Kaffee, Politik und guter Geschmack – Im Gespräch mit Rösterin und Barista Barbora Ernygrova

© Hannah Bahl

Coffee oder Covfefe?! Wir schlagen immer noch die Hände über dem Kopf zusammen, wenn wir uns an diesen Trumpschen Twitter-Verschreiber erinnern. Trotzdem steckt im dümmsten Tweet des Jahres irgendwie auch eine kleine Wahrheit: Wir leben in Zeiten, die politisch sind. Das fängt im Großen an und reicht bis in die morgendliche Espressotasse, selbst wenn wir manchmal noch zu müde sind, um am Morgen darüber nachzudenken. Beim diesjährigen Berlin Coffee Festival in der Markthalle Neun ging es vom 1. bis 4. September deshalb auch besonders um die Sachen, über die man sonst nicht spricht, wenn es um Kaffee geht. Wo kommt der Kaffee her, den wir trinken und welchen Einfluss hat unser Konsum eigentlich auf die Produktionsbedingungen? Wer röstet da für uns die Bohnen und wie inklusiv ist die Kaffee-Kultur eigentlich? In den vergangenen Tagen hat sich in Kreuzberg deshalb alles um das schwarze Gold gedreht, das uns allen den Start in den Tag erleichtert.
Wir haben uns mit der Rösterin und Barista Barbora Ernygrova von der Specialty-Rösterei Tres Cabezas in Friedrichshain getroffen, um den Weg der Bohne in die Kaffeetasse zu verfolgen und über Frauen im Kaffee-Business zu sprechen. Denn auch wenn insgesamt immer mehr Frauen als Barista arbeiten, sind die Rösterei und das Kaffee-Sourcing immer noch eine ziemliche Männerdomäne.

© Hannah Bahl

Was genau ist eigentlich der Unterschied zwischen deinem Beruf als Barista und als Rösterin?
Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Berufe, die über das Produkt natürlich eine Schnittmenge haben. Viele Röster fangen, wie ich auch, als Barista an und entwickeln dann automatisch ein Interesse am Röstungsprozessen. Für mich haben beide Berufe die gleiche Wertigkeit. Interessanterweise ist der Beruf des Rösters für die Cafébesucher einfach weniger sichtbar und deshalb weniger relevant. Die meisten Leute sehen nur den Kaffee in der Tasse und nicht das größere Ganze, was mit dem Produkt zusammenhängt.

Was glaubst du, ist vielen Menschen vielleicht nicht bewusst, wenn sie Kaffee trinken?
Ich glaube viele Leute sind einfach so daran gewöhnt, jeden Morgen ihren Kaffee zu trinken, dass sie nicht so sehr über den Gesamtzusammenhang nachdenken, der mit Kaffee zu tun hat. Kaffee ist nach Öl das weltweit meist gehandeltste Produkt. Ich glaube viele Menschen sind so an Kaffee gewöhnt, dass sie den riesen Unterschied zwischen industriellem Kaffee und Specialty-Kaffee, wie wir in herstellen, vielleicht gar nicht nachvollziehen können.

Die meisten Leute sehen nur den Kaffee in der Tasse und nicht das größere Ganze, was mit dem Produkt zusammenhängt.
Barbora Ernygrova

Ist es schwierig, als Frau als Rösterin zu arbeiten?
Das Rösten hat schon noch immer ein bestimmtes Image, das mit großen Maschinen und industriellen Prozessen zu tun hat. Die gesamte Kaffeeindustrie ist in dem Bereich immer noch sehr von Männern dominiert. Man geht erstmal oft grundsätzlich davon aus, dass dieser Beruf nichts für Frauen ist. Die Kirschen zu schleppen ist natürlich körperlich anstrengend, aber insgesamt geht es beim Rösten um so viel mehr als um körperliche Anforderungen. Der gesamte Prozess hat viel mit Disziplin und Feinfühligkeit zu tun. Natürlich auch mit Kraft, aber ich würde mir wünschen, dass man nicht immer erst beweisen muss, dass man rösten kann, obwohl man eine Frau ist.

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Hast du das Gefühl, dich oft gegenüber Männern beweisen zu müssen?
Ja, seit dem ersten Tag, an dem ich einen Fuß in die Welt der Rösterei gesetzt habe. Dabei wird man ständig an den Punkt gebracht, an dem man sich fragt, ob man gut genug ist. Das ist teilweise schon nervig. Manche Dinge diskutiere ich zum Beispiel einfach nicht mehr, denke mir einfach meinen Teil und streite mich nicht. Ich weiß, was ich weiß, aber mir ist trotzdem immer bewusst, dass man immer wieder mehr dazu lernt und deshalb nie 100% behaupten kann "Das ist die eine, richtige Antwort". Ich glaube, wenn ich das Gefühl hätte, mich nicht mehr weiter zu entwickeln und besser zu werden, wäre das der richtige Moment, um aufzuhören. Um aber auf die Frage zurückzukommen: Ja, ich habe immer das Gefühl, mich als Frau beweisen zu müssen.

Ich habe immer das Gefühl, mich als Frau beweisen zu müssen.
Barbora Ernygrova

Kannst du uns ein bisschen mehr über den Kaffeeanbau erzählen?
Der Kaffee, den wir produzieren, wird von kleineren Bauern und Farmern angebaut. Dabei geht es wirklich darum, sich um die Kirschen und Pflanzen zu kümmern. Ich habe auch einige Zeit in Brasilien auf einer Plantage verbracht. Wenn man dann ganz frühmorgens aufsteht, um die Kirschen zu ernten, bei denen man seit Monaten darauf gewartet hat, sie zu pflücken, ist das schon sehr besonders. Wenn man dann den Röster startet und die Kirschen röstet und dann die erste Tasse Kaffee trinkt, kann man das als Gefühl eigentlich nicht in Worte fassen.

Was ist für dich der schönste Moment als Rösterin?
Die kleinen Dinge sind für mich am wichtigsten. Als ich in Brasilien war, hat mich die gemeinsame Arbeit mit den Farmern und die Arbeit mit ihren Bohnen sehr glücklich gemacht. Neulich saß ich vor einem unserer Cafés und habe einen doppelten, von mir gerösteten Espresso getrunken. Das Paar am Nachbartisch hat den gleichen Kaffee getrunken und den Geschmack gelobt. Das hat mich in dem Moment sehr gefreut. Kaffee ist ja auch immer Teamwork und in dem Moment hat mich das leise und heimlich ziemlich glücklich gemacht.

© Hannah Bahl
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Was würdest du dir im Bezug auf Kaffee mehr von den Konsumenten wünschen?
Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen ein Bewusstsein für das, was sie da trinken, haben. Dafür, dass viele Menschen sehr hart arbeiten, um diesen Genuss möglich zu machen. Wenn man sehr gute Bohnen sourcen möchte, muss man auch bereit sein, in den Kaffee und den gesamten Prozess zu investieren. Wenn wir uns nicht alle mehr mit der nachhaltigen Anbauweise beschäftigen, gibt es bald keinen guten Kaffee mehr, weil es keine Ressourcen mehr gibt. Ich finde auch das Specialty Coffee durchaus einen Preis haben muss, damit das Bewusstsein für die Wertigkeit steigt.

War es für dich eine schwierige Entscheidung, Kaffee zu deinem Beruf zu machen?
Für mich war es nicht schwierig, weil ich wusste, dass mich Kaffee glücklich macht. Für meine Familie war es aber schwierig, weil sie die Erwartung an mich hatten, dass ich Diplomatin werde. Meine Mutter hat mich immer unterstützt, aber wenn ich nach Hause gekommen bin, habe ich da schon manchmal die Enttäuschung in den Augen meiner Oma gesehen, weil es für sie bedeutet hat, dass ich eben nicht die Welt als Diplomatin ändere. Jetzt mache ich die Welt eben mit und durch Kaffee ein kleines bisschen besser und das haben sie jetzt akzeptiert.

Wenn wir uns nicht alle mehr mit der nachhaltigen Anbauweise beschäftigen, gibt es bald keinen guten Kaffee mehr, weil es keine Ressourcen mehr gibt.
Barbora Ernygrova

In diesem Video erklärt Barbora, was Kaffee für sie bedeutet:

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