Sind Eltern unsexy?

© Clint Lukas

Die Kolumne „Cool trotz Kind“ ist für alle Eltern da draußen. Und für die, die es werden wollen. Autor Clint erklärt, wie ihr auch mit Kind euer Gesicht wahren könnt. Vor euch und der Welt. In dieser Folge stellt er sich die kritische Frage, ob Eltern noch fickbar sind.

Kann man cool bleiben, auch wenn man ein Kind hat? Seien wir ehrlich: Nein. Die echten Outlaws haben keine Kinder. Man kann vielleicht irgendwann wieder cool sein, wenn die Plage auf eigenen Beinen steht. Und man sich endlich um seinen eigenen Kram kümmern kann. Aber bis dahin sieht’s trübe aus. Wer sich mit Windeln, Puppen und debilen Kinderbüchern rumschlagen muss, wird merkwürdig.

Und das ist noch nicht alles. Ich habe grade so ein mulmiges Gefühl. Bisher hab ich mir eingebildet, wie ein geistig gesunder Mensch mit meiner Tochter zu reden. Als sie noch ganz klein war, konnte ich mir problemlos das „Dutzi, dutzi, dutzi“ verkneifen. Ich habe nie verniedlichende Wortschöpfungen benutzt. Und ich war immer der Meinung, dass ich meine Stimme nicht unnatürlich verstelle – bis letzte Woche.

Wer sich mit Windeln, Puppen und debilen Kinderbüchern rumschlagen muss, wird merkwürdig.

Da hab ich nämlich ein Video gesehen, das meine Freundin aufgenommen hat. Am Ende lobe ich meine Tochter: „Gut gemacht“, sage ich. Glaubt mir, ich weiß, wie meine Stimme sich normalerweise auf Aufnahmen anhört. Aber das da bin doch unmöglich ich! Mit einem Schauder der Scham lausche ich den Worten nochmal. Hilfe! Ich höre mich an wie ein Moderator in einer Kindersendung. Würdelos. Als würde ich mich auf Augenhöhe mit einem Meerschweinchen bewegen. Einem ganz süßen, flauschigen, quirligen Meerschweinchen.

Wie soll man mit seinem Partner je wieder Sex haben?

Ich habe seitdem mal genauer darauf geachtet. Und es passiert mir nicht oft. Nur manchmal, wenn ich mit meiner Tochter diskutiere und völlig auf sie konzentriert bin. Und wenn es mir dann auffällt, denke ich jedes Mal: Gott! Wie soll meine Freundin mich jemals wieder als Sexualpartner in Erwägung ziehen? Oder sonst irgendjemand?

Sind Eltern entsexualisiert? Oder schlimmer noch: unsexy? Bisher hab ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Aber jetzt lässt mich der Verdacht nicht mehr los. Ich werde paranoid. Es geht ja nicht nur darum, WIE man mit dem Kind redet. Sondern auch WAS.

Gestern in der M10, Höhe Mauermuseum.

Tochter: „Ein Bagger!“
Ich: „Ja.“
„Ein gelber.“ – „Ja!“
„Hast du den Bagger gesehen?“ – „Ja.“
„Hast du auch richtig hingekuckt?“ – „Ja.“
„Warum stehen wir hier?“ – „Weil die Ampel rot ist.“
„Wann fahren wir weiter?“ – „Wenn sie grün wird.“
„Warum?“

Aus dem Augenwinkel sehe ich lächelnde Menschen. Die finden das niedlich. Die berüchtigte „Warum-Phase“. Ist ja auch in Ordnung. Und ich bemühe mich, soviel zu erklären wie möglich. Geduld mit meiner Tochter zu haben. Aber das geht so von morgens bis abends. Ich werd noch weich in der Birne.

Nach unten zu schauen schränkt den Horizont ziemlich ein.

Ist ja nicht so, dass das Hirn großartig stimuliert wird, wenn man sich in den Denkmustern eines Kleinkindes bewegt. Und man muss auch immer nach unten schauen! Den ganzen Tag schau ich nach unten, weil da halt das Kind unterwegs ist. Doch merke: Nach unten zu schauen schränkt den Horizont ziemlich ein. Da lernt man auch keine Frauen kennen.

Ist ja nicht so, dass das Hirn großartig stimuliert wird, wenn man sich in den Denkmustern eines Kleinkindes bewegt.

Denn wenn ich mich mal irgendwann aufrichte und dem Blick fesselnder Augen begegne, sehe ich meine Chancen gleich wieder schwinden. Man kann sich allerhand einreden. Ich glaube zum Beispiel gern, dass ich Widerstand leiste. Gegen die Erosion meiner Kanten durch Kinderkram. Aber die Wahrheit ist: Ich bin kein Mensch. Ich bin kein Mann. Ich bin Vater. Und sexy wirke ich nur auf Wesen mit akutem Kinderwunsch. Wenn überhaupt.

Tochter: „Gehen wir auf den Spielplatz?“
Ich: „Wir sind grade auf dem Weg.“
„Wann gehen wir auf den Spielplatz?“ – „Jetzt.“
„Ich will auf den Spielplatz!“ – „Mach mich nicht fertig.“
„Was?“ – „Nix.“
„Papa, was hast du gesagt?“ – „Pass auf, dass du nicht stolperst.“
„Ich will nicht mehr auf den Spielplatz.“ – „Dann können wir ja jetzt heimgehen.“
„ABER ICH WILL AUF DEN SPIELPLATZ!“

Ich bin kein Mensch. Ich bin kein Mann. Ich bin Vater.

Nach dieser Erkenntnis habe ich meinen Blick mal von innen nach außen gerichtet. Und dort stelle ich keine Veränderung fest. Meine Freundin finde ich noch immer dramatisch sexy. Ich sehe oft andere Mütter, die mich an was Intimeres denken lassen als Kindererziehung. Natürlich nicht, wenn sie gerade mit Feuchttüchern an ihrer Brut herumwischen.

Also liegt das Problem in meiner Eigenwahrnehmung. Scheint ja auch kein seltenes Phänomen zu sein. Meine Freundin schlägt daher vor, dass ich öfter ausgehen soll.
„Und ich kann ja am Wochenende mal weg fahren mit dem Kind“, sagt sie. „Dann bist du für dich und kannst die Sau rauslassen.“

Fabelhafte Idee. An dem betreffenden Freitag winke ich ihnen zum Abschied und gehe voller Tatendrang in die Wohnung zurück. Schreibe all den Menschen, von denen ich weiß, dass verwegene Dinge mit ihnen passieren werden. Nebenbei schaue ich irgendeinen Blödsinn auf Youtube.

Feiern will wieder gelernt sein.

Vier Stunden später hänge ich immer noch vor Youtube rum. Jetzt erinnere ich mich wieder, warum das Junggesellen-Dasein so anstrengend war. Wohin mit all der Zeit? Dummerweise sagt mir ein Freund nach dem anderen ab. Da stehen bei mir EINMAL alle Ampeln auf Grün und dann haben die Mistkerle auch noch ein eigenes Leben.

Letzten Endes gehe ich allein in die Kneipe und sende sexuelle Signale. So wirklich passieren tut dadurch aber nichts. Ich merke nur, dass ich ohne meine Tochter nichts mit mir anfangen kann. Auch feiern will wieder gelernt sein. Ich beginne mit noch einem Bier.

Tochter: „Gute Nacht, Papa.“
Ich: „Gute Nacht.“
„Wo gehst du hin?“ – „Ich setz mich noch in die Küche.“
„Bleib bei mir!“ – „Ich komm bald ins Bett.“
„Warum?“ – „Weil ich mal kurz für mich sein will.“
„DU BIST BÖSE!“ – „Nein, gar nicht. Ich trink nur einen Schluck Wein und komm dann.“
„Na, gut. Heute war ein schöner Tag, oder?“

Vater lächelt entwaffnet und bleibt auf der Bettkante sitzen.

TIPP DES TAGES: In der Hose regt sich noch was? Einfach ein Glas kaltes Wasser drüber schütten.

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