Ich wollte auch mal Hipster sein, aber habe versagt
Ich habe einen Kumpel, der Brillen verkauft. Das macht er schon eine ganze Weile. Bisher habe ich ihm immer vertraut. Doch dieses Mal habe ich der Gewohnheit abgeschworen und bin nicht zu einem der großen Händler gegangen, bei dem mein Freund arbeitet, sondern zu einem Laden, auf den derzeit alle Hipster stehen.
Auf den Trichter hat mich ein anderer Freund gebracht, der mir vor einigen Wochen seine schnieke neue Brille vorführte und nicht nur vom Style schwärmte, sondern auch vom unschlagbar günstigen Festpreis, den er dafür entrichtet hat. Vermutlich war am Ende auch dieser unschlagbar günstige Festpreis ausschlagend dafür, dass ich mich aufmachte zu jenem umwobenen Laden, den wie alle anderen Läden auf der super hippen Hipster-Straße eine gewisse Aura umhüllt.
Davon spüre ich nichts. Ich betrete besagten Laden und stehe erstmals doof da. Freitagabend sind nicht besonders viele Menschen dort, die Verkäufer schleichen gelangweilt um den Tresen. Nach einigen Minuten stehe ich immer noch doof da, bis ich endlich eine der Verkäuferinnen anspreche. „Kannst du mir helfen?“ – „Ja“. Moment, muss das Gespräch nicht andersherum starten?
Komm schon, Max, sei nicht so bieder! Gemeinsam probieren wir mehrere Modelle aus. Jedes Mal, wenn ich mir eine Brille aufsetze, schaue ich sie an – sie schaut zurück. Schweigen. Von meinem Kumpel kenne ich es, dass er etwas sagt. Cool, scheiße, super, auf gar keinen Fall. Hier ernte ich nur einen ausdruckslosen Blick.
Nach einer halben Stunde habe ich zwei Modelle in die engere Auswahl genommen. Ich wäge ab, setze mal die eine, mal die andere auf. Jetzt will ich es nochmal versuchen, ich drehe mich abermals zur Verkäuferin und – sie ist einfach weg. Nicht einfach ein paar Meter weiter, weg im Sinne von weg. Raus aus dem Laden. Feierabend? Ich schlürfe mit meinem favorisierten Modell zur Kasse und bezahle.
Eine Woche später stehe ich abermals in dem Shop, der am Samstag proppenvoll ist. Ich weiß nicht so recht, wohin mit mir. Die Verkäufer sehen alle mega busy aus, ich traue mich nicht, mich vorzudrängeln und zu sagen, dass ich einen Termin habe. Viele sehen so aus, als ob sie auf etwas warten. Ruhig Blut.
Das kommt mir allerdings nur Momente später ins Hirn geschossen, als jemand von hinten laut in meine Ohren schreit. „Max, dein Termin“. Ich drehe mich um und sage, dass ich Max bin. „Oh, sorry“, antwortet der Verkäufer, „ich habe dir wohl ins Ohr geschrien“. Hätte er sich auch entschuldigt, wenn ich nicht sein Kunde gewesen wäre? Lustlos lasse ich den Test über mich ergehen und dränge mich wieder aus dem Shop, der noch ein Stück voller erscheint.
Nun heißt es warten, immer warten. Die Tage verstreichen, nix passiert. Als die im Verkauf genannte Frist schließlich abgelaufen ist, kriege ich eine Mail. Sorry, die Bestellung ist irgendwie auf dem Weg verloren gegangen. Wir melden uns, wenn sie uns erreicht oder so. Resigniert schüttel ich den Kopf. Ich habe versucht, ein Hipster zu sein, aber habe versagt.
Max Müller