Männer, die keine Kondome benutzen wollen, sind respektlose Arschlöcher!
von Sara Tiendorff
Vor einigen Wochen habe ich einen Mann über eine Dating-App kennengelernt. Wir haben uns getroffen und sind in einer Bar etwas trinken gegangen. Es war ein wirklich schöner Abend. Wir haben gelacht, geflirtet, gequatscht, geraucht und getrunken. Er wirkte auf mich höflich und zuvorkommend. Ein guter Kerl, wie man so sagt. Schnell war klar, dass wir uns wieder sehen wollten. Nach zwei weiteren Treffen, bei denen wir uns auch wieder super gut verstanden hatten, war es dann soweit. Ich nahm ihn mit zu mir nach Hause.
Seine Küsse waren leidenschaftlich und heiß. Ich war absolut erregt und total gespannt, wie es sein würde, mit ihm zu schlafen. Knutschend auf der Couch liegend kamen wir uns immer näher. Langsam und zärtlich zog er mich aus, übersäte meinen Körper mit Küssen. Seine Haut roch nach seinem herben Parfüm und gleichzeitig irgendwie zart. Als wir beide schließlich nackt waren, konnte ich es kaum noch erwarten, ihn in mir zu spüren. “Jetzt brauchen wir nur noch schnell ein Kondom.”, dachte ich mir.
Der Kondom-Moment
Zum Glück liegen die bei mir immer griffbereit. Ich habe auch verschiedene Sorten da, falls jemand besondere Vorlieben hat. Gerade als ich nach der Box mit den Kondomen greifen wollte, zog er mich zu sich ran und drang in mich ein. In einer Mischung aus totaler Erregung und Verwunderung, war ich einen Moment perplex. Bis ich meine Sinne wieder vereint habe, vergingen ein paar Sekunde. Ich versuchte ihn sanft wegzudrücken und meinte zu ihm, dass wir ein Kondom nehmen müssen. Im ersten Moment schien er mich nicht wirklich wahrzunehmen, zumindest reagierte er nicht, sondern wollte einfach weiter machen. Jetzt schubste ich ihn fast von mir runter.
'Ich habe aber keine Krankheiten!', erwiderte er empört.
Er sah mich verwundert an. “Nimmst du nicht die Pille?”, fragte er mich. Na das fiel ihm ja früh ein, mich das zu fragen. “Nein tue ich nicht.“, antwortete ich wahrheitsgemäß, “aber selbst wenn, habe ich keinen Sex mit dir ohne Kondom. Ich kenne dich doch gar nicht.” “Ich habe aber keine Krankheiten!”, erwiderte er empört. Kondome würde doch den ganzen Spaß vermiesen und er könne dann auch nicht gut kommen, erklärte er mir. “Das mag sein, das spielt aber keine Rolle.”, antwortete ich.
Er erklärte mir, dass er wirklich gut aufpassen würde, ich bräuchte mir keine Sorgen machen. Seine Stimme sollte wohl beruhigend und vertrauenserweckend klingen. Ich konnte aber kaum fassen, was er da sagte. Gleichzeitig versuchte er mir wieder nah zu kommen, erneut in mich einzudringen. Ich spürte wie ich sauer wurde. Das ist doch nichts, worüber man diskutieren kann, oder?! Noch einmal stieß ich ihn von mir weg und erklärte ihm, dass ich ohne Kondom nicht mit ihm schlafen würde. Jetzt endlich schien er zu begreifen, dass ich es ernst meinte. Widerwillig nahm er das Kondom aus meiner Hand und streifte es über.
Was war da eigentlich gerade passiert?
Der anschließende Sex war nicht schlecht, aber ich konnte mich nicht mehr richtig entspannen und es genießen. Meine Gedanken kreisten um diese Diskussion und die Selbstverständlichkeit, mit der er versucht hatte, seinen Willen durchzusetzen. Nach dem Sex übernachtete er noch bei mir. Als er am nächsten Morgen gegangen war, hatte ich endlich ein bisschen Zeit, um darüber nachzudenken, was da eigentlich passiert war. Wie kommt ein Mensch auf die Idee, dass es diskutabel sei, ob ich ein Risiko für meine Gesundheit eingehen will? Und nicht nur das, sondern auch die Möglichkeit, dass sich mein komplettes Leben ändert, indem ich ungeplant schwanger werde? Natürlich habe ich in Deutschland auch die Option, eine Schwangerschaft abzubrechen und ich befürworte diese Regelung. Trotzdem ist die einfache Vermeidung einer solchen Situation mittels eines Kondoms für mich nichts, worüber man diskutieren kann.
Wie kommt ein Mensch auf die Idee, dass es diskutabel sei, ob ich ein Risiko für meine Gesundheit eingehen will?
Das ist im Grunde so, als ob ich mit jemanden einen tollen Ausflug mache, wir uns total gut verstehen und eine tolle Zeit haben, bis ich ihn ungefragt zum Bungee Jumping zwingen will, weil mir der Ausflug dann noch mehr Vergnügen bereiten würde. Also schubse ich ihn einfach in den lustigen Fahrstuhl, der uns zur Sprungplattform bringt. Und wenn er dann oben auf der Plattform erklärt, dass er nicht möchte, wäre mir das egal, weil es ja mir Spaß macht, ihm beim Springen zuzusehen.
Das Risiko, dass dabei etwas Lebensveränderndes passiert, ist wahrscheinlich nicht so groß. Aber ich möchte definitiv selbst entscheiden, welche Risiken ich im Leben bereit bin zu tragen.
Sex bedeutet immer, dass sich zwei Menschen einen Vertrauensvorschuss geben
Ich habe es in der Vergangenheit schon ein paar Mal erlebt, dass mein Sexpartner nicht von alleine zum Kondom gegriffen hat und ich ihn daran erinnern musste. Auch diese Situationen empfand ich als ärgerlich. Aber darüber diskutieren musste ich bisher noch nie. Sex bedeutet immer, dass sich zwei Menschen einen Vertrauensvorschuss geben. Insbesondere dann, wenn man sich noch nicht so gut kennt und es das erste Mal gemeinsam ist. Man vertraut einander, man behandelt sich gegenseitig mit Respekt und man überschreitet die Grenzen des anderen nicht. Wer dieses Vertrauen missbraucht und seine eigenen Bedürfnisse über die des anderen stellt, ist in meinen Augen ein egozentrisches Arschloch.
Dafür gibt es keine Entschuldigung
Doch warum habe ich bisher noch nie darauf so reagiert, wie man eigentlich auf Arschlochverhalten reagieren würde? Warum habe ich den Typen nicht einfach rausgeschmissen für seine Respektlosigkeit? Klar, ich war geil und wollte wirklich gerne Sex haben. Aber schlussendlich konnte ich den Sex doch nicht richtig genießen. Und jetzt, im Nachhinein, fühle ich mich nicht nur um den schönen Sex betrogen, den ich hätte haben können, sondern auch noch schlecht, weil ich zugelassen habe, dass er mich so behandelt. Ich frage mich, ob ich vielleicht auch überzogen reagiert habe. Im Eifer des Gefechts kann man das Kondom vielleicht auch schon mal vergessen. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto eher komme ich zu dem Schluss, dass es für den Versuch, ungefragt ungeschützten Sex zu haben, keine Entschuldigung gibt. Vor allem nicht, wenn sich die beteiligten Personen kaum kennen. Wenn ich rational darüber nachdenke, wie respektlos er mit mir umgegangen ist, schäme ich mich, dass ich nichts dagegen unternommen habe.
Warum habe ich den Typen nicht einfach rausgeschmissen für seine Respektlosigkeit?
Ich habe mir fest vorgenommen, sollte diese Situation noch einmal vorkommen, anders zu reagieren. Denn Verhütung ist immer ein Thema, das alle beteiligten Personen etwas angeht. Und wer auf die Idee kommt, sich dabei komplett auf die andere Person zu verlassen oder die Bedingungen zu diskutieren, ist in meinen Augen vor allem eins: absolut respektlos.