In Berlin steht die größte Sofortbildkamera der Welt

© Giada Armani

Absolute Konzentration, ein Schuss und Porträtfotos, die in keine Tasche passen. In Berlin, der buntesten Stadt der Welt, steht die einzige Kamera Deutschlands, die Porträtfotos in Originalkörpergröße macht. Direkt zum Mitnehmen. Susanna Kraus, künstlerische Leiterin des Projektes, erzählt AußergewöhnlichBerlin über inneren Reichtum und wie es ist, sich selbst gegenüberzustehen.

Bitte drei Sätze zu IMAGO.
Sie ist die größte Kamera der Welt. Sie ist begehbar und ein Instrument zur Selbstdarstellung. Sie ist ein Medium.

Ist IMAGO eine Berliner Firma?
Nein. Wir kommen aus Süddeutschland, aus München. Gebaut wurde dort ursprünglich nur das Objektiv. Und das hat ein Physiker namens Werner Kraus erfunden, sprich: mein Vater! (lacht) Er arbeitete damals, Anfang der Siebziger, für Daimler Benz und war für Hochgeschwindigkeitsfotografie zuständig. Nachdem die Arbeit dort abgeschlossen war, hat mein Vater das Objektiv zusammen mit einem Freund, dem Künstler Erhard Hößle, in die Kunst transformiert. Sie haben überlegt, ob es möglich wäre, eine Kamera für Porträts in Originalkörpergröße zu entwickeln. Zwei Jahre lang haben sie daran herumgetüftelt. Was dabei herauskam, ist eine Kunstinstallation: die größte begehbare Selbstporträtkamera der Welt, die IMAGO 1:1. Wir arbeiten nicht mit Film, sondern mit einem speziellen Fotopapier. Da es kein Negativ gibt, ist jedes Bild ein Unikat, das IMAGOgramm. Es ist ein Sofortbild, das du direkt, nach zehn Minuten, mit nach Hause nehmen kannst. Polaroid-Feeling, sozusagen. Das haben wir ein paar Jahre lang so gemacht, bis es das Papier nicht mehr gab. Das war, als die digitale Fotografie aufkam, Mitte der Achtziger.

Und somit verschwand die ganze Kamera, die gesamte Installation in einem Lager in der Pinakothek in München. Durch Zufall habe ich sie dann wiederentdeckt. Ich bin auf eine Kiste mit Bildern gestoßen, habe sie geöffnet und dachte: „Das gibt es ja wohl nicht!“

Dein Vater hat Dir nichts davon erzählt?
Doch, sicher, ich habe manchmal als Kind damit gearbeitet und mir damit mein Taschengeld verdient. Die IMAGO stand in dem Atelier meiner Mutter oder auch mal in der Galerie eines befreundeten Künstlers. Aber als es dann das Papier nicht mehr gab und wir nicht mehr damit arbeiten konnten, sind wir in andere Berufe gegangen.

Und was hast Du gemacht?
Ich bin hauptsächlich Bühnenschauspielerin gewesen und habe fast 20 Jahre auf allen großen Bühnen gestanden. Ich war auch kurz beim Film. Dann habe ich meinen Beruf leider – oder Gott sei Dank? – aufgeben müssen, weil ich zu viel gearbeitet habe. Und jetzt mache ich das, und es ist toll.

© Giada Armani

Die Imago ist die einzige Kamera in Deutschland?
Es ist weltweit die einzige Kamera, die das kann. Alle Kameras, die wir gerade bauen, sind bestückt mit dieser speziellen Technik, haben aber immer ein neues Design. Ich kann jeden fragen: „Designst du mir eine Hülle?“ Dann baue ich die Kamera. Das ist die Idee, die dahintersteckt.

Wie funktioniert das? Kannst du, wenn dir dein Bild nicht gefällt, noch mal von vorne anfangen? Oder hast du nur einen einzigen Schuss?
Du hast im Prinzip nur einen Schuss. Du kriegst vorher so viel Zeit, wie du brauchst. Alles fokussiert sich auf dieses einzige Bild. Und nur du allein löst aus.

Und was machst du, wenn die Augen zu sind?
Dann klickst du noch mal. Du gehst mit einem guten Bild nach Hause. Zu 85% klappt es aber beim ersten Mal. Es hängt von den Leuten ab. Wenn man sie aber gut führt, ihnen alles genau erklärt und ihnen so viel Zeit gibt wie nötig, dann funktioniert es. Der eigentliche Punkt ist, dass sie selber die Verantwortung übernehmen.

Aber du bist doch auch für die anderen verantwortlich.
Manchmal ist es schwierig, wenn es mehrere Personen sind. Aber wenn ein Paar kommt oder eine Familie, dann klappt das meistens gut, sie kennen sich ja und können miteinander umgehen.

Wie reagieren die Leute auf ihre Bilder?
Es gab Leute, die haben angefangen zu weinen, als sie ihr Bild gesehen haben. Sie konnten auf einmal erkennen, welch großen inneren Reichtum sie haben oder wie wunderbar ihre Familie ist. Du darfst nie dieses 1:1 unterschätzen. Das geht schon fast in die Richtung Psychoanalyse. Und ist gleichzeitig ein Geschenk. Auf einmal stehst du dir selbst gegenüber. Die wenigsten rufen gleich im ersten Moment: „Wow!“ Manche werden auch ganz still. Du kannst ganz viel damit machen, das ist hochspannend! Oft schwierig, aber unglaublich!

© Giada Armani
Es gab Leute, die haben angefangen zu weinen, als sie ihr Bild gesehen haben. Sie konnten auf einmal erkennen, welch großen inneren Reichtum sie haben oder wie wunderbar ihre Familie ist.
Susanna Kraus
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