Warum es wichtig ist, dass wir unsere Vulven lieben – und wie wir es lernen können

© Foto: Nora Tabel/Artwork: Stefanie Braun

Ich sitze im Kreis mit vier Frauen, die nichts weiter tragen als einen Lungi, einen traditionellen Wickelrock. Meine Kamera liegt neben mir, während Iva erklärt, was hier heute passieren wird. "Wir schaffen einen sicheren Raum, in dem jede sein kann, wer sie ist und wie sie ist. Jede von uns wird einmal nackt auf dem Thron sitzen, angeschaut und verehrt werden. Danach darf sich jede einmal ihre Vulva dekorieren und ablichten lassen." Paula bereitet in der Zwischenzeit Kakao zu, den wir mit einem Mantra trinken werden. Das Ganze klingt ziemlich spirituell angehaucht. Ist es wahrscheinlich auch. Aber die Message dieses Workshops ist bodenständiger und aktueller denn je: Alle Vulven sind schön.

© Nora Tabel

Ich bin Fotografin mit psychologischem Background. Zusammen mit Iva, einer Sextherapeutin, habe ich eine Facebook-Gruppe gegründet, die sich The Body Revolution nennt und sich hauptsächlich an Frauen richtet. Wir beide sind davon überzeugt, dass sich viele Dinge im Leben von Frauen ändern, wenn sie ihren Körper mehr wertschätzen und weniger hassen. Dabei geht es weniger um die Optimierung des Körpers, als um völlige Hingabe zu dem, was bereits ist. Und so haben wir einen Workshop ins Leben gerufen, der vor allem die Diversität und Schönheit der Vulva feiert.

Wir wissen gar nicht, wie Vulven aussehen

Für Frauen ist es grundsätzlich erstmal nicht so einfach, ihre Vulven und Vaginas zu vergleichen, wie das bei Männern der Fall ist. Wer schon mal in einer Sauna war, weiß, wie leicht es ist, unterschiedliche Penisse zu sehen. Vulven jedoch sind anatomisch einfach gut vor Blicken geschützt, die unterschiedlichen Facetten nicht sichtbar. Gängige Schönheitsideale und die sensible Zeit der Pubertät sorgen erst Recht für eine generelle Unsicherheit dem eigenen Schoß gegenüber.

Um meine Freundin Britta, die zusammen mit Iva als IVA Samina Workshops rund um Sexualität anbietet, zu zitieren: "Es gibt tatsächlich auch im Jahr 2017 Frauen, die sich noch nie in Ruhe ‘untenrum‘ betrachtet haben, weil sie von Scham, religiösen Bedenken oder Angst vor dem, was sie dort aus Sicht des globalen Schönheitsideal-Wahns an optimierungswürdigen Falten und Haaren erwartet, abgehalten wurden. Abgeschreckt von dem kulturellen Verbot, sich in kontemplativer Ruhe oder auch spielerischer Neugier sein eigenes Genital, geschweige denn das eines anderen Menschen anzusehen. Nein, ich rede nicht von dirty lesbian pussy play oder cervix masturbation porn. Sondern von mal ganz in Ruhe anschauen und auf sich wirken lassen."

Natürlich finden Männer Muschis geil, aber von einer fremden Frau ohne sexuelles Interesse gesagt zu bekommen, dass sie meine Vulva schön findet, hat eine ganz andere Qualität.

Und so sitzen wir in diesem Kreis aus nackten Frauen, offen für die Begegnungen, ehrlich mit unseren Gefühlen und bestärkend mit unserem Zuspruch. Wir bestaunen unsere Vulven, ihre Unterschiedlichkeit, ihre Schönheit, zeigen unsere Verletzlichkeit, unsere spielerische Neugier und die neugewonnene Sicherheit. "Natürlich finden Männer Muschis geil, aber von einer fremden Frau ohne sexuelles Interesse gesagt zu bekommen, dass sie meine Vulva schön findet, hat eine ganz andere Qualität", sagt eine Teilnehmerin, während sie Rosenköpfe auf ihrem Venushügel dekoriert.

© Nora Tabel
© Nora Tabel

Ich fotografiere mich durch das warme Wohnzimmer, gehe von einer Vulva zur nächsten. Immer neue Ideen und Positionen entstehen. Eine beinah kindliche Freude hüpft kichernd durch den Raum. Die Körperhaltungen werden immer sicherer, mutiger. Messer schneiden Früchte. Granatapfelsaft läuft die Beine herunter. Rosen und Federn werden umhergereicht. Beine spreizen sich. Schamlippen werden auseinandergezogen und zurecht gelegt. "Geht das so? Wow, fühl ich mich nackt." – "Schön schaut das aus!" Experimente mit Spiegeln entstehen. Gruppenbilder werden inszeniert.

Es entsteht eine Energie im Raum, die kraftvoll dafür steht, wie es eigentlich sein sollte: völlige Akzeptanz, Toleranz, Heilung von alten Wunden und Unterstützung für mich und die, die mich umgeben. Was wir aus diesem Workshop mitnehmen, ist die Erkenntnis darüber, was passiert, wenn man sich unter Frauen verbindet und miteinander statt gegeneinander arbeitet. Dass wir alle wertvoll und schön sind. Und das kleine bisschen mehr Selbstvertrauen in den eigenen Schoß, was wiederum zu mehr sexueller Freude, weniger Scham und generell mehr Selbstbewusstsein führt. In diesem Sinne: Viva La Vulva!

Wer jetzt Lust auf einen Vulva-Workshop hat oder mehr über IVA Samina erfahren will, sollte auf jeden Fall hier vorbeischauen.

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