Einfach mal blau machen – Wie die Werbung mit der weiblichen Periode umgeht

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von Ariana Baborie

Es gibt Dinge, die in der Fernsehwerbung wahnsinnig realistisch dargestellt werden – das Innenleben von Schokoriegeln beispielsweise oder Kaffeeflecken auf weißen T-Shirts. Und es gibt Periodenblut. Das wird in der Regel – ein Euro in die Wortspielkasse – von einer charmanten, blauen Flüssigkeit vertreten, die wahrscheinlich nach Vanille duftet und außer ihres Aggregatzustands so gar nichts mit Blut gemein hat. Zugegebenermaßen geht es mir damit ungefähr so wie mit der Bewerbung der neuen Staffel Game Of Thrones: Obwohl ich es schon sehr oft wahrgenommen habe, hat es mich nicht weiter interessiert.

Die Werbung transportiert ein unrealistisches Bild – und erzeugt Schamgefühle

Meine Freundin Conny schon. Neulich schrieb sie mir, wie sehr sie die unrealistische Darstellung von Blut in Binden- und Tamponwerbung aufrege. Ich habe den großen Fehler gemacht, ihr zu antworten, dass mir das auf einer Skala von eins bis zehn egal bis sogar ganz angenehm ist. Es folgte ein ausführliches Essay meiner Freundin. Per Whatsapp. In Schriftgröße sechs. Darüber, dass Menstruationsblut doch eine völlig natürliche Ausscheidung des weiblichen Körpers sei, vor der man sich nicht ekeln und für die man sich erst recht nicht schämen sollte. Dass aber sowohl der mediale als auch der gesellschaftliche Umgang damit Frauen das Gefühl gebe, dass das, was da aus ihrem primären Geschlechtsorgan läuft, etwa den Effekt von Batteriesäure habe. Und wenn sogar die Frauen selbst sich dafür schämen müssten, sei es kein Wunder, dass auch Männer sich oft davor ekeln würden.

Alice Schwarzer wäre stolz auf sie gewesen und hätte an dieser Stelle wahrscheinlich nichts mehr hinzuzufügen als ein Ausrufezeichen. Schriftgröße zwanzig. Diese Argumentation erschien mir erst einmal sehr nachvollziehbar und hatte, ähnlich wie ein realistischer Tampon, einen roten Faden. Schließlich wurde Frauen jahrzehntelang das Bild vermittelt, sie seien „schmutzig“ während ihrer Menstruation. Ich versuchte trotzdem meiner Freundin vorsichtig zu erklären, dass es vielleicht nicht in ihr Weltbild einer selbstbewussten, modernen Frau passte, ich mir aber tatsächlich schönere Dinge vorstellen konnte als meine periodischen Ausscheidungen – selbst ein Karaoke-Sonntag im Mauerpark gehört dazu. Und auch mit der blauen Flüssigkeit in Binden- und Tamponwerbung, die stellvertretend, aber gemütsschonend für Blut eingesetzt wird, komme ich erstaunlich gut klar. Die Sache mit dem Vanilleduft finde ich sogar richtig toll!

Kacke ist auch was Natürliches, aber auch nichts, was ich mir unbedingt angucken muss.

Wie realistisch muss Werbung also sein?

Gerade als ich darüber nachdachte, ob es rein theoretisch möglich wäre, das im echten Leben zu imitieren, indem man sich so einen Wunderbaum für den Autorückspiegel in den Rock näht, unterbrach mich meine Freundin mit einer Tirade weiterer moralischer Appelle: dass ich das ja wohl sehen können müsse. Dass ich da ja wohl drüber reden können müsse. Dass ich das ja wohl nicht als abstoßend empfinden dürfe. Ich stellte mir dabei durchgängig das Whatsapp-Emoji mit dem erhobenen Zeigefinger vor. Meine nächsten Worte mussten wohlüberlegt sein, stichhaltige Argumente enthalten. Meine Position deutlich machen. Sachlich bleiben. Duften rhetorisch nicht anfechtbar sein. „Kacke ist auch was Natürliches, aber auch nichts, was ich mir unbedingt angucken muss.“ Ich war sehr stolz auf mich. Meine Freundin eher so mittelmäßig. Ob ich gerade ernsthaft Exkremente mit Menstruationsblut verglich, fragte sie. Darminhalt versus Gebärmutterschleimhaut.

Wieso denn nicht? Es sind beides Körperausscheidungen. Ebenso wie Schnupfenrotz, Magensäure und Wundplasma. Alles natürlich und für keine davon muss man sich schämen. Aber mir stellte sich eben weniger die Frage, ob die Beschönigung in der Werbung das Schamgefühl erhöht, sondern eher, ob man denn alles immer so darstellen muss, wie es im echten Leben ist. Und ja, in einem Werbespot für Toilettenreiniger, Blasenpflaster, Babywindeln oder eben Slipeinlagen würde ich die gefilterte Realität den harten Fakten vorziehen.

Menstruationsblut ist nicht Lord Voldemort

Wir kamen zu dem Schluss, dass man vielleicht nicht gleich versuchen müsste, mit dem Vorschlaghammer die alten Mauern einzureißen und eins zu eins Tatsachen abzubilden, nur der Echtheit wegen. Aber dass es ein Anfang sein könnte, wenn jeder für sich im Alltag und im eigenen Umgang mit dem Thema Periode gelassener umgeht und sich und anderen bewusst macht, dass es sich um etwas völlig Natürliches handelt. Indem wir offen darüber sprechen zum Beispiel und nicht so geheimnisvoll und eingeschüchtert, als würden Harry Potter und Hermine über Lord Voldemort reden. Indem es das normalste der Welt ist, wenn Frauen sich mal nach einem Tampon fragen und ihn eher mit der Selbstverständlichkeit eines Staffelstabs überreichen, statt ihn sich so verstohlen zuzuschieben, als würden zwei Dealer am Kotti Kokstütchen austauschen.

Oder mit dem „Period coloring book“, den Link dazu schickte meine Freundin mir direkt nach unserem Gespräch. Ja, ein Ausmalbuch. Ich erwartete kleine, niedliche Schimpansen, die an Giraffenhälsen runterrutschen und sich dabei eine Banane schälen. Und lag falsch. Stattdessen warteten schwarz-weiße Zeichnungen von Tampons, klebrigen Fingern und fleckigen Handtüchern, in die man mit bunten Stiften nach Lust und Laune Periodenblut malen kann. Wer möchte, mit rot. Und wer nicht möchte, macht es so wie ich: mit blau.

Es ist das normalste der Welt, wenn Frauen sich mal nach einem Tampon fragen.
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