Wer hat die Bedienungsanleitung zu meinem Leben?

© Matze Hielscher

Die Welt ist seltsam. Ständig passiert etwas, das mir keiner erklären kann. Früher war das alles einfacher. Da konnte man seine Eltern mit allen möglichen Fragen löchern. “Was ist eine Vier?”, “Woher kommt Regen?”, “Wie heißt du eigentlich mit Vornamen, Mama?” und so weiter. Es gab Erklärbücher für jedes nur denkbare Phänomen, von Regenkreislauf bis Straßenverkehr, manche sogar mit Musik oder Türchen zum Aufklappen. Alle wichtigen Vorgänge des Alltags wurden leicht verständlich verpackt in Geschichten, Lernspiele und hirngerechte Informationsportionen. Das Weltwissen wuchs mit jedem Tag – bis man plötzlich erwachsen war.

Auf die wirklich komplizierten Dinge im Leben bereitet einen mal wieder keiner vor

Und dann, irgendwo zwischen dem letzten Mal Schultasche in die Ecke feuern und erstem Mal über der Steuererklärung verzweifeln, begann das Problem. Es passierten ständig weiterhin neue, seltsame Dinge im Leben, aber man musste auf einmal selbst damit klarkommen. Man wurde konfrontiert mit unbekannten, rätselhaften und hochkomplexen Vorgängen des Erwachsenendaseins – Dating, Ersatzfahrpläne der BVG, Krankenkassenbeiträge oder Aufbauanleitungen für Bücherregale. Statt bunten Erklärtafeln gab es plötzlich nur noch FAQ, AGB, PDF, KSK, FWD, CC, LG. “Stell dich nicht so an, du hattest lange genug Zeit, um erwachsen zu werden!”, könnte man mir vorwerfen. Stimmt schon, aber naja, man verpasst eben auch manchmal die Bahn, obwohl man pünktlich aufgestanden ist.

Wer nicht fragt, bleibt dumm, aber wer keine Antworten bekommt, auch

Vielleicht liegt es ja auch nur an mir. Vielleicht bin ich irgendwann vor etwa 20 Jahren in meiner geistigen Entwicklung stehen geblieben, weil ich immer noch nicht aufhören kann, Fragen zu all dem zu stellen, was um mich herum passiert. Vielleicht bin ich als Kind auch einfach nur in einen großen Topf voller Fragezeichen gefallen. Wenn Neugier jung hält, müsste ich auf jeden Fall meinen Führerschein abgeben. Andererseits dürfte ich dann auch wieder zum Kinderpreis ins Freibad – ach, die Welt ist nicht nur seltsam, sondern manchmal auch ganz schön ungerecht. Jedenfalls verstehe ich immer noch ziemlich viele Dinge nicht.

Zum Beispiel, was mein Nachbar mit dem Paket gemacht hat, das er vor 3 Monaten annahm und das seitdem verschollen ist. Was Leute dazu bewegt, im Club den Rucksack aufzulassen. Woher man weiß, mit welchem Gesicht man Kunst angucken muss. Auf welches geheime Zeichen hin man ab einem gewissen Alter leichte Sommerschals trägt? Wie oft muss man in seinem Leben verliebt gewesen sein? Wer hat in den 90ern Thomas Gottschalks Sakkos ausgesucht?

Ich finde, es gibt da ziemlich viele eklatante Lücken und ein Handbuch war im Lieferumfang leider auch nicht dabei. Erwachsensein ist eine einzige Servicewüste!

Orientierungshilfe für ratlose Postadoleszenten

Wohin also mit all den Fragen? Gibt es eine Kundenhotline? Kann jemand einen kompetenten Mitarbeiter mit Kugelschreiber in der Brusttasche zu mir schicken? Google stößt recht schnell an seine Grenzen und meine Mutter möchte nicht. Die bittere Antwort ist wohl: Ich muss mir das seltsame Leben und die Menschen wohl selbst erklären. Damit nachkommende Generationen überforderter Postadoleszenten auch noch was davon haben, teile ich meine empirischen Forschungsergebnisse und messerscharfen Analysen ab sofort an dieser Stelle – nur auf den Kugelschreiber in der Brusttasche würde ich gerne verzichten.

In ihrer Kolumne "Fragen an das seltsame Leben" stellt Autorin Ilona diesem seltsamen, komplizierten, immer wieder neuen Leben Fragen zu seinen großen, aber vor allem zu den kleinen unscheinbaren Rätseln des Alltags. Und weil man als erwachsener Mensch alles selber machen muss, liefert sie die Antworten gleich mit.

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