Ohne Kind wäre ich ein Arschloch

© Rike Schäfer

Die Kolumne „Cool trotz Kind“ ist für alle Eltern da draußen. Und für die, die es werden wollen. Autor Clint erklärt, wie ihr auch mit Kind euer Gesicht wahren könnt. Vor euch und der Welt. In dieser Folge dankt er seiner Tochter dafür, dass sie ihn zu einem besseren Menschen macht.

Kann man cool bleiben, auch wenn man ein Kind hat? Aber sicher doch. Diese Kolumne zu lesen, ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Ich bin zwar nicht perfekt, aber ich gebe mir stets die größte Mühe. Ich bin geradezu verbissen cool.

Ich schaffe es zum Beispiel, mit meiner Tochter an einem Straßenmusiker vorbei zu gehen, ohne mich selbst und die gesamte Schöpfung zu demütigen. Also versteht mich nicht falsch. Wenn das Kind ein bisschen zuhören will, darf sie das natürlich. Ich bleib dann einfach neben ihr stehen und warte. Was ich NICHT tue, ist, meinen Körper debil in Knien und Hüften zu wiegen. Ich animiere meine Tochter auch nicht, in die Hände zu klatschen. Ich muss weder ihr, noch mir, noch sonst irgend jemandem meine Weltoffenheit demonstrieren, indem ich zeige, wie toll ich Straßenmusiker finde.

Nichts besonderes, denkt ihr? Dann achtet nächstes Mal darauf, wie andere Eltern sich in diesem Moment verhalten. Schauderhaft. Das muss wirklich nicht sein. Man muss auch nicht empört tun, wenn jemand vor Kinderaugen bei Rot eine Ampel passiert. Das ist Berlin, Mensch. Da geht man über Rot. Bringt euren Kindern lieber bei, dass man IMMER gut schauen muss, ob ein Auto kommt. Finde ich viel wichtiger, als sich von blinkenden Lichtern das Leben bestimmen zu lassen.

Das ist Berlin, Mensch. Da geht man über Rot.

Nun zu einem anderen Thema: Kinderhasser. Ja, es gibt sie wirklich. In der letzten Folge habe ich mich selbst als einer geoutet. Die Sache ist nur, dass ich das in der Öffentlichkeit niemals zeigen würde. Natürlich finde ich Kinder nervig. Sie sind laut und überdreht. Müssen ihre Umwelt pausenlos über das Sichtbare informieren. So ist das nun mal. Ich nehme es ihnen nicht übel. Genauso wenig wie ich einem Baum vorwerfe, dass er Blätter hat.

Meine Gelassenheit ist noch größer geworden, seit ich selbst Vater bin. Schreiende Babys in der U-Bahn sind für mich kein Problem. Auch dreijährige Egoshooter, die den ganzen Waggon mit ihrem Hirnwichs beschallen müssen, lassen mich kalt. Ich kenn das schließlich von meiner eigenen Tochter. Ich weiß, wie die anderen Eltern sich fühlen. Wenn man genervt angestarrt wird, nach dem Motto: „Stopf deiner Göre doch endlich das Maul.“

Natürlich finde ich Kinder nervig. Aber ich nehme es ihnen nicht übel.

Gerade vorgestern ist mir das wieder passiert. Meine Tochter erzählt in der U8 munter und laut davon, was sie in der Kita erlebt hat. Sobald sie zu einer Art Ende gekommen ist, fängt sie wieder von vorn an. Die Fakten, die sie dabei vermittelt, mögen für Außenstehende nicht von höchster Relevanz sein. Aber wie sagt man so schön: Sie ist halt ein Kind.

Dann, wir fahren gerade am Rosenthaler Platz ein, blafft mich ein Rentner an. Dass ich meiner Tochter mal beibringen soll, sich in der Öffentlichkeit zu benehmen. Und nicht so zu schreien. Das Kind schaut zu mir. Sie ist verunsichert, will sehen, was ich dazu sage. Leider bin ich nicht schlagfertig. Die richtigen Antworten fallen mir immer zu spät ein.

„Würden Sie so auch mit einer Gruppe Neonazis reden, wenn die im Abteil rumgrölen?“, wäre eine gute Antwort gewesen. „Ich bin mir sicher, bei ein paar Hooligans oder Weddinger Alpha-Brudis würden Sie sich nicht so aus dem Fenster lehnen, oder? Immer schön aufs schwächste Glied in der Kette eindreschen.“

Leider sag ich das nicht. Ich rufe nur: „Du Hurensohn. Ich mache Party auf deinem Grab“ und springe mit meiner Tochter am nächsten Bahnhof nach draußen. Dann erkläre ich ihr etwas Grundsätzliches.

Jeder Feind von dir ist auch mein Feind

„Mein Kind“, sag ich. „Es wird immer Leute geben, die dich anschnauzen und dir ein schlechtes Gefühl geben wollen.“
„Warum?“, fragt sie.
„Weiß nicht. Weil sie sich selbst schlecht fühlen.“
„Schade, oder?“
„Ja, aber nicht für dich. Du darfst immer machen, was du willst.“
„Alles, Papa?“
„Ja. Außer ich verbiete es dir.“
„Okay.“
„Und noch was: Jeder Feind von dir ist auch mein Feind.“
„Gut.“

Sie nickt, als hätte sie mich zumindest teilweise verstanden. Erhobenen Hauptes steigt sie in die nächste Bahn und fängt mit ihrem Monolog wieder von vorn an. Es ist schön zu sehen, dass sie sich meiner vollen Unterstützung bewusst ist. Ich bin zwar manchmal ein Arsch, ziemlich oft sogar. Aber für meine Tochter zeig ich mich stets von der besten Seite.

TIPP DES TAGES: Man darf Kinder nervig finden. Man darf es sich nur nicht anmerken lassen.

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