"Ich könnte mal wieder nach Brandenburg fahren" – So scheitern wir an unseren Ausflugsplänen
Jetzt, da ich über diesen Tag berichte, kann ich ihn wieder riechen. Den warmen Sommerwind, der uns, meine Freunde und mich, auf dem Weg in Richtung Brandenburger Seenlandschaft begrüßte. Es fühlte sich an, als würde er wispern: „Herzlich Willkommen auf dem Land, es ist Wochenende. Entspannt euch, lasst Berlin dort, wo es heiß, schwitzig und laut ist!“.
Herzlich Willkommen auf dem Land, es ist Wochenende. Entspannt euch, lasst Berlin dort, wo es heiß, schwitzig und laut ist!
Die Illusion des Wochenendausflugs
Natürlich haben wir direkt unsere Sachen gepackt, den Picknickkorb reichhaltig bestückt, um, mit leichten Latschen an unseren Füßen, ohne die Türen zu öffnen in das in einer kleinen Seitenstraße im Prenzlauer Berg auf uns wartende Cabrio zu springen. Wir waren jung und spontan. Wir waren Berliner und mit den reichhaltigen Attraktionen, Wäldern und dem Berliner Umland so gut vertraut wie mit unseren Daunenwestentaschen. Jedenfalls war da dieser Wind. Dann war da ein Bach, an dem wir unsere erste Pause einlegten. Die Stadt lag weit hinter uns, nicht mal den Fernsehturm konnten wir sehen. Wir sprangen auf Heuballen, ließen Marshmallows am offenen Feuer zerfließen und wanderten auf den Spuren deutscher Dichter, die die Romantik erfanden.
Es war Anfang Frühling und wir hatten noch viel vor. Eis essen in Orten, die mit -itz enden. Zelten an Seen in Dörfern, die mit -ow enden. Samstags grillen, ganz in der Nähe von Städtchen, noch nicht eingemeindeten Marktflecken, die mit -hausen enden. Unsere Liste war lang. Wieso auch nicht das Angebot nutzen, das quasi vor unserer hauptstädtischen Haustüre liegt?
Was unsere Sommerpläne für Brandenburg angeht, ist morgen immer nächstes Jahr.
Bullshit. Alles gelogen. Wer wirklich das reichhaltige Angebot außerhalb Berlins nutzt, der werfe das erste Brikett. Ich war noch nie, niemals in meinen neun Jahren in Berlin an einem See im tiefsten Brandenburg. Und der Großteil von euch auch nicht.
Wir sammeln Bilder von Holzhütten, Seen und Lichterketten auf Tumblr. Wir fahren dort aber nicht hin. Das Visum reicht immer nur für die Komfortzone. Zudem fällt uns dann, wenn wir nach -itz, -ow und -hausen fahren könnten, wieder ein, dass man in Berlin doch ein Auto braucht. Und jene mit dem Auto sind an diesem Sommersonnenwochende immer bei den Eltern in Pfaffenhofen.
Wir sammeln Bilder von Holzhütten, Seen und Lichterketten auf Tumblr. Wir fahren dort aber nicht hin.
Anstatt also den Frühling und Sommer und den brennenden Asphalt auf der Bergmannstraße gegen Ausflüge nach Brandenburg einzutauschen, sitzen wir wie die Hühner auf der Stange vor der Cuccuma. Anstatt den Horizont auf einer der unendlichen Landstraßen zwischen Berlin und Anklam zu jagen, schleppen wir uns bei 32 Grad im Schatten den Weinbergsweg hoch, um im Weinbergspark neben, ja, neben wem eigentlich? Neben allen zu liegen.
Schulterklopfer gibt es schon für jene, die es von Pankow zum Schlachtensee schaffen
Was unsere Frühlings- und Sommerpläne für Brandenburg angeht, ist morgen immer nächstes Jahr. Wir fahren einfach dann, wenn der BER fertig ist. Denn wir sind eher verliebt in den Gedanken als ins tatsächliche Machen. Die Anziehung des Hauptstadtmagneten steigt linear mit steigenden Temperaturen. Wir rennen lieber wie Idioten Sommer für Sommer im Quadrat des Tempelhofer Felds – ist ja so groß, muss man ja nutzen, bevor die Investoren kommen. Schulterklopfer gibt es schon für jene, die es von Pankow zum Schlachtensee schaffen. Hätte ich für jeden Versuch, an einem Sommerwochenende aufs Brandenburger Land zu fahren, einen Euro erhalten, hätte ich mir tatsächlich heute das notwendige Cabrio kaufen können, mit dem man aufs Land fahren muss. Anders macht es ja keinen Spaß. Und die Fotos sind auch schöner.
Hätte ich für jeden Versuch, an einem Sommerwochenende aufs Brandenburger Land zu fahren, einen Euro erhalten, hätte ich mir tatsächlich heute das notwendige Cabrio kaufen können, mit dem man aufs Land fahren muss.
Dieser Sommer, ich schwöre es, dieser Sommer wird anders. Das sagen wir, jährlich grüßt das Murmeltier, und meinen es so ernst, wie sie es damals ernst meinten, mit der Absicht und der Mauer. Irgendwie schade. Aber auch irgendwie typisch Berlin. So viel Potenzial, so wenig Motivation. Unsere Ideen, doch endlich mal, und dann aber auch mit allen, am Wochenende rauszufahren, verteilen sich im Sommerwind wie Pusteblumensamen. Tanzend landen sie an einem anderen Ort, um, hoffentlich, andere zu inspirieren. Andere, aber bloß nicht uns.