Künstler und Studenten werden beim Holzmarkt-Streit gegeneinander ausgespielt
Nach dem Mauerfall blühte die Berliner Partyszene schlagartig auf. Überall in der Stadt, vor allem im Ostteil, entstanden neue Clubs, die improvisiert und häufig ohne Erlaubnis der Behörden auf leerstehenden Flächen, in vormaligen Wohnhäusern und auf stillgelegten Industriearealen errichtet wurden. Heute, mehr als 25 Jahre später, ist die Stadt erwachsen geworden. Und auch die Clubszene ist längst den Kinderschuhen entwachsen.
Das Geschäft mit Techno und Elektro, den Mainstream-Richtungen hauptstädtischer Tanztempel, ist kommerzialisiert worden – und dazu hart umkämpft. Zu den gewinnorientierten Projekten zählt auch der Holzmarkt, dessen „Dorf“ in diesem Jahr eröffnet wurde und das trotz seines utopischen Auftritts ein wirtschaftliches Unternehmen darstellt, das Kunst und Kommerz geschickt zu kombinieren vermag. Nun befürchten jedoch Teile der Landespolitik, dass der Kommerzgedanke überwiegt. Zwischen dem grün-regierten Friedrichshain-Kreuzberg unterstützt von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) und dem Betreiber-Kollektiv ist ein Streit darüber entbrannt, wie es mit dem sogenannten „Eckwerk“ weitergehen soll.
Das „Eckwerk“ liegt westlich des bereits fertiggestellten „Dorfes“ und soll nach Vorstellungen des Holzmarkt-Kollektivs ein Ort der kreativen Arbeit werden, in dem Künstler aus aller Welt Wohnen und Schaffen miteinander verbinden können. Einigen Politikern gefällt dieses Vorhaben offensichtlich nicht, zumal gemunkelt wird, dass Quadratmeterpreise von bis zu 30 Euro fällig werden könnten: In ihrem Auftrag ficht die Gewobag als Teilhaber nun mit den Betreibern gerichtlich um die Bebauung des Geländes. Denn unter Wohnen hat sich das Landesunternehmen vielmehr „schnöde“ Studentenwohnungen vorgestellt. Rund 600 Apartments könnten auf dem Gelände entstehen, auf dem die Betreiber fünf jeweils über 30 Meter hohe Türme planen.
Welche Seite sollte man als freiheitliebender Berliner unterstützen?
Dass zwei Gruppen, deren Freiheiten durch den Ausverkauf der Stadt immer weiter eingeschränkt werden, in den Streit um eines der letzten innerstädtisches Filetstücke hineingezogen werden, ist ein Novum. Welche Lösung sollte man als Berliner, dem Freiheit und Vielfalt, soziale Verantwortung und die Lebendigkeit der Stadt wichtig sind, unterstützten? Künstler haben dafür gesorgt, dass Berlin sich weltweit einen guten Ruf als lebenswerte Stadt aufgebaut hat. Studierenden wünscht man, dass sie sich nicht schon mit Beginn des Studiums hoch verschulden müssen, nur um ein halbwegs menschliches Dach über dem Kopf zu haben. Halbwegs human deshalb, weil auf dem Gelände durch hohe Lärmbelästigung eigentlich kein dauerhaftes Leben zulässig ist, was aber von der Politik geschickt ausgeblendet wird.
Ein pauschales Urteil zu fällen erscheint schwierig. Zumal zu viele Parteien, neben der Stadt und dem Künstlerkollektiv sind noch Stiftungen in der Gesamtplanung involviert, den Konflikt vielschichtig machen. Das eigentliche Problem liegt aber ganz woanders: Die Landespolitiker würden wohl nicht urplötzlich den Betreibern reingrätschen, wäre die Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht so verfahren.
Berlin findet keinen Weg, den ärmsten dieser Stadt, wozu am Ende auch Künstler und Studenten zählen, genügend Wohnraum bereitzustellen. Es scheint, als ob beide Gruppen gegeneinander ausgespielt werden, während reiche Investoren munter Mietpreisbremse und Milieuschutz aushebeln. Wem auch immer die Gerichte am Ende zustimmen werden, ein bitterer Beigeschmack bleibt.