Das Gemüse des Monats: Schwarzwurzel

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In dieser Serie stellen wir jeden Monat ein ganz besonderes Gemüse der Saison vor – von seiner Kulturgeschichte über Zubereitungsarten bis hin zu den besten Adressen dafür in Berlin. Im März ist das die Schwarzwurzel, der Underdog unter den Wurzelgemüsen.

Zumindest kulinarisch hat der März einiges zu bieten. Jedenfalls deutschlandweit. Denn nur noch diesen Monat könnt ihr ihn noch finden, den „Winterspargel“, etwas weniger glamourös auch „Spargel für Arme“ genannt. Ich erinnere mich an schlimme Szenen, als meine Schwester etwa sechs Jahre alt war und es genau die zu Mittag gab. Geben sollte. Meine Schwester machte vor ihrem vollen Teller Schwarzwurzeln ein sehr unglückliches Gesicht, wohingegen die Großmutter darauf bestand, dass alles zunächst einmal probiert werden sollte, bevor Verweigerung zulässig sei. Das ist sehr vernünftig und im Nachhinein sind wir ihr dafür sehr dankbar; aber eine Sechsjährige von den Vorteilen eines Tellers Schwarzwurzeln zu überzeugen gleicht einem Kampf gegen Windmühlen.

Es waren Schwarzwurzeln in Mehlschwitze, dazu Kartoffeln. Es gibt beinah nichts, was in einer guten Mehlschwitze mit Muskat nicht schmeckt. Kohlrabi, Rosenkohl, Sellerie, alles ist möglich mit Kindern, wenn man es bloß in Mehlschwitze serviert. Bei Schwarzwurzeln und meiner Schwester hatte die Sache allerdings ein Ende.

Von Schornsteinfegern und Nacktschnecken: Wie man Schwarzwurzeln ohne Küchenchaos zubereitet

Im Supermarkt meist irgendwo zwischen Pataten und Pastinaken aufzufinden, liegt da eine Plastikpackung voller schwarzer, verschrumpelter, dicker, ähm, Äste. Man stellt sie sich vor wie Karotten, die man vor einem vierwöchigen Urlaub im Obstkorb vergessen hat. Zwar ist das nur die Oberfläche, die bekanntlich nicht alles ist, aber zumindest die Erste Hürde darstelltn. Denn die Schwarzwurzel muss nicht nur gut geputzt, sondern auch geschält werden. Nach ersterem sieht die Küche aus, als hätte eine Meute von Kaminfegern auf der Arbeitsfläche eine Party gemacht; nach zweiterem, als wären auch noch Nacktschnecken dabei gewesen – wenn man nicht ein paar Tipps befolgt.

Also: gut unter fließendem Wasser waschen und die Wurzeln mitsamt der Schale für eine knappe halbe Stunde in mit Zitrone oder Essig und Kümmel versetztem Wasser kochen und abschrecken. In der Regel lässt sich die Schale dann sehr einfach abziehen – und zwar ohne, dass Hände und Küchenbrett aussehen, als hätte man einen Tintenfisch verarbeitet.

Schwarzwurzel gegen Schlangenbiss

Alle Regeln eingehalten, bleibt die Schwarzwurzel schön weiß. Und nicht nur das, auch was ihre Inhaltsstoffe angeht, hat die Wurzel innerhalb der Wüstenei kindlicher Widerwärtigkeiten eine weiße Weste an. Sie hilft zum Beispiel gegen Schlangenbisse, das ist natürlich besonders in Großstädten wichtig. Oder gegen die Pest – zumindest glaubte man das. Heute weiß man dafür ein bisschen mehr, zumindest über die Schwarzwurzel.

Es ist zum Beispiel besonders viel Kalium drin, das wirkt entwässernd. Neben B1 und E-Vitaminen findet sich außerdem Folsäure, Nitrat und eine ganze Menge Inulin. Letzteres ist ein löslicher Ballaststoff und sorgt für eine gute Fettverbrennung und einen gesunden Darm. Nur einmal zum Vergleich – auf 100 Gramm Schwarzwurzeln sind gegen 0,4 Gramm Fett 17 Gramm Ballaststoffe enthalten. Damit soll vor allem deutlich werden, wie viele Ballaststoffe in der Schwarzwurzel enthalten sind – und nicht, wie wenig Fett.

Natürlich kann man ein paar in Julienne geschnittene Streifen zu einem Low Fat-Joghurt snacken. Schmeckt bloß nicht. Schwarzwurzeln schmecken eigentlich mit allen Dingen, mit denen auch Spargel schmeckt. Nun aber einfach eine Sauce Hollandaise zum Armen- statt zum Reichen Spargel zu essen, ist ein bisschen wie veganes Gyros: Geht schon, ist aber ein bisschen einfallslos.

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Großmütter mit Michelin-Sternen: Das Rezept für gratinierte Schwarzwurzeln

Was also wirklich immer geht und kaum etwas kostet, sind gratinierte Schwarzwurzeln. Man bürstet und schält sie wie besprochen und schneidet die Stücke in die gewünschte Größe – vierteln, zum Beispiel. Diese werden nun einige Minuten blanchiert, in eine Auflaufform gelegt und mit der noch heißen Sauce (in Butter gebratenen Schalotten, Mehl, Parmesan, Zitrone, Salz, Pfeffer und Muskat) übergossen. Nochmals mit Parmesan überdecken, für eine halbe Stunde in den Ofen und mit frischer Petersilie bestreuen. Dazu passen Ciabatta-Brot, Pellkartoffeln oder Polenta.

Manchmal ist man aber selbst für ein Essen aus der Auflaufform zu faul. Oder möchte das Putzen jemandem überlassen, der eine fremde Küche einsudeln darf. Dann ist das Fräulein Fiona ein ausgezeichneter Ort, um beispielsweise Entrecôte mit Süßkartoffelkuchen und Schwarzwurzeln in Rosmarinrahm zu essen. Hier passt die Schwarzwurzel ausgezeichnet hin; sie ist so bodenständig wie ein Holztisch, veraltet wie Charlottenburg und auf unergründliche Weise im Kommen wie... Charlottenburg.

 

Schwarzwurzelschmaus in Berlin: Das Riehmers in Kreuzberg

Und weil man sich die kostengünstigen Variationen auch Zuhause zubereiten kann, kommt nun noch der Hinweis auf das Kreuzberger Riehmers. Dort gibt es rosa gebratenes Flanksteak mit Schwarzwurzelragout und Kartoffeltörtchen. Das Fleisch ist so rosa, dass man meint, der siebte Himmel bestünde aus Flanksteak und das Wurzelragout so sämig, dass es schmeckt, als hätte Eure Oma einen Michelin-Stern bekommen.

Bis heute hat sie es seit dem ersten Probieren kein weiteres Mal geschafft. Mittlerweile geht grüner Spargel, mit 36 Jahren. Haltet Euch an das Gratinier-Rezept oder übt eine gute Mehlschwitze – alles andere wäre Lebenszeitverschwendung!

Restaurant Riehmers | Hagelberger Str. 9, 10965 Berlin | Dienstag – Samstag: 12–14.30, 18–23 Uhr, Samstag: 18–23 Uhr, Montag: 12–14.30 Uhr | mehr Info

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