Wieso erwarten mit 30 plötzlich alle von mir, dass ich Kinder kriegen will?

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Das Leben, es könnte so einfach sein: Den perfekten Partner finden, Kinder bekommen, heiraten, auf ewig glücklich sein. Die Werbung sagt mir das, die Zeitschriften sagen mir das, Instagram sagt mir das. Meine Realität sagt mir etwas anderes: Ich bin dreißig, beruflich und in Liebesdingen unbeständig, an Wochenenden verkatert und habe keinen Kinderwunsch. Irgendetwas kann doch einfach nicht mit mir stimmen, oder? Aber verdammt, ich bin glücklich. Auch ohne Kinder. Darf ich das denn?

Was wirklich nervt, sind die Versuche mich bekehren zu wollen.

Ich selbst denke gar nicht so viel über das Thema nach. Das Problem ist, dass viele andere für mich darüber nachdenken. Und das ist das eigentlich Bemerkenswerte an der Sache: Keine Kinder zu wollen war für mich nie ein Thema, bis es für mich zu einem gemacht wurde. Egoistisch und selbstsüchtig sollte ich mich fühlen. Ich sollte verstehen, den "falschen" Weg eingeschlagen zu haben, damit die, die den "richtigen" Weg gingen, sich bestätigt fühlten. Dabei will ich doch nur eines: Mich nicht rechtfertigen müssen.

Ich bin 30, beruflich und in Liebesdingen unbeständig, an Wochenenden verkatert und habe keinen Kinderwunsch. Irgendetwas kann doch einfach nicht mit mir stimmen, oder?

Ich bin dreißig und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass da nicht irgendetwas in mir tickt. Ich bin in Ostberlin groß geworden und die meisten meiner Freunde hatten junge, umwerfende Mütter in ihren Zwanzigern. Für mich war immer klar, dass auch ich einmal eine junge, umwerfende Mutter in den Zwanzigern sein wollte: voller Liebe, Energie und wahnsinnig cool. Mit diesem Wunschbild bin ich aufgewachsen. Doch für mich kam es eben anders. Meine Zwanziger wurden zu einem emotionalen und beruflichen kleinen Wirbelsturm und ich möchte nichts davon missen. Kinder wären undenkbar gewesen. Und das bleiben sie auch jetzt.

Für mich war immer klar, dass auch ich einmal eine junge, umwerfende Mutter in den Zwanzigern sein wollte: voller Liebe, Energie und wahnsinnig cool.

Versteht mich nicht falsch, ich liebe Kinder. Ich liebe auch das ganze Gewusel drumherum. Doch ich bin eben auch froh, wenn ich wieder nach Hause darf, um auf der Couch eine neue Serie anzufangen, Wein zu trinken und nebenbei am Laptop meine nächste Reise zu planen oder doch noch spontan auf die Party zu gehen, von der ich schon vorher weiß, dass sie in hemmungslosem Exzess enden wird. Ich mag, dass meine Brüste dem Spaß in meinem Leben vorbehalten sind und die einzigen Bedürfnisse, die ich beachten muss, die von meinem Hund sind.

Wir sollten endlich damit aufhören, Leben vergleichen zu wollen.

Was wirklich nervt, sind die Versuche mich bekehren zu wollen. Mir ein Baby in den Arm zu drücken, um mich zu fragen, ob das nicht meinen Mutterinstinkt weckt. Mir die Vorzüge von einem Familienleben zu erklären, obwohl ich gerade wieder ein Händchen für erfolglose Männergeschichten bewiesen habe und nicht mal sicher bin, ob ich mich überhaupt auf Männer festlegen will. Oder auf irgendetwas anderes. Wer sagt denn auch, dass ich das muss? Ein Leben voller Optionen ist nicht automatisch ein unglückliches. Im Gegenteil. Ich möchte so viel ausprobieren wie möglich. Und das ohne schlechtes Gewissen.

In meinem Freundeskreis gab es sowohl geplante als auch ungeplante Schwangerschaften. Es gab Schwangerschaften, die schief gingen und welche, die unbedingt gewünscht, aber auf natürlichem Wege nicht möglich waren. Bei jeder einzelnen habe ich mitgefiebert. Und jedes Mal, wenn aus einer Freundin auf einmal auch eine Mutter wurde, war ich furchtbar stolz auf sie. Trotzdem bleibt mein Weg nun mal ein anderer.

Kinder machen die Menschen, die sie bekommen, nicht besser oder schlechter als andere.

Kinder machen die Menschen, die sie bekommen, nicht besser oder schlechter als andere. Wir sollten endlich damit aufhören, Leben vergleichen zu wollen. Wenn du morgen beschließt in einem Baumhaus in Miami leben zu wollen, eine Riesenschildkröte zu adoptieren und nur noch grün tragen zu wollen, ist das völlig okay. Wir haben nur dieses eine Leben und mit dem sollten wir machen dürfen, was wir wollen.

Dieser Artikel wurde von Jalda Albrecht geschrieben.

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