"Tinder ist der Untergang!" – Wie geht man am besten mit einem geplatzten Date um?

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von Sophia Hembeck

Und da steht man plötzlich. Geschminkt. Angezogen. In voller Montur an der Eberswalderstraße und schreibt: „Fick dich!“ in sein Handy. Drückt auf „User blockieren“, atmet kurz durch und scannt die Umgebung nach dem nächsten Späti oder einer Bar. Man sollte jetzt in eine Bar gehen. Der Späti ist was für jemanden mit Würde. Für jemanden, der stolz sein Bier alleine trinken kann. So jemand ist man gerade nicht. Man braucht Gesellschaft. Irgendwen, der einen über das Bier hinweg anstarrt. Irgendwen? Naja, vielleicht nicht ganz egal wer, aber man ist immerhin innerhalb von einer Stunde bis ans andere Ende der Stadt gefahren, nur um ein Foto zu treffen, das man in einem belanglosen Moment mal ausnahmsweise nach rechts geschoben hat. Von Würde und „Independent Women“ kann man nicht gerade sprechen.

Im Film wäre spätestens jetzt ein gutaussehender Typ in die Bar reingestolpert.

„Bekacktes Tinder“. Schreibt man einer Freundin schnell, noch bevor man sich vor einem kühlen Bier in einer erstaunlich verrauchten Kneipe wieder findet. „Tinder ist der Untergang“, schreibt man einer anderen. Im Film wäre spätestens jetzt, also spätestens in diesem Moment ein gut aussehender Typ in die Bar reingestolpert. Die Protagonistin, ein bisschen fertig, aber immer noch hübsch genug, leicht angeschwipst am Tresen, hätte ihn natürlich zuerst einmal gar nicht bemerkt und nach ein paar harschen Kommentaren ihrerseits hätte er sich gedacht: "Diese Frau muss etwas ganz Besonders sein. Wie sie so halbbesoffen an einem Dienstagabend alleine in dieser Kneipe sitzt und mich anfaucht, weil ich sie nach einer Kippe frage."

Was ist beim anderen passiert, das Date innerhalb einer Stunde erst zu- und dann abzusagen?

Dann würden Zufälle uns immer wieder zueinander treiben. Ein paar Mal müsste ich dafür irgendwo hinfallen, weil ich so süß, aber auch ein bisschen tollpatschig bin. Haha. Ich Tollpatsch. Hupsi. Schon wieder umgefallen. Schwerkraft! Haha! Leider ist mein Gleichgewichtssinn zu gut. Da müsste schon jemand kommen und mich von diesem Barhocker runterwresteln. Aber es kommt sowieso kein Typ rein. An diesem Dienstagabend bin ich wohl die Einzige, die von ihrem Tinder-Date fünf Minuten vorher versetzt wurde. Einem Date, das der blöde Tinder-Typ eine Stunde vorher vorgeschlagen hatte. Was ist wohl in diesen 55 Minuten bei dem anderen passiert?

„Hm. Mir ist langweilig. Ich sollte mich mit jemandem treffen. Ich schreib mal allen Matches. Oha. Die hat in einer Stunde Zeit. Okay, nehm ich. Hm. Was ist, wenn die nicht so aussieht wie auf dem Foto? Was ist, wenn. Moment mal. Welcher Mensch mit Klasse hat denn innerhalb einer Stunde spontan Zeit?! Ich sag mal lieber wieder ab. So, und jetzt Netflix.“

Tinder ist der Untergang, aber von was eigentlich?

So oder so ähnlich wird es wohl gewesen sein, denke ich, während ich da sitze und an meinem Bier nippe. Ich würde jetzt auch lieber Zuhause in meinem Schlafanzug sitzen und den Kardashians bei ihren dramatischen Belanglosigkeiten zugucken. Stattdessen muss ich jetzt hier sitzen, bis ich diese Bar ausgetrunken habe. Und dann bin ich gleich richtig schön angetüdelt, weil ich anfange, das Bier zügig runterzukippen, um die Zeit zu verkürzen. Auf dem Weg nach Hause verabrede ich mich dann mit drei Typen auf Tinder, denen ich allen kurz vorher wieder absage. Aus Rache. Ausgleichende Gerechtigkeit und so.

Als ich später im Bett liege, antwortet mir meine Freundin endlich: „Der Untergang von was eigentlich?“, fragt sie. Lächelnd schlafe ich ein und denke an die Männer, die jetzt irgendwo am Ostkreuz stehen und sich nach der nächsten Bar umschauen.

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