Seit ich Vater bin, hasse ich Kinder noch mehr

© Clint Lukas

Die Kolumne „Cool trotz Kind“ ist für alle Eltern da draußen. Und für die, die es werden wollen. Autor Clint erklärt, wie ihr auch mit Kind euer Gesicht wahren könnt. Vor euch und der Welt. In dieser Folge macht er ein verblüffendes Geständnis.

Neulich war es mal wieder so weit. Ich bin mit meiner Tochter auf dem Spielplatz. Sie schaukelt und lässt sich dabei von mir anschubsen. Doller, Papa, höher, Papa! Das Biest. Sie hat längst gelernt, wie es auch ohne Hilfe geht. Aber warum soll man sich allein beschäftigen, wenn man genauso gut das komplette Umfeld für die eigenen Zwecke einspannen kann?

Egal, sie ist meine Tochter und genießt Narrenfreiheit. Ich stehe also daneben, folge gewissenhaft ihren Regieanweisungen. Schwelge ein bisschen in den Möglichkeiten, die ich hätte, wenn ich nicht für alle Ewigkeit zum Dienst am Kind verdammt wäre. Das ist so ein geheimes Privatvergnügen von mir. Jedenfalls bin ich gerade in die schönsten Gedanken vertieft, da mischt sich eine zweite Stimme in die Galeerenrufe meiner Tochter.

Plötzlich soll ich mich um ein fremdes Kind kümmern

„Auch schaukeln.“

Zuerst nehme ich es gar nicht wahr. Ich reagiere ja auch nicht auf bellende Hunde. Oder den Ruf einer Amsel. Doch das Stimmchen ist hartnäckig.

„Auch schaukeln. Will auch schaukeln.“

Gut, denk ich. Da ist halt ein anderes Kind. Noch so ein Kleinteil. Offenbar will es auch schaukeln. Was geht mich das an?

„Schaukeln! Hilf mir.“

Widerwillig drehe ich den Kopf. Und tatsächlich. Das fremde Kind spricht mit MIR. Geht’s noch, denk ich. Was soll der Scheiß? Ich verkneife mir den Move, demonstrativ nach den Eltern Ausschau zu halten. Das ist schäbig. Stattdessen geh ich hin und setze den Quälgeist auf die andere Schaukel. Was mir sofort einen missbilligenden Blick meiner Tochter einbringt. Das ist doch unfair, möchte ich rufen. Aber dazu bleibt keine Zeit. Weil mir jetzt von zwei Seiten die Kommandos um die Ohren fliegen.

Ich verkneife mir den Move, demonstrativ nach den Eltern Ausschau zu halten. Das ist schäbig.

Warum erzähle ich das hier? Es hat mal eine Zeit gegeben, da war ich noch nicht Vater. Damals war ich oft zu Besuch bei bekinderten Freunden. Und ich erinnere mich voller Erstaunen, wie geduldig ich mit dem fremden Nachwuchs gespielt habe. Natürlich wurden mir dadurch die tollsten Fähigkeiten prophezeit: Du wärst bestimmt auch ein ganz toller Papa. Und blöd wie ich war, hab ich daran geglaubt.

Das tun ja viele Menschen. Sobald sie sich mal für ein Stündchen mit einer fremden Blage beschäftigt haben, denken sie, sie könnten das auch. Als ob so ein isoliertes Stück quality time irgendwas mit dem Elternsein zu tun hätte. Egal. Darum geht es hier gar nicht.

Vielmehr frag ich mich gerade, warum ich überhaupt mit diesen Kindern gespielt habe. Ich war damals ein ziemliches Raubein. Etikette war mir weitgehend fremd. Aber mir einzugestehen, dass ich Kinder nicht leiden kann, dazu haben mir doch die cojones gefehlt.

Mal ehrlich: Kinder sind furchtbar

Mal ehrlich: Kinder sind furchtbar. Egozentrische Spinner. Klar, sie haben noch nicht gelernt, auch mal über das Wohl anderer Menschen nachzudenken. Das kommt erst mit dem Älterwerden. Dieses Wissen ändert aber nichts daran, dass sie sich bis dahin benehmen wie die FDP. Ich Ich Ich. Und was die für eine Scheiße quatschen! Ununterbrochen. Papa, ich hab ein Auto gesehen. Papa, ich hab gepupst. Papa, ich hab Hunger. Bla bla bla bla bla.

Okay. Bei meiner eigenen Tochter kann ich das noch halbwegs verkraften. Weil ich sie liebe. Dadurch sehe ich großzügig über ihr mieses Verhalten hinweg. Aber das erfordert meine volle Konzentration. Und verschlingt restlos den Energievorrat, der für soziale Kompetenz vorgesehen ist. Genau aus dem Grund bin ich so dünnhäutig, wenn andere Kinder was von mir wollen. Weil für die einfach nichts mehr übrig ist.

Wenn so ein Kind auf mich zugewankt kommt auf dem Spielplatz, mit diesem dümmlichen Wolkenkuckucksblick, will ich schreiend davonlaufen. Lasst mich doch alle in Ruhe! Ich MACH doch schon alles, was geht!

Andere Kinder sind hässlich

Und noch etwas ist mir aufgefallen, seit ich Vater bin: Andere Kinder sind hässlich. Früher hab ich das nicht so krass gemerkt. Meine Tochter fand ich von Anfang an unfassbar süß. Doch wenn mein Blick auf ein anderes Baby fiel, wurde mir immer leicht schlecht. Schätze, das Kindchenschema ist personengebunden und äußerst eifersüchtig. Wir sind alle nur Opfer unserer Hormone.

Aber das ist denen egal. Die anderen Kinder kommen trotzdem zu mir. Als ob ich sie magnetisch anziehen würde. Strahle ich soviel Wärme aus? Merken die nicht, dass ich sie nervig finde? Ich bin wirklich machtlos. Vor allem, weil es anderen Eltern nicht das Geringste auszumachen scheint, sich um die gesamte Menschheit zu kümmern.

Und das sollen sie auch! Ich hab nichts dagegen. Nur eine Frage: Wenn ihr euch so wohl damit fühlt, der Schöpfung zu dienen, warum zum Teufel muss ICH dann eure verdammte Göre beim Schaukeln anschubsen?

TIPP DES TAGES: Ein fremdes Kind will was von euch? Einfach umschubsen.

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