Instagram macht Freundschaften kaputt
Natürlich kann ich mich noch an meine erste beste Freundin erinnern. Im Kinderkarten, Ende der 80er Jahre. Marken wie Oshkosh und Esprit waren in, wir trugen Latzhosen und rochen nach Oilily-Gummibärchenparfum, das eine von uns beiden – ich meine, dass ich es war – aus irgendeinem Elternbadezimmer geklaut haben. Wir hatten wenige Ziele, und die wenigen, die wir uns vornahmen, waren so flüchtig wie die Beständigkeit einer Sandburg aus dem trockenen Sand der Hinterhofplastikmuschel. Im Laufe der Jahre sollten viele beste Freundinnen kommen und gehen, man sah das damals nicht so eng, einige blieben und sind es auch heute noch.
HDGDL statt BFF
Wir gingen durch dick und dünn, besonders in jungen Teenagerjahren, als unsere Körper anarchisch vor sich hinwuchsen. Wir machten uns gegenseitig Knutschflecken und nahmen zuverlässig die Tamagotchis der anderen in die Tagespflege auf. Wir spielten „in Ohnmacht fallen“, indem wir heftig ein- und ausatmeten und die mutige Freundin uns mit einer festen Umarmung die Luft abschnüren musste. Manchmal, natürlich verglichen wir unser Ohnmachtpotenzial, traten wir für sieben Sekunden aus dem unschuldigen Leben. Verrückt. Aber lange nicht so verrückt wie das, was mit dem neuen Millennium auf das fragile Konstrukt „Beste Freundin“ zukommen sollte.
Wir machten uns gegenseitig Knutschflecken und nahmen die Tamagotchis der anderen in die Tagespflege auf.
Das Zeitalter der Girl Groups veränderte unsere Sicht auf die Wichtigkeit der femininen Freundschaft. "If you wanna be my lover, you gotta get with my friends / Make it last forever, friendship never ends", sangen die Spice Girls im Jahr 1996 und stellten damit das Machtverhältnis zwischen erste Liebe und beste Freundin eindeutig klar. Es war eine gute, aber harte Zeit. Wir wurden zu wahrhaftigen Teenagern mit Brüsten und Brillen und die Frage, wer von uns nun Beyoncé war und wer treudoof wie Michelle und Kelly hinerherdackelte, stand plötzlich, wenngleich oft unausgesprochen, im undefinierbaren Raum. Unsere besten Freundschaften verbrachten wir lange vor dem Wort "BFF", wir kannten nur HDGDL.
Das fragile Konstrukt Freundschaft
Wie gut diese Zeit vor den Sozialen Medien war, das kann ich heute, retrospektiv, relativ gut einschätzen. Heute findet man bei Instagram über 400.000 Eintrage mit dem Hashtag #bffgoals. Alles und jedes, das von zwei oder mehr Mädchen und Frauen in Mädchenkörpern unternommen wird, ist ein #bffgoal. Was man bei Teenagern durchaus als Naivität und zwanghafte Gruppendynamik deuten könnte, wird jedoch auch von infantilen Celebritys verwendet. Champagnerspritzen auf einer Yacht? #bffgoal. Flache Bäuche, hoch die Tassen? #bffgoal. Thigh Gap und Spitzmund? #bffgoal. Nur wenige Fotos zeigen Mädchen und Frauen, die sich gegenseitig die Haare beim Kotzen halten. Gemeinsam über einen roten Teppich zu laufen ist kein #bffgoal, das ist eine Kombination aus Talent – sofern man den Teppich aus Berufsgründen betritt – und Physik. Ein Fuß vor den anderen.
Gemeinsam über einen roten Teppich zu laufen ist kein #bffgoal, das ist eine Kombination aus Talent und Physik.
Freundschaften sind, besonders diese innigen, wahren Freundschaften, immer ein Grund zum Feiern. Zum Freuen und dankbar in den Himmel schauen, wenn man nebeneinander am See liegt. Die öffentliche Zurschaustellung von #bffgoals, die sich inhaltlich mit #couplegoals und #fitgoals einreihen, kann auf junge Mädchen aber destruktiv und einschüchternd wirken. Das Leben mit Sozialen Medien und vermeintlichen Vorbildern wie YouTube-QVC-Star "Bibi" ist bereits komplex und fake-glamourös genug. #bffgoals jedoch, mischt nun auch in den heiligen Hallen des Freundschaftstempels mit. Das ist, ganz banal gesagt, nicht okay.
Das Finden und Kultivieren einer besten Freundin ist harte Arbeit und im gleichen Atemzug kein unbedingt anzustrebendes Ziel. Nicht jeder braucht ein Posh Spice in seinem Leben. Nicht jeder braucht die unbedingte Zweisamkeit, um Geheimnisse auszuplaudern. Vor allem aber braucht nicht jeder jemanden, der ihm vormacht, wie fit oder wie ombreblond man sein muss. #bffgoal ist in meinen Augen einer dieser Zeitgeistunfälle, der sich wie Masern in einem Kindergarten voller umgeimpfter Kinder ausbreitet und oftmals nur stressbedingt fleckige Gesichter hinterlässt.
Diese innigen, wahren Freundschaften sind immer ein Grund zum Feiern. Aber nicht jeder braucht jemanden, der ihm vormacht, wie fit oder wie ombreblond man sein muss.