Gedanken zu Raum und Zeit mit 39,6 °C Fieber

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Man braucht nur ein paar Stationen mit der U-Bahn fahren, um zu merken, dass krank sein gerade der heißeste Trend in diesen kalten Tagen ist. Mich selbst hat es kürzlich auch ordentlich erwischt und dass eine Grippe mit amtlichen Fieberschüben von bis zu 39,6 Grad kein Steviaschlecken ist, wurde mir auf schmerzhafte Weise in Erinnerung gerufen. Es ist wohl so, dass man es schlichtweg vergisst, wenn man länger nicht mit solch äquatorialen Temperaturen im Bett lag, was es bedeutet, wenn sogar das sonst so abgefeierte Liegen zu einer ziemlich unkomfortablen Angelegenheit verkommt.

Man könnte sagen, dass man auf den unbequemen Boden der Tatsachen geholt wird, aber die Gliederschmerzen und die sonst üblichen Symptome nicht die einzigen kranken Challenges sind, die es zu bestehen gilt. Auch die eigene Lebensphilosophie wird schnell akut in Frage gestellt, denn ohne einen gesunden Körper fühlt man sich alsbald extrem sinnlos und auch eigentlich starke Charaktere verkommen in kürzester Zeit zu weinerlich depressiven Bettwanzen. Der Fieberwahn führt sogar mitunter bei einigen Menschen (z.B. auch bei mir) so weit, dass sich ähnlich wie unter starkem Drogeneinfluss die Wahrnehmung von Raum und Zeit verschiebt oder gar ganz außer Kraft gesetzt wird.

Der Fieberwahn führt so weit, dass sich, ähnlich wie unter starkem Drogeneinfluss, die Wahrnehmung von Raum und Zeit verschiebt oder gar ganz außer Kraft gesetzt wird.

Mit der Zeit, das habe ich auf frustfrei-lernen.de gelernt, ist es ja eigentlich so: "Die Zeit beschreibt die Abfolge von Ereignissen, hat also im Gegensatz zu anderen physikalischen Größen eine eindeutige Richtung. Die Zeit ist in der GESUNDEN menschlichen Wahrnehmung wie in der Physik als Fortschreiten der Gegenwart von der Vergangenheit kommend zur Zukunft hin beschreibbar."

Ich wusste auf dem Höhepunkt meiner Grippe wirklich nicht mehr, wie ich in mein Bett gekommen bin.

Aber wenn keine Fixpunkte, sprich Ereignisse vorliegen, dann existiert ähnlich wie bei Menschen in Isolationshaft für jenen selbst irgendwann faktisch keine Zeit mehr. Ich wusste auf dem Höhepunkt meiner Grippe wirklich nicht mehr, wie ich in mein Bett gekommen bin und hatte wohl deshalb das schlimme Gefühl in einer verdammt ungeilen Zeitschleife gefangen zu sein. Es gab für mich definitiv keine eindeutige Richtung. Dass derweil die Schlaf- und Wachphasen nicht mehr klar voneinander trennbar waren, pushte dieses Gefühl der Zeitlosigkeit noch um ein Vielfaches.

Doch nicht nur die gute alte Zeit, auch der Raum hat mir schwer zugesetzt. In der klassischen Physik geht man von einem absoluten Raum und einer absoluten Zeit aus. Das heißt: Zeit und Raum beeinflussen sich nicht gegenseitig und existieren unabhängig vom Bewegungszustand eines Körpers. Aber im Fieberwahn schien auch dies außer Kraft gesetzt, denn meine Bewegungslosigkeit veränderte zunehmend auch den Raum und es war so abgefahren, wie es jetzt klingt.

Doch nicht nur die gute alte Zeit, auch der Raum hat mir schwer zugesetzt.

Mit dem Raum ist es so, wie ich hier gelesen habe: "Der Raum ist in der menschlichen Erfahrung durch die drei Dimensionen Höhe, Breite und Tiefe bzw. Abstand, Richtung und Höhe bestimmt. Raum ermöglicht allen materiellen Objekten eine Ausdehnung, er selbst existiert als grundlegendes Ordnungsmodell, dies aber nur in Relation zu diesen Objekten. Ebenso spielen sich alle physikalischen Vorgänge in 'Raum' ab, er ist somit eine Art 'Behälter' für Materie und Felder."

Wenn man allerdings tagelang nur an die Zimmerdecke oder in die Bettdecke starrt, dann verliert man mitunter komplett den Blick für den Raum mit all seinen Dimensionen. Alles wirkt flach und leblos, während die kürzesten Entfernungen schier unerreichbar erscheinen und die kleinen Halluzinationen das Lebendigste im Reich des Fieberkranken sind. Der Raum bleibt zwar eine Art "Behälter", aber nur für die gähnende Leere, die einen umgibt.

Ich verzweifele schon in allen Bereichen an einer handelsüblichen Grippe

Aber genauso unverhofft wie ich in diese Wahrnehmungsstörungen geschlittert bin, so plötzlich erwachte ich auch wieder aus meinem Fieberalbtraum. Als ich mich mit einem wieder funktionstüchtigem Gehirn daran machte, den Müll der kranken Tage zu beseitigen, konnte ich über meine krakeligen Gedankenpapierschnipsel, die sich unter meine Taschentuchreste gemischt hatten, nur noch müde schmunzeln. Und als ich die analogen "Notes of a Bettzombie" digitalisierte, wurde mir eigentlich nur noch eines klar: Ich wünsche allen Menschen, die wirklich richtig krank sind, alle Kraft der Welt, um ihre Krankheit zu besiegen und meine aufrichtige Bewunderung ist euch gewiss, denn ich verzweifele schon in allen Bereichen an einer handelsüblichen Grippe.

In diesem Sinne sei allen derzeit darniederliegeneden Menschen und Tieren von Herzen eine gute Besserung gewünscht!

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