Auf Koks zum Shoppen im KaDeWe

© Clint Lukas

Jaja, es ist mir bewusst. Klingt voll nach einem VICE-Artikel: „Auf irgendwas irgendwo“. Aber da kann ich nur sagen: Liebe Kinder, es hat auch vor der VICE schon Drogen gegeben. Also kommt bitte klar auf euer Leben. Erstens ist im KaDeWe sowieso jeder auf Koks. Und zweitens kann ich gar nichts dafür. Ich bin da nämlich nicht freiwillig hingegangen.

Kokain ist eine bescheuerte Droge. Es ist blödsinnig teuer und man weiß nie, was einem da angedreht wird. Wenn es schlecht ist, kriegt man schlechte Laune davon. Und wenn es gut ist, kriegt man auch schlechte Laune. Man ist nur zu druff, das zu realisieren.

Kokain ist eine bescheuerte Droge

Um mit meiner miesen Stimmung niemandem auf die Nerven zu gehen, wollte ich meine Wohnung nicht verlassen. Schön bei den Möbeln bleiben, war meine Devise. Ich habe schon etwa ein halbes Gramm intus und bin gerade dabei Geschirr abzuwaschen, da klingelt das Telefon. Es ist Nancy.

„Clint“, ruft sie. „Du musst mir unbedingt helfen!“
„Was ist denn los?“
„Ich bin morgen zur Hochzeit eingeladen und hab noch immer kein Geschenk.“

Ihrem hysterischen Ton nach zu urteilen ist ihr auch ein bisschen Schnee ins Auge geraten.

„Wo bist du denn jetzt?“, frag ich.
„Im KaDeWe. Schon seit Stunden. Ich glaub, ich muss durchdrehen!“
„Nun beruhig dich erstmal.“

Es folgt ein langgezogener Schrei. Die arme Nancy, das hat sie wirklich nicht verdient. Gestrandet im KaDeWe. Eindeutig ein Notfall. Ich drücke mir noch ein paar Lines in die Nase und mach mich dann schnell auf den Weg.

Gestrandet im KaDeWe. Eindeutig ein Notfall

Zwanzig Minuten später stürze ich durch die Türen hinein in den Tempel der Freiheit und schaue mich um. An den Parfumständen lassen sich reiche Witwen die Handgelenke benetzen und plaudern dabei vertraulich mit den Verkäuferinnen. Mehr soziale Kontakte haben sie vermutlich nicht mehr. Zugereiste aus Potsdam-Mittelmark beobachten das makabere Schauspiel und versuchen dann, den Ennui der Großbürgerinnen zu kopieren. Die Mutigsten berühren im Überschwang sogar eine Schweinsledertasche von Louis Vuitton.

Nancy hängt völlig aufgelöst an der Moët-Bar im 6. Stock und klammert sich an einem Rosé fest. Die Barfrau mustert mich mit hochgezogener Augenbraue.
„'Ne Portion Fritten und 'n Krautsalat“, ruf' ich beschwingt. Im nächsten Moment hab ich auch ein Glas vor mir stehen.
„Na, was hast du schon alles gekauft?“, frag ich.
„Gar nichts“, plärrt Nancy verzweifelt. „Ich hab Burnout, glaub ich. Fühl mal meine Stirn!“

Ich ziehe geräuschvoll meine Nase hoch, stürze den Sekt und klatsche in die Hände. Nancy folgt mir zurück nach unten und befingert halbherzig die ein oder andere Jacke. Überall stehen Schilder herum. SALE 50%. Als ein Verkäufer an uns herantritt, beschwere ich mich, dass das irgendwie schäbig wirkt. „Noblesse oblige!“, rufe ich ihm hinterher, während er beleidigt das Weite sucht.

Der Geruch der Freiheit

„Du bist mir auch keine Hilfe“, fängt Nancy wieder von vorne an.
„Wer heiratet denn überhaupt?“
„Na, mein Chef. Da kann ich doch nicht mit leeren Händen auftauchen.“
„Kaufst ihm halt einen Hummer“, sag ich.
„Was soll er denn mit einem Hummer?“
„Keine Ahnung. ICH will jetzt jedenfalls einen Hummer!“

Doch als wir am betreffenden Tresen ankommen, ist mein Enthusiasmus schon wieder verflogen.

„Ich kann jetzt nichts essen“, sag ich. „Warum sind wir überhaupt hier?“
„Na, weil wir EIN GESCHENK KAUFEN MÜSSEN!“

Nancy zittert am ganzen Körper. Zur Beruhigung gehen wir uns erstmal die Nase pudern. Als wir beim Rausgehen bei der Klofrau vorbei kommen, will sie fünf Euro haben. Ich gerate ins Schwärmen: „Das ist echter Luxus“, ruf ich. „Riecht ihr das? Das ist der Geruch der Freiheit!“

Doch Nancy lässt sich nicht anstecken. Sogar ich spüre, dass sie jetzt Nägel mit Köpfen machen will. Also nehme ich sie bei der Hand und kaufe das erstbeste Ding, das mir ins Auge springt. Einen Golfschuh aus Schokolade. Bei der nächsten Runde Champagner sitzt Nancy davor und mustert ihn argwöhnisch.

Ein Golfschuh aus Schokolade

„Denkst du wirklich, der wird meinem Chef gefallen?“
„Klar“, sag ich. „Zweifel sind völlig unangebracht.“
„Aber ich komm mir so blöd vor.“
„Brauchst du nicht. Schau doch nur, was die anderen hier gekauft haben.“

Nancy folgt meinem Rat. Und tatsächlich legt sich nach Kurzem eine gewisse Gelassenheit auf ihre Züge. Die Leute haben aber auch wirklich einen unsäglichen Scheiß geshoppt. In solch erlauchter Gesellschaft brauchen wir uns nicht zu schämen.

„Danke, Clint. Du hast mir den Arsch gerettet.“
„Dafür bin ich doch da.“
„Warum kommst du nicht mit auf die Hochzeit?“
„Lieber nicht“, sag ich, dabei kann man sich da nie sicher sein. Wer weiß, was ich morgen von mir in mein Getränk getan kriege. Außerdem bin ich auf die Reaktion ihres Chefs gespannt. So einen Golfschuh aus Schokolade kriegt man nicht jeden Tag.

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