnsinn endlich ein Ende hat?
5. Unfassbar / unglaublich
Das perfekte Adverb für Skeptiker und Verschwörungstheoretiker. Die Dinge sind erst dann richtig gut (oder schlecht), wenn sie mit den Fähigkeiten des eigenen Verstandes nicht mehr erfasst werden können. Ergo stößt man dann auch sprachlich schnell an seine Grenzen und vermag die Großartigkeiten (und Abgründe) des Daseins nur noch damit zu erklären, dass sie nicht mehr vorstellbar sind. Das wiederum ist ein bisschen wahnsinnig, aber vor allem unfassbar schade.
6. Übelst
Klare Sache: hier hat jemand entweder 14 Semester in Leipzig Soziologie studiert oder kommt gebürtig aus einem der neuen Bundesländer. Der regional beliebteste Superlativ zwischen Greifswald und Chemnitz klingt am schönsten nach dem dritten Sterni, schön rausgespeichelt mit kehligem, langgezogenem Anlaut und einem spitzen, leicht angesabberten "-st" am Ende, das mit steigendem Pegel gerne auch als blosses "-ssss" versummt. Ja, übelst tut ein bisschen weh, aber das stetige Leiden unter den Umständen ist man im Verwendungsraum gewohnt und hat es in übelst langer Arbeit zur Perfektion gesteigert.
7. End
Des kennst bloß, wennst aus Bayern kimmst! Denn nur da wird im Begeisterungsbereich vorzugsweise mit end gearbeitet und hat schon so manch Komplikation mit Menschen von oberhalb des Weißwurstäquators ausgelöst. Für ungeübte Ohren klingt es ehrlich gesagt ultrabescheuert, wenn einer von einem „end schönen“ Wochenendausflug am Chiemsee erzählt. End eröffnet nicht die Skala nach oben oder unten, es setzt viel mehr einen End(!)punkt. Schöner (oder schlimmer) wird’s nimmer. Zugegeben, diese Erklärung ist erfunden. Naja, end of story.
8. Voll
Voll positioniert sich schüchtern in der Nähe von super, kommuniziert aber je nach Kontext im alltäglichen Sprachgebrauch noch mehr Empörung („Voll gemein!“), Enttäuschung („Voll langweilig!“) oder schlicht: Masse („Voll viel!“) mit. Überhaupt verstärkt voll weniger emotional, sondern zumeist quantitativ. Eigentlich ja voll schön, diese relative Sachlichkeit, aber dadurch natürlich auch ein bisschen weniger potent. „Voll geil“ rangiert ungefähr auf dem Level von sehr geil, also eigentlich – den Jugendsprachenfaktor rausgerechnet – normal.
9. Absolut
Jetzt geht’s ums Ganze. Absolut maßt sich an, endgültige, alternativlose und undemokratische Urteile zu fällen, siehe auch: Absolutismus. Durch diesen „Ganz oder gar nicht“-Subtext ist absolut das Binärsystem unter den Adverben. "Absolut unmöglich" lässt keine Widerrede zu. "Absolut geil" vermag niemand mehr zu steigern. Jetzt erklärt sich wenigstens auch der Name des bekannten Vodkas, denn zu mehr als einfachen Top-Flop-Entscheidungen ist man nach einer Flasche auch nicht mehr fähig.
10. Sehr
Es wird classy. Die Verwendung von supermegaübelstultra ist nämlich rein stilistisch gar nicht so nobel, außer natürlich bei sehr. Sehr ist bekannt für große Klassiker wie „Bittesehr“ oder „Sehr geehrte Damen und Herren“ und steigert mit blasshäutiger Eleganz jedes Adjektiv ein wenig, aber eben nicht zu sehr. Der Unterschied zwischen schön und sehr schön macht sich nur durch ein kleines glückliches Gluckern im Belohnungszentrum im Gehirn bemerkbar. Sehr schlimm dagegen: ein gefälliges „seeeeehr geil“.
11. Ziemlich
Klar, der Kandidat für Understatement trödelt zum Schluss rein. Ziemlich ist wie eigentlich, nur ein bisschen krasser. Aber eben auch nur ein bisschen, denn zu viel Enthusiasmus und Überzeugung will man ja dann doch nicht preisgeben. „Ziemlich geil“ sagt man zum Beispiel lässig zurückgelehnt auf einem Sitzsack hängend, während einem der Kumpel grade paar neue Beats zeigt, die wahrscheinlich ziemlich schlecht sind, aber so genau kennt man sich mit Rap dann doch nicht aus und dann sagt man eben „Ziemlich geil“. Ziemlich steht also im Zweifelsfall auch immer ein bisschen für Ahnungslosigkeit. Aber das tarnt man einfach nonchalant als Desinteresse. Ziemlich clever.